SSV Jahn in der Dritten Liga: Remis der nicht gegebenen Tore gegen Verl

Regensburg. Am Ende steht ein leistungsgerechtes Unentschieden zwischen Tabellenführer SSV Jahn und Überraschungsteam SC Verl. Glück für den Jahn: Alex Weidinger pariert einen Ball klar hinter der Linie. Pech für den Jahn: Noah Ganaus verhindert die Führung vor oder hinter der Linie.

Jahn-Ersatzkeeper Alex Weidinger mit starker Leistung und famoser Geisterhand. Foto: jrh

Es war nicht wirklich ein Sahnetag des Schiedsrichtergespanns um Robin Braun (Wuppertal). Nach acht Minuten die erste strittige Situation: Bärenstarker Spielzug der Regensburger, Konrad Faber flankt von rechts auf Dominik Kother, dessen Drehschuss wird von Noah Ganaus‘ Ferse auf oder knapp hinter der Linie gebremst.

Zwar bugsiert Ganaus anschließend die Kugel per Hacke über die Linie, doch er kommt zweifelsfrei aus dem Abseits. Die spannende Frage: War der Ball nicht schon zuvor über der Linie? Zugegeben: Nicht leicht zu entscheiden.

Im Gegenzug Verls Führung

Die Jahn-Spieler sind jetzt jedenfalls auf 180, wollen die Führung erzwingen, stehen den Verlern im Strafraum auf den Füßen – aber die befreien sich geschickt und kontern die Regensburger aus: Erst pariert Ersatzkeeper Alex Weidinger, der kurzfristig für den verletzten Stammkeeper Felix Gebhardt einspringen muss, Nicolas Sessas Schuss famos, aber Lars Lokotsch köpft anschließend ins leere Tor, 0:1 (9.).

Der SSV lässt sich davon nicht beeindrucken, presst aggressiv bereits im gegnerischen Fünfer, die Jahn-Spieler machen den Eindruck, als wollten sie die Verler auffressen. Die behalten dennoch meistens die Ruhe und schaffen es immer wieder, sich trotz des enormen Drucks zu befreien. Bis auf wenige Ausnahmen: Ballgewinn Noah Ganaus im Mittelfeld per Kopf, Dominik Kother startet rechts in den Strafraum – und lupft den Ball aus spitzem Winkel extrem gefühlvoll über Ersatzkeeper Tom Müller ins linke Eck, 1:1 (22.).

Der SSV Jahn kann gegen den SC Verl nur in der ersten Halbzeit voll überzeugen. Das sieht auch Jahn-Trainer Joe Enochs so. Foto: jrh

Verls Hand und Abseits nach Rückpass

Jetzt ist Regensburg am Drücker, will die Führung vor der Pause. Nächste strittige Entscheidung: Torge Paetow duelliert sich am Elfmeterpunkt mit Ganaus, der Verler Verteidiger rutscht weg und blockiert mit der Hand den Ball – ansonsten wäre die Bahn frei gewesen für den Regensburger Goalgetter allein vor Keeper Müller. Ein Elfmeterpfiff bleibt aus.

Kurz vor dem Pausenpfiff dann eine klare Fehlentscheidung: Tobias Knost verliert den Ball am eigenen Sechzehner, Kother marschiert links zur Grundlinie, legt zurück auf Oscar Schönfelder, der den Ball aus acht Metern an die Latte donnert – das Schiedsrichtergespann entscheidet auf Abseits, kann bei der Konstellation nicht stimmen, da die Kugel klar nach hinten zurückgelegt wurde.

Jahn-Stürmer Noah Ganaus muss viel einstecken: Kämpferisch gibt der SC Verl alles. Foto: jrh

Wolframs Geistertreffer

Bei so viel Oberpfälzer Elan über weite Strecken der ersten Hälfte, ist die Vorfreude auf den zweiten Durchgang groß. Allerdings auch die Enttäuschung darüber, dass den Regensburgern jetzt nur noch wenig gelingen mag. Die beste Gelegenheit hat der eingewechselte Nicolas Anspach, der Fabers Flanke von rechts am Fünfer um Zentimeter neben den linken Pfosten setzt (64.). Eine Chance zweiter Güte: Rasim Bulic verlädt im Strafraum zwei Verler, seinen verdeckten Drehschuss hat Müller sicher (83.).

Die klareren Möglichkeiten haben die Gäste: Maximilian Wolfram tunnelt den bienenfleißigen Andi Geipl, Sessa zielt scharf auf den zweiten Pfosten, Weidinger ist gerade noch rechtzeitig am Ball, bevor Lokotsch am langen Pfosten frei einnetzen kann (54.). Einen real existierenden Führungstreffer erzielen die Verler dann auch noch: Eine Ecke von links rutscht durch auf Wolfram, der aus acht Metern volley abzieht – Weidingers Pratze ist zur Stelle. Allerdings gut einen Meter hinter der Torlinie. Der Ärger von Fantom-Schützen Wolfram und Trainer Alexander Ende, der obendrein Gelb sieht, ist verständlich.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nimmt der SC Verl den Punkt beim Spitzenreiter SSV Jahn Regensburg mit nach Hause. Foto: jrh

14 Spiele ungeschlagen, Dresden patzt

Alles in allem: Mehr oder weniger gleichen sich die strittigen Entscheidungen aus – aber so richtig glasklar ist heute nur Wolframs Geistertreffer, der wohl zum Dreier gereicht hätte. Das Ergebnis am Schluss leistungsgerecht. Der SSV Jahn ist damit seit 14 Pflichtspielen ungeschlagen – und dank Dresdens Heimschlappe gegen Sandhausen mit drei Punkten Vorsprung weiter Spitzenreiter.

Der Vorsprung – vor dem Sonntagsspiel des Tabellendritten SSV Ulm gegen Unterhaching – auf den Relegationsplatz beträgt satte 13 Punkte. Am kommenden Mittwoch, 19 Uhr, muss Regensburg bei Borussia aus Dortmund ran. Am kommenden Samstag, 14 Uhr, dann das Absteigerduell gegen Arminia Bielefeld.

Der Fotobeweis: Jahn-Keeper klärt Maxi Wolframs Schuss klar hinter der Linie. Foto: jrh

Stimmen zum Spiel

Jahn-Trainer Joe Enochs: „Wir sind schwer ins Spiel gekommen, schießen vermeintlich das Tor und bekommen im Gegenzug das Gegentor, das wir nicht gut verteidigen.“ Vor dem Spiel hatte Enochs gewarnt: „Verl ist eine richtig gute Mannschaft.“ Je länger das Spiel dauerte, desto besser sei sein Team ins Spiel gekommen. „Wir hatten gute Ballgewinne, am Ende der ersten Halbzeit haben wir richtig gute Aktionen gehabt.“ In der zweiten Halbzeit habe man sich dann keine deutlichen Torchancen mehr erspielt: „Wir waren nicht so gut im Spiel. Uns fehlte die letzte Kleinigkeit, um noch ein Tor zu schießen.“

Ein Punkt gegen Verl zu Hause nehme man dennoch gerne mit. „Wir wissen, wo wir herkommen.“ Sonderlob gibt’s für die „Laufwege von Grille“ (Christian Viet), das eiskalte Füßchen von Dominik Kother beim 1:1, die Laufarbeit von Rasim Bulic und Sepp (Andi Geipl) und Ersatzkeeper Alex Weidinger: „Wir haben Vertrauen in Weidi, das ist nicht so einfach, sich von 0 auf 100 reinzufinden.“ Dass er Wolframs Ball hinter der Linie klärt, kommentiert Enochs salomonisch: „Genauso, wie bei uns in der ersten Halbzeit, wo Noah hinter der Linie ist, und er Abseits gibt.“

Alexander Weidinger: „Für mich war’s ein gelungenes Debüt.“ Klar, eine Verletzung wünsche man keinem. „Aber die Aufgabe vom Ersatztorwart ist halt einfach, wenn die Nummer 1 verletzt ist, dass man da ist und der Mannschaft so gut wie möglich hilft.“ Er schaue jetzt von Spiel zu Spiel: „Wir haben noch nicht die genaue Diagnose, aber solange die mich brauchen, solange bin ich da.“ Man sei sich im Klaren gewesen, „dass das ein richtig schweres Spiel wird gegen den SC Verl, das ist fußballerisch eine richtig gute Mannschaft“.

Der Platz habe einige Mängel, „wo das Fußballspielen nicht so einfach gefallen ist, aber es war uns klar, dass Verl uns 100 Prozent abverlangt, und am Ende des Tages können beide Teams mit dem 1:1 zufrieden sein“. Zum Geistertreffer sagt er: „Das war einfach ein Reflex von mir, dass ich den Ball noch irgendwie wegkratze. Ich weiß ja, in der Dritten Liga gibt’s keinen Videobeweis, jetzt ist es so.“

SC-Coach Alexander Ende: „Extrem zufrieden“ sei er mit dem Auftreten der Mannschaft. „Wenn man sich unsere Raute mal anschaut heute, haben wir vier Mittelfeldspielspieler, die auf dieser Position in dieser Saison noch fast gar nicht gespielt haben.“ Tom Baack, der sonst immer ein 8er sei, auf der 6, Sessa, der 10er ist, auf der 8, Yari Otto, der Stürmer ist, auf der 8, und Maxi Wolfram, der Stürmer ist, auf der 10: „Da war schon viel Rotation.“ Kurz vorm Anpfiff sei auch noch Nico Ochojski ausgefallen: „Und dann kommen wir auf den Platz und machen einfach unser Ding. Ich bin extrem stolz auf diese Truppe, wie sie gefightet und auch gespielt hat.“

Die Einstellung trotz der vielen Abgänge in der Winterpause sage „ganz viel über den Charakter, das Zusammengehörigkeitsgefühl“ aus. Bei verlorenen Bällen hätten sich die Jungs gemeinsam hineingeschmissen: „Sie haben dem Tabellenführer einen richtigen Fight geliefert, der seit 14 Spielen ungeschlagen ist, einen Punkt mitgenommen – und ich glaub‘ auch in der Summe jetzt nicht komplett unverdient, kein Punkt, den wir uns ermauert haben.“ Im Gegenteil: „Vielleicht haben wir noch ein Tor zusätzlich geschossen. Aber trotzdem fahren wir nach Hause, sind stolz und nehmen den Punkt sehr gerne mit.“  

Ghost-Goalgetter Maximilian Wolfram: „Das war ein bärenstarkes Auswärtsspiel von uns, wir haben nichts zugelassen außer dem Tor – ich wüsste nicht, wo Regensburg noch mal vors Tor kam.“ Na ja, vielleicht stand der Stürmer auch zu weit weg von seinem Keeper Tom Müller. „Wir wären kämpferisch der verdiente Sieger gewesen, das ist sehr ärgerlich, dass wir heute nicht mit drei Punkten nach Hause fahren.“

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