Rupprecht im Echo-Interview (3): Welchen Ruck brauchen wir heute?
Weiden/Berlin. Am Ende der Ära Kohl hielt Bundespräsident Roman Herzog eine viel beachtete Rede. „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, forderte der erste Bayer im Schloss Bellevue. „Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen.“ Welchen Ruck brauchen wir heute?

Herr Rupprecht, als Roman Herzog 1997 seine Ruck-Rede hielt, war die Lage zwar eine andere, aber nicht weniger herausfordernd. Die Arbeitslosigkeit war hoch, die Rente trotz Blüm nicht mehr sicher, der Investitionsstau auch damals schon beträchtlich. Welchen Ruck brauchen wir heute?
Rupprecht: Ich habe leider nicht die Fähigkeit, wie Ministerpräsident Markus Söder mit einem Döner auf TikTok auf den Punkt zu kommen. Eine Vision für die Region lässt sich nicht nur an einem Punkt festmachen. Wenn wir einen Ruck hinbekommen wollen, müssen viele Leute in eine Richtung ziehen. Es hilft nichts, wenn wir Einzelthemen überhöhen.
Wie stellen Sie sich das konkret vor?
Rupprecht: Als ich vor über 20 Jahren in den Bundestag einzog, hatten wir einen Plan. Ich habe gesagt, wir müssen das Wettbewerbsregime verändern. Das haben die Leute überhaupt nicht verstanden, war aber zwingend notwendig. Die Folge war ein immenser Schub durch die GEW-Förderung. Kapiert wurde das erst, als das Kartonagen-Werk 60 Millionen Euro bekommen hat. Seitdem hat sich die Nordoberpfalz bravourös entwickelt. Man könnte die herausragenden Kennziffern rauf und runter erzählen. 7 von 10 der besten Gewerbesteuergemeinden kommen aus der Region. In vielen anderen Kategorien stehen wir auf Platz 1.
Es braucht ein tiefes Verständnis der Themen, um langfristig ein wirklich großes Rad zu drehen. Und wie damals müssen wir uns von Projekt zu Projekt angeln wie bei der letzten Vision. Albert Rupprecht
Welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die Nordoberpfalz überdurchschnittlich entwickeln konnte?
Rupprecht: Wir haben den Fokus auf die Vision gesetzt, die Abwanderung der jungen Generation zu stoppen. Wäre damals der Aderlass in diesem Ausmaß weitergegangen, hätten wir in 10 Jahren das Horrorszenario einer entvölkerten Grenzregion gehabt. Damit wir das drehen konnten, mussten wir an mehreren Punkten zugleich aufrüsten.
Tatsächlich gab es eine Studie, nach der die Grenzregion stark von Abwanderung betroffen sein würde. Warum ist das bei weitem nicht so krass eingetreten?
Rupprecht: Dazu gehörte ein Konzept für Bildung und berufliche Bildung, die Sicherung der GEW-Förderung, um Arbeitsplätze in die Region zu bekommen und zu halten – wir haben über 1,5 Milliarden Euro an Investitionshilfen in die Nordoberpfalz geholt. Die Entwicklung von Unternehmen wie Schön Kartonagen hängt mit diesen Rahmenbedingungen zusammen.
Wenn ich junge Leute in der Region halten will, brauche ich außerdem attraktive Städte. Wir haben Mittel der Städtebauförderung bis in fast jede Kommune transportiert. Albert Rupprecht
Wir haben mit der Behördenverlagerung qualifizierte Arbeitsplätze und Steuerkraft in ländliche Regionen verlagert. Das waren alles Baustellen, in die wir eingezahlt haben, um die Attraktivität der Region zu erhöhen.
Und wir hatten das Glück, dass uns die Grenzöffnung in die Karten gespielt hat …
Rupprecht: Das war nicht nur Glück. Wir haben die Osterweiterung klug genutzt, die damals für viele ein Schreckgespenst war – viele hatten Angst vor steigender Kriminalität und der Konkurrenz durch billige Arbeitskräfte. Das war ein wirkungsvoller Baustein, der das Zusammenwachsen Europas befördert hat.
Wenn es nicht nur Glück war, welche Entscheidungen haben dazu geführt, dass die Ost-Erweiterung positive Auswirkungen auf die Region entfalten konnte?
Rupprecht: Das alles ist nur gelungen, weil nicht nur drei Leute zusammen etwas auf die Beine stellten, sondern wir auf allen Ebenen zwischen Wirtschaft, Politik und Arbeitnehmern zusammenspielten – von den Bürgermeistern über die Landräte, die Landtagsabgeordneten bis zum Bundestag.
Die Lage heute ist eine andere, weniger Aufbruchstimmung, mehr Resignation. Wie wollen Sie einen neuen Aufbruch hinbekommen?
Rupprecht: Aus den Erfahrungen dieses Erfolgsrezepts lässt sich eine Vision für die nächsten 10 Jahre ableiten: Es geht nach wie vor darum, die Lebensqualität für Jung und Alt in Zeiten des demografischen Wandels zu erhalten. Weil wir mit der Ansiedlung der OTH und der Ansiedlung und Weiterentwicklung vieler Global Players, Hidden Champions und Mittelständler die Abwanderung stoppen konnten, setzen wir jetzt einen neuen Schwerpunkt.
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