Schobers Rock Kolumne: Die Tage werden länger
Weiden. Andrew Bird fusioniert in seinem neuen Album "Sunday Morning Put-On" Jazz mit Folk, aufgenommen in den Valentine Studios. Damon McMahon alias Amen Dunes mischt auf "Death Jokes" Indie-Pop mit experimentellen Sounds. Die Truffaut aus Nürnberg begeistern auf ihrem 14. Album "Refrain" mit Sixties Schrammel-Pop und French-Appeal, während James Vincent McMorrow und Laura Misch jeweils auf ihren neuesten Werken atmosphärischen Indie-Folk bzw. akustische Folk-Pretiosen präsentieren.
Ein paar Empfehlungen für die eher dunkleren Stunden des Tages: Starten wir diese Ausgabe doch mal mit einem Vogel! Andrew Bird heißt der Spatz und ja, wir kennen ihn als gern pfeifenden Troubadour im Folk-Bereich. Dass der Mann aber eine ausgesprochene Liebe zum Jazz pflegt -wir sprechen hier vom Jazz des mittleren, letzten Jahrhunderts, also von Cole Porter, Duke Ellington, Lerner & Loewe, Rodgers & Hart und vielen anderen zeigt sein neues Werk, „Sunday Morning Put-On“ (Universal), das er als Andrew Bird Trio in einer Live-Session in den berühmten Valentine Studios in Südkalifornien (Bing Crosby, Burl Ives, Beach Boys) aufgenommen hat.
Da stand bestimmt ein ganzer Haufen an altem Equipment und Mikrophonen herum, denn genauso klingt diese luftig instrumentierte Schallplatte mit Ted Poor am Schlagzeug und Alan Hampton am Bass, featuring Jeff Parkers Gitarre und Larry Golding Klavier. Bird selbst singt, nein, gibt den coolen Crooner und lässt seine Geige wie ein Holzblasinstrument klingen. Eine nostalgische Zeitreise mit einer Träne im Knopfloch.
Sound-Eskapismus aus Prinzip
Bleiben wir noch etwas beim (vermeintlichen) Jazz. „Death Jokes“ (Cargo), der titelgebende erste Song des neuen Albums von Damon McMahon aka Amen Dunes klingt ein wenig danach, zumindest verbreitet er gut eine Minute lang kakophonisches (Free Jazz-)Chaos, dabei schichtet der Sound-Bastler nur diverse Schichten, Samples, Umweltgeräusche und was sonst noch zu finden war übereinander. In den folgenden Songs wird Indie-Pop daraus, den er mit sanfter, aber umso eindringlicher Stimme vorträgt. Dieser kommt natürlich nicht von der Stange, bliebt doch die Vorliebe für allerlei dazwischen grätschender Soundschnipsel und der Lust am Experiment.
Nach Experimenten steht Andreas Langhammer nicht der Sinn. Dem Singer/Songwriter geht es vielmehr darum, seine Botschaften auch mal in bester Punkmanier zum akustischen Gitarren-Gemetzel in die Welt zu schreien. Zunächst fängt der Mann aber einen auf „Everything Is Ending Here“ mit gekonntem, eher traditionellem Folk-Gitarren-Picking ein. Das wiederholt er später auf „Bring Me To The Ocean“ (Open Records), der ersten, bereits 2008 erdachten, aber erst jetzt auf CD gebannten Scheibe seiner Projekts Lost Name immer mal wieder.
Zur Akustischen gesellen sich gern eine Geige und/oder Cello, Schlagwerk, Bass und E-Gitarre werden ebenfalls ausgepackt, sodass „Let Me Go“ dann ein wenig nach The Men They Couldn´t Hang oder die Pogues klingt. Langhammer ist ein zu spät gekommener, virtuoser wie zorniger Bänkelsänger der Punk-Generation, aber man kann wunderbar mit ihm mitleiden und vielleicht sogar mal einen Refrain mitgrölen.
Von München in die Frankenmetropole Nürnberg. Dort spielen seit gefühlt 70 Jahren die Truffaut. Sie haben alle typisch fränkische Namen, Jean-Jacques Boucher (Bass, Gesang), Ron Chateauroux (Gitarre, Gesang) und Monsieur Accèle (Drums) und spielen ihren charmanten Sixties Schrammel-Pop mit French-Appeal. Gesungen wird meist in Englisch, aber es gibt natürlich auch wieder Reminiszenzen an den Namensgeber und drei französischsprachige Titel.
Der fröhliche Gute-Laune-Jangle-Pop und Sixties-Garage-Rock mit fesselnden Hooks und eingängigen Melodien auf dem inzwischen 14. Album, „Refrain“ (Broken Silence) ist zeitlos wie einst die Lieder der Beatles, klingt aber mehr nach deren Fortentwicklung Richtung Go-Betweens, Orange Juice, Lloyd Cole oder The Smiths.
Wir machen einen Schlenker rüber zur grünen Insel und treffen dort einen Poeten und Musiker, der zu Hause, aber vor allem auch in Australien schon einen gewissen Kultstatus erreicht hat. James Vincent McMorrow heißt der Knabe mit der markant kehligen, leicht heiseren Falsett-Stimme, die sowohl zu Soul als auch zu Folk und Pop passt. „Wide Open, Horses“ (Netzwerk) enthält gefällige, recht atmosphärisch-spärische Indie-Folk-Songs mit viel akustischer Grundierung und nur ganz wenige „Rocker“.
McMorrow liebt es eher zurückhaltend zu agieren, er ist kein Claqueur, kein Possenreißer und Aufschneider. Er weiß aber auch um Dynamik und Spannung und bricht das balladeske Album darum immer wieder mit wuchtigeren Nummern, wie dem Titelsong, würzt seine Lieder mit zarten Arabesken aus Banjo, Fidel oder Klavier. Dass er auch P.O.P. buchstabieren kann, zeigen Tracks wie „Darkest Days Of Winter“.
Zarte Folkweisen für Elben
Am Ende nochmals zurück zum Anfang. Noch verhaltener als die Jazz-Interpretationen des Andrew Bird klingt das „Schwester-Album“ zu Sample The Sky, „Sample The Earth“ (Bertus) der Singer-Songwriterin und Saxofonistin Laura Misch. Was aber ist überhaupt ein „Schwester-Album“? Darauf werden die bereits bekannten Songs in einer akustischen, live im Studio aufgenommen Version neu interpretiert. Man kann sich zu diesen mit Harfe und viel Akustik-Gitarre, Geige und Klavier unterfütterten Folk-Pretiosen gut einen Kammermusik-Abend auf Schloss Minas Tirith in Beleriand vorstellen, klingt doch auch der Gesang sehr ätherisch und nicht von dieser Welt.
* Diese Felder sind erforderlich.