Schobers-Rock-Kolumne: Von jung bis alt, von schräg bis konventionell, von avantgardistisch bis traditionell.

Nordoberpfalz. Auch in Sachen Musik dürfen wir in dieser Ausgabe auf gleich zwei leuchtende und „bunte“ Meisterwerke blicken.

Die Diversität der menschlichen Stimme eingefangen

So gar nicht in den Sommer passen will das siebte Album der Dänin Rebekka Karijord. Die Produzentin, Sängerin und Komponistin kredenzt ein Album für kalte Wintertage am Kamin. Nicht dass „The Bell Tower“ (Bella Union) jetzt recht kuschelig wäre, es klingt eher düster und dunkel verstörend, zumindest ungewohnt wurde es doch ausschließlich unter Zuhilfenahme von menschlichen Stimmen, geliefert vom amerikanischen Vokalensemble Roomful of Teeth aufgenommen.

Es ist ein A-Capella-Album, aber eines, dass Du in der Art noch nie gehört hast! Karijord sampelt, verfremdet, doppelt und manipuliert diese Stimmen, sodass sie sich oft wie ganz normale Instrumente anhören. Diese organische Soundlandschaft vertont Texte und Gedichte über unseren Planeten in Gefahr, den Brief einer Mutter an ihre Kinder, eine Meditation über die Menschheit und unseren Platz in der Natur. Ein pastorales, komplett eigenständiges Kammer- und Ambient-Folk-Album ist dabei entstanden, das nicht von dieser Welt zu sein schein.

Die Trauer wird milder, das Licht am Ende des Tunnels ist nah

Grenzgänger waren auch schon immer die Band Low, die ja hauptsächlich aus Mimi Parker und Ihrem Mann Alan Sparhawk bestand. Nachdem Mimi überraschend starb, veröffentlichte Sparhawk erst einmal sein Trauer-Album, „White Roses, My God“, dass so verstörend und fast unhörbar klang. Jetzt hat er sich mit den befreundeten Trampled by Turtles aus Duluth zusammen getan und das Werk „With Trampled by Turtles“ (Cargo) betitelt.

Zusammen mit den Bluegrass-Haudegen gelingen jetzt wieder Lieder, die nicht nur hörbar, sondernd richtig ergreifend geworden sind. Klar, Sparhawk ist immer noch kein Pausen-Clown, aber diese Melodien und Texte atmen wieder Hoffnung: „It´s not broken, i`m not angry“ heißt es hier z. B. Man kann nur hoffen, dass diese Verbindung noch länger hält, denn das aktuelle Werk könnte zu den besten Low-Alben gezählt werden. Mimi wäre stolz darauf, stammen einige Song-Ideen auch noch von ihr.

Morgenstund hat hier Gold im Mund

Genug der schrägen Pop-Künstler, mit Cautious Clay haben wir einen Vertreter des Mainstreams dabei. Allerdings des guten. Der Mann hat seine acht Songs mit den Uhrzeiten untertitelt, beginnend mit dem frühen Morgen um 05:00 Uhr und endend zur Mittagszeit, der Vormittag nimmt den gesamten Raum ein. Und was hier schon alles an Pop, alternativem R&B, Jazz, Soul und Indie-Rock in unterschiedlicher Gemengelage passiert ist in der Tat gewaltig.

„The Hours: Morning“ (Concorde) heißt also stimmig diese Platte und man kann davon ausgehen, dass die zweite Tageshälfte folgen dürfte. Joshua Karpeh, so der richtige Name, das Künstlers, arbeitete schon mit Kollegen wie Billie Eilish, John Mayer, John Legend, Khalid, Kavinsky, Melanie Martinez, Remi Wolf und zuletzt Tycho zusammen, mich erinnert er vor allem stimmlich ein wenig an Andrew Roachford.

Ruhige Töne aus North Carolina

Nicht ganz so massenkompatibel ist eine junge Singer/Songwriterin mit nigerianischen Wurzeln aus North Carolina. Sie nennt sich Uwade und kredenzt auf ihrem Debüt (Thirty Tigers) ein „Florilegium“, lateinisch für Blumenstrauß. Dieser ist bestückt mit neun Folk-verliebten, Highlife-informierten, aber durchwegs ruhigen, balladesken Stücken, die auch die Chorvergangenheit der Künstlerin nicht ausblenden.

Uwade singt mit unverstellter, leicht melancholisch verhangener Stimme, das Setting ist analog und vorwiegend akustisch gehalten. Es überrascht, dass sie mit ihrer Musik schon als Support für die Strokes unterwegs war, Jamila Woods, Sylvan Esso und vor allem ihre Mitwirkung auf dem ersten Fleet Foxes-Album machen da schon mehr Sinn.

Kopfstützen hoch, zurücklegen und genießen

Unter dem Namen Kopfstützen, also Car Seat Headrest hat diese Band um den Frontmann Will Toledo nun schon ihr dreizehntes Album veröffentlicht. „The Scholars“ (Beggars) ist dabei eine Art Rock-Oper, auf alle Fälle ein Konzept-Album geworden, das auf dem fiktiven Campus der Parnassus-Universität spielt und allerlei Protagonisten nacheinander in Erscheinung treten lässt, die die kleinen und die großen Fragen des Lebens betrachten und zu beantworten versuchen. Man kann die Band getrost dem Indie-Rock-Lager zurechnen, viele diese Lieder haben aber epische Ausmaße und können fast Prog-rockige 20 Minuten Spielzeit erreichen.

Man geht hymnisch und mit großer Jubilierfreude ans Werk, in technischem Gedudel verliert man sich dabei nicht. Ich hatte die Band schon mal vor vielen Jahren live erleben dürfen und war damals schon schwer beeindruckt. Ein paar ihrer Platten fand ich dann eher durchwachsen, „The Scholar“ würde ich aber jetzt als ihr Meisterwerk feiern, erinnert es mich doch an so unterschiedliche Künstler wie Talk Talk, The Polyphonic Spree, TV On The Radio, The Magnetic Fields, aber auch The Who und T-Rex.

An old man still got the blues

Es schadet ja nie, so eine Kolumne mit etwas Bodenständigem abzuschließen, schließlich galt es ja allerlei recht abenteuerlichen Klängen zu lauschen (oder zu lesen). Da kommt uns ein alter weißer weiser Mann gerade richtig, der dazu auch noch den Blues hat. Charlie Musselwhite, zarte 81 Jahre alt und Blues Hall of Fame Mitglied ist der wohl letzte noch richtig große Mundharmonika-Virtuose, ein charakteristischer Sänger ist er obendrein.

Auf seinem 43. Album erfindet er den Blues natürlich nicht mehr neu, dafür besticht die Scheibe, „Look Out Highway“ (Bertus) durch seine Homogenität und die für den Künstler typische Melange aus Delta und Chicago Blues gemischt mit Memphis Soul. Zeitlos.

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