Schobers-Rock-Kolumne: Wir verabschieden uns von einem großen Oberpfälzer Künstler

Oberpfalz. Wir blicken nochmals zurück auf das vergangene Jahr und begegnen hier einem alten Zausel mit Gandalf-Wanderstab zusammen mit seiner Frau auf dem Cover.

Abel Selaocoe / Slowly Slowly / Sivert Høyem / Rum Jungle / Panda Bear / Benjamin Booker

Dieses Mal, Trauriges zum Anfang. Roland „Gobl“ Kopp ist Ende Jänner seinem schweren Krebsleiden erlegen. Die Sulzbach-Rosenberger Musikerlegende eiferte seinem Idol, Rory Gallagher nach, startete früh mit dem Trinken und Musizieren. Ersteres hätte beinahe bereits in seinen Zwanzigern den frühen Tod bedeutet, also ließ er es, startete sein Leben neu und wurde Schreiner, dann Pädagoge und noch vieles mehr, widmete sich der Malerei und Bildhauerei, lebte fortan mit seiner Frau Christina in Neumarkt. Zusammen mit Michael Ströll hob er die famose Kapelle, Buddy & The Huddle aus der Taufe mit der er diverse Alben, meist mit Romanvorlagen als Hintergrund einspielte. Ihre Mischung aus Alt-Country, Blues, Rock, Jazz und Minimal Music, aus Tindersticks, Lampchop, Ry Cooder und Tom Waits war und ist gerade für eine deutsche Combo recht einzigartig, leider drang das trotz einer 4-Sterne-Rezension im Rolling Stone nicht beim breiten Publikum durch, so dass 2010 die Reißleine gezogen wurde. Der Gobl war ein schlauer und verdammt kreativer Kopf und empathischer Mensch, „Free At Last“. Zur Trauerfeier am Valentinstag kamen gut 200 Menschen, eine Buddy & The Huddle Rumpf-Combo spielte zum Abschied ergreifende Lieder. Es war traurig. Es war schön.

Klassik trifft Weltmusik

Mit wem der Gobl sicherlich gerne mal zusammen gearbeitet hätte, wäre wohl der südafrikanische Komponist, Sänger und Cellist Abel Selaocoe gewesen, ist auch er ein Grenzgänger, ein Suchender und Forschender, einer der an die heilende Kraft der Musik glaubt und Brücken bauen möchte. Auf seinem zweiten Album, „Hymns Of Bantu“ (Warner) gelingt dabei die Verschmelzung des afrikanischen Erbes mit seinen pulsierenden Rhythmen, den Obertonharmonien und dem eindringlichen Kehlkopfgesang mit der Klassik von Bach, Marin Marais und Giovanni Sollima noch perfekter und vor allem selbstverständlicher als noch auf dem gefeierten Debüt, „ Where Is Home“. Er arbeitet dabei mit einer ganzen Reihe an Perkussionisten und dem Manchester Collective String Ensemble zusammen, erschafft genuine Klänge und Melodien zwischen traditioneller Bantu-Folklore, internationaler Worldmusic, Klassik und dem Afro-Pop eines Paul Simon in seiner „Graceland“ Phase. Aber egal, wo gerade das Hauptaugenmerk bei diesen Kompositionen liegt, ist es diese wahnsinnige Magie und Energie, die begeistert. Schön, dass dieses weltweit gefeierte Ausnahmetalent am 20.07. zusammen mit den Stuttgarter Symphonikern ein Konzert im Serenadenhof zu Nürnberg gibt.

Slowly Slowly machen ihrem Namen nicht alle Ehre

Kann man sich mit Abel Selaocoe in exotischen, irisierend-schönen Klangwelten verlieren, sind Slowly Slowly aus Australien bestens geeignet, uns wieder etwas zu erden. Der flotte College- und Indie-Rock auf „Forgiving Spree“ (Nettwerk) speist sich hörbar aus einem Punk-Rock-Erbe und ist voll auf den Punkt gebracht. Da marschiert die Rhythmus-Sektion flott voran, die Gitarren grätschen frech dazwischen und Sänger Ben Stewart ist ein markanter, kräftestrotzender Shouter vor dem Herrn. Es ist ein schon fast zu kompaktes Album, dem ein paar mehr Stücke wie das dezent funkige und an INXS erinnernde „That’s That“ mit Saxophon-Einlage ganz gut getan hätte. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Ein Tiefstapler schwingt sich zu Großem auf

„Es ist einfach ein Pop-Album. Eigentlich gibt es nicht viel zu sagen – eine Handvoll straff arrangierter Popsongs, die organisch mit meiner Band aufgenommen und von Bjarne Stensli auf die großartigste Weise abgemischt wurden“, sagt Sivert Høyem. Würde ich dieser Aussage voll zustimmen, wäre die Besprechung von „Dancing Headlights“ (Warner) auch schon wieder zu Ende. Aber mit dem herkömmlichen Begriff von „Pop“ hat dieses Album nicht viel am Hut. Es klingt vielmehr überhaupt nicht synthetisch oder digital unterkühlt, Sivert Høyem feiert den Rock vom Ende der 70er bis zu den 90ern. Da es kraftstrotzende, ja hemdsärmelige Rock-Kracher wie „Hurtle“, die auch von den oben genannten Slowly Slowly stammen könnten, gefolgt von einer zarten, in weichen Gitarren-Hall gebettete Balladen-Hymne mit zart-bitterem Schmachtgesang, „Hollow“ betitelt. Und dann gibt es auch Lieder wie „Dancing Headlights“, die A-Ha mit Roxy Music zusammenbringen, Den „Summer Rain“, der auch ein etwas älteres Stück aus der Nick Cave-Schmiede sein könnte, abgelöst vom wuchtigen, Boogie-artigem „Living It Strange“. Der Rausschmeißer, „Some Miserable Morning“ klingt mit seinen atmosphärischen Resonanz-Gitarren und dem Klavier-Arrangement nach dem Gun Club und wurde live im Schlachthof zu Dresden aufgenommen, zeigt nochmals die ungemeine Spielfreude der Band.

Lockere Töne aus Down Under

Und nochmals zurück nach Down Under. Der Kontinent hat ja eine unüberschaubar lange Küstenlinie, bestens geeignet zum Schwimmen, Tauchen und natürlich dem Surfen. Den Soundtrack zu letzterem liefern u.a. Rum Jungle aus Newcastle. Deren Album, „Recency Bias“ (Independent) holt uns am Ende des Winters schon mal sonnige Temperaturen ins Wohnzimmer oder auch ins Auto, denn zum Cruisen ist diese Musik auch bestens geeignet. Wer jetzt bei Surf-Rock nur an treibende Rhythmen und flotte Melodien denkt, muss sein Wissen hier erweitern, denn diese Jungs ziehen ihre Inspirationen bereits aus dem Beach Boys-Pop der 60er, verarbeiten Punk und Rock`n`Roll, streifen die Red Hot Chili Peppers und lassen es durchaus auch mal gemütlich angehen. Mit dem „Mad Man“ hat man zudem einen eingängigen, von einer markanten Basslinie getriebenen Hit im Repertoire.

Die Schönheit dieser Ausgabe von einem Pandabär

Auf die Charts schielten das Animal Collective noch nie, wäre auch nicht recht erfolgsversprechend gewesen. Wem deren Musik schon immer etwas zu chaotisch war, der Griff schon früher lieber zum Solo-Projekt des Gründers, Noah Lenox aka Panda Bear. „Sinister Grift“ (Domino) ist jetzt aber nur so ein halbes Solo-Album, denn alle Bandkollegen sind hier mit an Bord. Lennox greift wie die Australier intensiv auf die Beach Boys und Van Dyke Parks zurück („50mg“, „Ends Meet“), auch der in dieser Ausgabe bereits erwähnte Paul Simon ist bei „Just As Well“ mit an Bord. Mit der „Ferry Lady“ wird der Reggae gestreift, durch „Left In The Cold“ geistern dem Titel entsprechend klaustrophische Hall-Gitarren, die „Elegy For Noah Lou“ ist genau das, eine besinnlich-atmosphärische Innenschau der Talk Talk-Schule, bevor der ausgebremste Rocker „Defense“ dieses rundum gelungene Album beschließt.

Vor diesem Mann haben die Eltern immer gewarnt

Sicherlich geteilter Meinung sein kann man, hört man Benjamin Booker`s drittes Album „Lower“ (Thirty Tigers). Der eh schon sehr freidenkende Freigeist mischt zu seinem kruden wie einzigartigem Mix aus Soul, Punk, Garagen- und Glam-Rock jetzt noch Noise-Ausbrüche, Electronic-Rock und Hip-Hop. Geht nicht mögen Sie sagen, geht aber doch -irgendwie. Da leiert das Klavier, sitzen Samples & Loops recht schräg, zirpt die Akustikgitarre zu Synthesizer-Gewitter und Booker haucht dazu seine Texte über die Dystopie der Welt als wär`s ein Kammer-Folk-Liedchen. Ein düster-opulentes Low-Fi-Werk, dass eine Faszination aus der Ambivalenz zieht.

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