Schüler wollen Zeichen setzen: Erste Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN
Vohenstrauß. In Altenstadt bei Vohenstrauß sind am Montagvormittag die ersten Stolpersteine im Landkreis Neustadt/WN verlegt worden. Der Anstoß kam von einer Schülergruppe der Realschule Vohenstrauß.

Anna Reil, Lina Schmal, Sophia Kleber, Anton Bock, Franziska Pschirrer, Sophie Hörig und Magdalena Gissibl waren dabei, als Katja Demnig aus Berlin die Steine verlegte. Sie vertrat ihren Mann, Künstler Gunter Demnig, der die Aktion weltweit 1992 gestartet hatte. Die Schüler wurden von Realschuldirektor Kilian Graber und ihrer Lehrerin Doris Thammer begleitet.
Nach Deportation nach Theresienstadt gestorben
Wer genau hinsieht, sieht es jetzt auf dem Gehweg funkeln: Die Messingplatten erinnern an Ernestine und Karl Kohner. Dabei handelt es sich um Geschwister, die ein gutes Jahrzehnt ihrer Kindheit in dem Haus in der Weidener Straße 31 verbracht haben. Beide starben im Vernichtungslager Theresienstadt, ebenso Karl Kohners Ehefrau Rosa und sein Sohn Siegfried. Für sie sind in Weiden Steine vorgesehen.
Erfreulich: Bei der Verlegung in Altenstadt bei Vohenstrauß säumten – obwohl Montagvormittag – viele Ehrengäste, aber auch interessierte Zuschauer die Straße. Auch eine Abordnung der jüdischen Gemeinde aus Weiden war vor Ort. Aus Tschechien war der Bürgermeister von Dlouhý Újezd (früher Langendörflas), Miroslav Křížek, gekommen.
Bürgermeister Andreas Wutzlhofer zitierte den Talmud: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Die Stadt Vohenstrauß habe die Stolperstein-Verlegung von Anfang an unterstützt: „ein deutliches Ja.“ Ein Vergessen der schlimmsten Ereignisse der deutschen Geschichte müsse verhindert werden. Das Thema habe für ihn „hohe Aktualität“.
Federführung bei Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Federführend bei den Stolperstein-Verlegungen ist die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden. Für Vorsitzenden Werner Friedmann ist das individuelle Gedenken wichtig. Der Nationalsozialismus habe die Identität der Holocaust-Opfer auslöschen wollen. Sie werde ihnen hier wieder gegeben: „Ihre Namen werden in die Straßen und Städte zurückgeholt.“
Er honorierte, dass sich die Vohenstraußer Realschüler einbrachten. Auch bei den Stolperstein-Verlegungen in Weiden 2022 und 2023 engagierten sich Sophie-Scholl-Realschülerinnen und Pestalozzi-Schüler. In Weiden sind inzwischen 29 Erinnerungssteine verlegt, weitere folgen im Herbst. Auch aus dem Landkreis Neustadt/WN gäbe es Anfragen.
Schüler recherchierten im Archiv und in Tschechien
„Das Thema hat uns sehr mitgenommen“, erinnerte einer der Schüler in einem gemeinsamen Beitrag. Nationalsozialismus und Judenverfolgung – das gab es weit weg in München und Berlin. „Aber bei uns in Vohenstrauß? Wir hatten keine Ahnung, ob es bei uns einmal Juden gab oder ob unsere Vorfahren Kontakt zu jüdischen Menschen hatten.“
Die Recherchen führten zu Familie Kohner, die aus dem tschechischen Langendörflas stammte, erst nach Altenstadt bei Vohenstrauß übersiedelte und sich schließlich in Weiden niederließ. Karl Kohner betrieb bis zur Reichspogromnacht 1938 ein Schnittwarengeschäft am Unteren Markt. Die Schüler recherchierten im Stadtarchiv in Weiden bei Historiker Sebastian Schott. Sie unternahmen auch eine Exkursion nach Langendörflas.
Private Spende einer Vohenstraußerin
Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung ist für die Jugendlichen immer noch „unvorstellbar“. „Wir möchten ein Zeichen für Demokratie und Frieden setzen.“ Unterstützt wurden die Schüler von Lehrerin Doris Thammer. Die beiden Steine sind durch eine private Spende der Vohenstraußerin Silvia Bayerl finanziert worden. Ihre Schwiegertochter Karin nahm am Gedenkakt teil.
Die Geschichte ist nie auserzählt. Stellvertretender Landrat Albert Nickl war aus seiner Heimatgemeinde Speinshart nach Vohenstrauß gefahren: „ein besonderer Akt“. Ihn trieb die Frage um, ob es auch im westlichen Landkreis Holocaust-Opfer zu beklagen gab. Nickl wusste von jüdischen Mitbürgern, die während der NS-Zeit im Kloster versteckt wurden.
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