Schwerkranker Bub: Mit dem Avatar hält Stefan Kontakt zu seiner Klasse

Vohenstrauß. Stefan Reil (11) hatte Leukämie. Jetzt ist er wieder gesund. Er hatte während der schweren Zeit einen treuen Begleiter - einen Avatar. So konnte er nicht nur am Unterricht teilnehmen, sondern auch mit der Klasse in Kontakt zu bleiben.

Der Avatar war für Stefan der entscheidende “Kontaktmann” zur Schule und zu seinen Klassenkameraden. Foto: Theo Kurtz

Stefan Reil hatte die Grundschule absolviert und freute sich schon auf die Realschule. Doch dann bekamen er und seine Eltern die Hiobsbotschaft: Der Bub hat Leukämie. Der Junge aus Untertresenfeld hat sich nicht unterkriegen lassen, hat gekämpft und den Blutkrebs besiegt. Geholfen hat ihm dabei sein Avatar. Obwohl er über viele Monate die Schule nicht besuchen konnte, war er beim Unterricht zumindest virtuell immer dabei. „Dass er seine Lehrer und seine Schulkameraden gesehen und mit ihnen in Kontakt gestanden hat, das hat ihm wahnsinnig gutgetan“, sind Papa Wolfgang und Mama Petra überzeugt. Der heute Elfjährige musste auch keine Klasse wiederholen, dem Telepräsenzroboter und Hausunterrichtsstunden sei Dank.

Zur Verfügung gestellt hat ihm das Gerät der Verein zur Förderung krebskranker und körperbehinderter Kinder (VKKK) in Regensburg. Fünf dieser jeweils rund 3.000 Euro teuren Roboter hat der Verein im Bestand. „Wir könnten aber gut doppelt so viele brauchen“, erzählt deren Vorsitzende Irmgard Scherübl. Aber es sei schlichtweg eine Frage des Geldes. Denn der Verein finanziert sich ausschließlich über Spenden.

Extrem schlechter Haptoglobin-Wert

Das Leben von Stefan und seiner Familie hatte sich am 19. Juli 2021 schlagartig verändert. Ihm ging es nicht gut. Hatte er sich einen Infekt eingefangen? Am Morgen war er noch beim Hausarzt, um 18 Uhr lag er bereits auf der Intensivstation der Kinderklinik in Regensburg. Das Blutbild war eindeutig. Sein Haptoglobin-Wert lag bei nur mehr 2,7, normalerweise haben Kinder in seinem Alter um die 13. Bereits am ersten Abend im Krankenhaus bekam Stefan die erste Chemo-Behandlung und Bluttransfusionen. Klar wurde aber dann auch: Der Bub, ein begeisterter Fußballer und FC Bayern-Fan, braucht eine Knochenmarkspende.

Große Typisierungsaktion

Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollte an. Ganz Vohenstrauß wollte dem schwerkranken Buben helfen. Im September 2021 wurde eine Typisierungsaktion auf die Beine gestellt. Viele Vereine machten mit. „Die Unterstützung war unglaublich“, erinnert sich Wolfgang Reil. Insgesamt hatten sich 2.000 Menschen freiwillig „pieksen“ lassen. Und die buchstäbliche Stecknadel im Heuhaufen wurde tatsächlich gefunden. Ein Mann irgendwo aus Bayern, 23 Jahre alt, wurde als genetischer Zwilling ausfindig gemacht. Er war der rettende Knochenmarkspender für Stefan.

Stefan macht sich bemerkbar

Schule besuchen? Das ging natürlich nicht. Dennoch konnte Stefan am Unterricht teilnehmen und seine neuen Klassenkameraden kennenlernen. Dank des Avatars, der mit Kamera und Mikrofon ausgestattet ist. Von einem Notebook aus lässt sich der kleine Roboter steuern. Blinkende Augen zeigen den Mitschülern und dem Lehrer an, dass der Bub gerade auf Empfang ist. Der Junge war von Anfang an Teil der Klasse, auch wenn ihn dort vorher noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte. Rührend sorgten sie dafür, dass „ihr“ Stefan immer mit dabei war. Musste der Klassenraum gewechselt werden, klemmte sich immer jemand den Avatar unter den Arm. Für Schulleiter Kilian Graber ein eindrucksvolles Beispiel, wie die Schulfamilie hier zusammengehalten hat. Niemand hatte Vorbehalte gegenüber des Avatars-Einsatzes, weder Schüler, Lehrer noch die Eltern.

Bildungsstaatssekretärin Anna Stolz (Dritte von rechts) und der Landtagsabgeordnete Tobias Gotthardt (Vierter von rechts) verfolgen von der Schulbank aus, wie sich Stefan mit dem Avatar in den Unterricht einklinkt. Foto: Theo Kurtz

Seit Januar drückt er die Schulbank

Vor ein paar Monaten hatte zu allem Überfluss noch Stefans Leber gegen die Stammzellen rebelliert. Er musste an die Dialyse. Doch auch das hat der Bub mit dem großen Kämpferherz weggesteckt. „Ab und zu ist er noch müde und hat Knochenschmerzen“, erzählt die Mutter. Seit zwei Monaten drückt der Elfjährige die Schulbank. Er besucht die 6a, sitzt in der ersten Reihe. Auch mit dem Fußballtraining hat er wieder begonnen. Den Avatar braucht er nicht mehr, aber dafür ein anderes schwerkrankes Kind im Vereinsgebiet des VKKK. Das umfasst nicht weniger als ganz Ostbayern.

Bildungsstaatssekretärin informiert sich vor Ort

Für Bildungsstaatssekretärin Anna Stolz ist das Avatar-Projekt eine Herzensangelegenheit. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Tobias Gotthardt, der amtierender Vorsitzender des Bildungsausschusses des Bayerischen Landtags ist, ließ sie sich von den Erfahrungen in Vohenstrauß berichten. Bayernweit sind bereits 50 dieser Geräte im Einsatz. Beinahe hätte der Datenschutz den Gebrauch verhindert. „Wir haben es aber trotzdem durchgesetzt“, erzählt Stolz. Bei den Nachbarn in Baden-Württemberg zum Beispiel sind sie, genau aus diesem Grund, noch immer tabu. Sie und Gotthardt versprachen, mitzuhelfen, um das Angebot an diesen kleinen Robotern im Freistaat weiter auszubauen.

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