Skandal weitet sich aus: Tschechien will nicht “Müllhalde Europas” sein

Weiden/Prag. Der Müllskandal in Tschechien weitet sich aus. Wie tschechische Medien berichten, sind weitere Deponien entdeckt worden. Konkret geht es um 526 Tonnen Müll, die von einem Oberpfälzer Unternehmen ins Nachbarland geschickt worden sein sollen. Darunter ausrangierte Fahrzeug-Batterien und und Rotorblätter von Windkraftanlagen.

Die Deponie in Jiříkov. Foto: Facebook František Talíř

Die erste Deponie war am 9. Januar von der Bürgermeisterin des Ortes Jiříkov gemeldet worden (“Mutmaßlicher Müllskandal in Tschechien: Ermittlungen gegen Unternehmer aus Weiden”). Nahe ihres Dorfes bei Ostrava lagerte tonnenweise illegaler Müll. Die Bürgermeisterin Bára Šišková hinderte an diesem Tag fünf weitere Trucks am Abladen. “Offiziell sollte es sich um Plastik handeln, in der Praxis handelte es sich jedoch um eine Mischung aus Glasfaser, Gummi, Metallen oder Batterieresten”, schrieb der stellvertretende tschechische Umweltminister, František Talíř, auf Facebook.

Diese Woche wurde bekannt: Es gibt zwei weitere und noch größere Deponien in Brünn und Mokovice-Slizany mit über 500 Tonnen identischem Müll (entspricht 30 Lkw-Ladungen). Tschechische Medien schreiben von “Mähren als Müllhalde Europas”.

“Ganze Flügelstücke oder Teile von Windkraftanlagen”

Dass Wald und Flur kein geeigneter Ort zur Batterie-Entsorgung sind, ist unbestritten. Aber auch kaputte Rotorblätter können ein echtes Umweltproblem bedeuten. Miriam Loužecká, Sprecherin des tschechischen Umweltministeriums, spricht von “ganzen Flügelstücken oder Teilen von Windkraftanlagen”, die auf den illegalen Deponien liegen. (Quelle: iRozhlas)

Absender ist laut Ministeriumssprecherin ein Entsorgungsunternehmen mit Werkshalle in Wernberg und Sitz in Weiden in der Oberpfalz. Von Juni 2024 bis Januar 2025 liefen die Transporte, die an die tschechische Firma Piroplastik adressiert waren. Diese Firma betreibt nach Auskunft der Sprecherin auf den genannten Grundstücken aber keinerlei Anlagen zur Entsorgung von Abfällen. Der Schrott wurde hingekippt.

Ermittlungen auf beiden Seiten

Inzwischen ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaften in beiden Ländern. Der Weidener Oberstaatsanwalt Christian Härtl spricht von einer “engen Kooperation”, die angelaufen ist. Die Ermittlungen seiner Behörde richten sich gegen den “Recyclingspezialisten” aus Weiden. Werkseröffnung in Wernberg war 2022, es gibt auch einen Firmensitz in Ostrava.

Auf Beschluss der Staatsanwaltschaft Weiden sind im Januar 2025 das Firmengelände in Wernberg sowie Privat-/Firmen-Adressen in Weiden durchsucht worden. Als Beschuldigte werden der Geschäftsführer sowie ein leitender Mitarbeiter geführt. Die Ermittlungen hat das Zollfahndungsamt übernommen.

Der Unternehmer aus Weiden wirbt mit der professionellen Entsorgung, unter anderem von Windkraftanlagen und Fahrzeug-Lithium-Ionen-Batterien. Am Ende erwarte den Kunden eine “lückenlose Dokumentation über die Verarbeitung und den Transport Ihrer Materialien”. 2023 bekam die Firma 2,1 Millionen Euro staatliche Beihilfe aus einem Förderprogramm des bayerischen Wirtschaftsministerium.

Problem: Carbonfasern in Rotorblättern gelten als krebserregend

Es gibt ein echtes Entsorgungsproblem, was Rotorblätter von Windkrafträdern anbelangt. Rotorblätter bestehen zumeist aus faserverstärkten Kunststoffen. Es gibt GFK und CFK, also mit glasfaser- bzw. carbonfaserverstärkte Kunststoffe. Problematisch sind Carbonfasern. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) rechnet in einem Bericht für das Umweltbundeamtes damit, dass sich bis 2040 rund 77.000 bis 210.000 Tonnen ausrangierte CFK-haltige Rotorblätter ansammeln. Nach einem Bericht des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt ist eine karzinogene (krebserregende) Wirkung von carbonfaserhaltigen Abfällen auf den Menschen nicht auszuschließen.

Die Entsorgung ist weitgehend ungeklärt. CFK-Kunststoff kann nicht verbrannt werden. In Deutschland gilt seit 2005 zudem ein Deponieverbot. Ein Insider bezeichnet es gegenüber OberpfalzECHO als “großes Rätsel, wo die Abfälle der Rotorblätter der WKA aus Glasfaser/Carbonfaser-Mischverbundfasern in Deutschland verschwinden”.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) warnt in seinem Bericht schon 2022: “Es wird befürchtet, dass Rotorblätter auf ungeeigneten Wegen entsorgt oder als wiederverwendbar dauerhaft zwischengelagert, zur Scheinverwertung exportiert und im Ausland abgelagert werden. Deshalb sollten Möglichkeiten einer noch effektiveren Überwachung geprüft werden.”

Regierung der Oberpfalz mit Rückholung beschäftigt

Die ersten fünf gestoppten Lkw sind bereits zurück auf dem Firmengelände in Wernberg. Bei der Regierung der Oberpfalz sind auch für die weiteren 500 Tonnen Müll formale Rückholersuchen des tschechischen Umweltministeriums eingegangen. Sprecherin Kathrin Kammermeier: “Nach Prüfung der von tschechischer Seite hierzu übermittelten Informationen und Unterlagen haben wir das hiesige Unternehmen kontaktiert.”

In Tschechiens Umweltministerium waren inzwischen die bayerischen Landtagsabgeordneten aus dem Umweltausschuss zu Gast. Der stellvertretende Minister Talíř berichtete danach, dass die bayerischen Parlamentarier “maximale Anstrengungen” versprochen hätten. Sein Dank galt der Bürgermeisterin von Jiříkov für ihren unerschrockenen Einsatz.

Die Bürgermeisterin von Jiříkov, Barbora Šišková, vor der Müllkippe. Foto: Barbora Šišková/Facebook

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