Spaziergang mit der Äbtissin (3): Die Pforte zum Himmel
Waldsassen. Zwischen barocker Pracht und neubarocker Stille: In der Klosterkirche Mariae Himmelfahrt führt uns Äbtissin Laetitia Fech an einen Ort, der nicht glänzen will, sondern strahlen. Ein Raum, der mehr will, als imponieren – er will berühren.
1924 im Innenhof der Zisterzienserinnenabtei Waldsassen errichtet, ist die Kirche heute liturgischer Mittelpunkt und spirituelles Herz einer Gemeinschaft, die sich seit 1133 immer wieder neu erfunden hat. Ein paar Schritte abseits der weltberühmten Stiftsbasilika, verborgen im Innenhof hinter dem Apothekerflügel, liegt ein Ort der stilleren Töne: die Klosterkirche Mariae Himmelfahrt.
Hier ist kein überbordender Prunk, der sich in goldenen Wölbungen aufdrängt, sondern schlichte Klarheit – getragen von einer geistlichen Würde, die man nicht auf den ersten Blick sieht, sondern mit jedem Atemzug tiefer spürt. Die Äbtissin öffnet das Portal, wir treten ein – und der Lärm des Alltags bleibt draußen wie eine Jacke, die man ablegt.
„Dreimal wurde das Kloster aufgehoben, dreimal haben wir wieder angefangen“, sagt Äbtissin Laetitia. Die Klosterkirche, zwischen 1923 und 1924 errichtet, ist das bauliche Zeugnis des letzten Neuanfangs – eine architektonische Selbstvergewisserung nach der Wiedererhebung zur Abtei. Sie steht für einen Glauben, der nicht abhebt, sondern einlädt: zur Nähe, zur Liturgie, zum Menschsein. „Wir beten nicht mehr über den Köpfen der Leute – wir beten mit ihnen.“
In der Klosterkirche Mariae Himmelfahrt
Durch das Portal im Apothekerflügel am Ende des Südflügels betreten wir mit der Äbtissin die Klosterkirche Mariae Himmelfahrt: Herzschlag des monastischen Lebens in Waldsassen, liturgischer Mittelpunkt der Zisterzienserinnenabtei und spirituelle Heimstatt einer Gemeinschaft, die auf eine bewegte Geschichte zurückblickt: 1133 gegründet, zweimal aufgehoben, dreimal neu belebt – zuletzt durch Schwestern aus dem Kloster Seligenthal im Jahr 1863.
Während Waldsassener Bauhandwerker die tragenden Strukturen errichteten, war es eine ganze Reihe von Künstlern, die der Kirche im Inneren ihren feinsinnigen Charakter gaben: Die Firma Jakob Grau aus Regensburg gestaltete den Stuck, das zentrale Hochaltar-Relief – die Himmelfahrt Mariens in Verbindung mit der Dreifaltigkeit – wurde von dem jungen Bildhauer Guido Martini aus Zirbelkiefer geschnitzt, gefasst und vergoldet von Münchner Kirchenkünstlern. Wir stehen auf der Empore und blicken auf den im Vergleich zur Basilika bescheidenen neobarocken Kirchenraum.
Spirituelle Nähe statt barocker Repräsentation
Der Tabernakel, der heute als „Sonne der Gerechtigkeit“ ins Zentrum rückt, stammt aus der Werkstatt eines schwäbischen Künstlers – „der günstigste, aber auch der mit dem feinsten Gespür für unseren Geist“, wie Äbtissin Laetitia mit einem Lächeln bemerkt. Die 2007 begonnene Generalsanierung setzte das um, was das Zweite Vatikanische Konzil fordert: Der Kreuzgang wurde geöffnet, der Altarraum ins Zentrum der Gebetsgemeinschaft gerückt – eine liturgische Rückbesinnung auf das Wesentliche.
Noch ehe der erste Schritt in den Hauptschiffraum getan ist, bleibt der Blick auf der Empore hängen. Von hier oben entfaltet sich der nüchterne, klare Neubarock der 1924 eingeweihten Klosterkirche Mariae Himmelfahrt. Kein Vergleich zur opulent ausgeschmückten Basilika nebenan – stattdessen: Struktur, Raum, Gebet. „Früher führte der Hochaltar sieben Stufen nach oben bis unter die Wolke“, erinnert sich Äbtissin Laetitia. „Wir haben ihn abgetragen – auf zwei. Wir beten jetzt mit dem Volk.“ Statt liturgischer Erhabenheit: Augenhöhe. Statt barocker Repräsentation: spirituelle Nähe.
Gott versprach zu bleiben
Die Kirche, Anfang des 20. Jahrhunderts auf alten Fundamenten errichtet, wurde in den vergangenen Jahren dezent modernisiert. „Die Wand dort hinten wurde neu eingezogen, die Treppe kam erst später – das war früher ein ebener Durchgang“, erklärt sie, während wir vom Chorraum aus auf den klar fokussierten Altar blicken. Unten angekommen zeigt sie auf das kunstvoll geschnitzte Holzrelief Mariä Himmelfahrt – der sie wie alle Zisterzienserkirchen geweiht ist.
Wir gehen die neue Treppe hinunter und bleiben vor dem Chorgestühl, das einst für 60 Nonnen gebaut wurde, stehen – heute sind wir noch sechs Schwestern. Ihre Stimme wird leiser: „Manchmal werde ich gefragt: Haben Sie Angst, dass der Orden ausstirbt? Ich sage dann: Gott hat uns nicht versprochen, dass es ewig so weitergeht – aber er hat versprochen, bei uns zu bleiben.“ Vor dem Gestühl der Äbtissinnenstab aus französischem Nussbaumholz, schlicht, ohne Prunk. Mit leiser Beharrlichkeit sagt sie:
Ich wollte keinen goldenen Stab mit Edelsteinen – sondern einen echten Hirtenstab, wie ihn ein Hirte trägt, wenn er seine Schäfchen heimholt. Äbtissin Laetitia
Führung als Dienst, nicht als Herrschaft
Auch das ein Zeichen ihrer Haltung: Führung als Dienst, nicht als Herrschaft. Die Reliquien – darunter Knochensplitter der Heiligen Benedikt, Bernhard und Wolfgang – ruhen nicht oben im Altar, sondern im Sockel vor dem Altarraum. Auf die Frage, ob sie als Äbtissin eine hervorgehobene liturgische Rolle spiele, winkt sie ab:
Nein, nein – ich bin auch nur Kirchenmitglied. Eine ganz normale Kirchenbesucherin. Äbtissin Laetitia
Ein paar Meter weiter, vor dem Altar, spricht sie über den Hl. Bernhard von Clairvaux. „Ein Reformheiliger. Er wollte zurück zum Ursprung des Glaubens, zur Schlichtheit.“ Ein Schmunzeln huscht über ihr Gesicht. „Wir leben nicht mehr in einer mittelalterlichen Ordnung. Aber der innere Auftrag ist derselbe geblieben.“
Teil 4 – Zwischen Himmel und Humus: Wie Waldsassen seine Kinder zur Schöpfung erzieht
Das Dreifachjubiläum im Kloster Waldsassen
🕯 160 Jahre Mädchenbildung
Seit dem 5. Oktober 1865 werden im Kloster junge Frauen unterrichtet – der Ursprung der heutigen Schule.
⛪ 100 Jahre Abtei
Am Dreikönigstag 1925 wurde das Kloster Waldsassen zur Abtei erhoben – ein Schritt in die Eigenständigkeit.
👑 30 Jahre Äbtissin Laetitia
Seit dem 3. Oktober 1995 leitet M. Laetitia Fech OCist das Kloster – mit Haltung, Humor und Herzensgüte.
🎉 Feierlicher Festgottesdienst am 5. Oktober, 11.15 Uhr in der Klosterkirche
Mit dem Präses der Kongregation und geladenen Gästen. Doch wie Laetitia sagt: „Wer kommen mag, ist willkommen!“
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