SSV Jahn trotzt den Gesetzen der Spielkraft: Regensburgs Duselsieg bei Holstein Kiel

Kiel. Wer es mit Jahn Regensburg hält, braucht in dieser Saison Nerven wie Drahtseile, ein junges Torwart-Genie wie Jonas Urbig zwischen den Pfosten und einen Prince Owusu, der sich endlich mal zu schießen traut. Holstein Kiel kombiniert, der Jahn trifft.

Es darf endlich wieder gejubelt werden: Mit einer gehörigen Portion Dusel, einem starken Torwart und einem Joker-Treffer holt der SSV Jahn Regensburg drei Punkte aus Kiel mit nach Hause. Bild: Jürgen Herda

Wenn man Fan des SSV Jahn Regensburg ist, braucht man keine Achterbahn und keinen Psychothriller, um sich einmal in der Woche einen gewaltigen Kick abzuholen. Was die Oberpfälzer mit der Negativserie von zehn sieglosen Partien in Folge im Gepäck derzeit auf dem Platz zelebrieren, spottet jeder Beschreibung.

Wöchentlich grüßt das Murmeltier: In den ersten zehn Minuten blecken die Oberpfälzer kampfesmutig die Zähne wie Maori vor der Schlacht, strotzen vor Kampfeswillen, trotzen ihrem Tabellenstand. Nach einer Viertelstunde laden sie dann regelmäßig den Gegner zur Strafraumbesichtigung, begleiten auch heute die spielerisch überlegenen Kieler höflich bis zur Torlinie und warten ab, was der junge Jahn-Keeper Jonas Urbig zu bieten hat.

Reese allein schießt öfter als der Jahn

Alleine der nimmermüde Fabian Reese darf öfter aufs Tor schießen als die Regensburger während der gesamten Spielzeit. Eigene Kombinationen nach vorne? So gut wie Fehlanzeige. Mal vergisst Bene Saller von rechts zu flanken, ehe der Ball über die Grundlinie rollt. Mal schafft es Leon Guwara nicht, die Kugel von links auch nur in die Nähe von Sturmtank Andreas Albers zu platzieren.

Glück für die Gäste: Zwischendurch nehmen die Schleswig-Holsteiner immer wieder mal den Fuß vom Gas und lassen die Oberpfälzer durchschnaufen. Das rächt sich kurz vor der Pause. Saller findet einmal doch die Lücke, schickt Kaan Caliskaner Richtung 16er, der setzt sich energisch durch und zieht ab – den mäßig platzierten Schuss lässt Kiels Keeper Robin Himmelmann durch die Handschuhe rutschen, 0:1 (45.), das Spiel auf den Kopf gestellt.

Da guckt der arme Kieler Keeper Robin Himmelmann etwas bescheiden aus der Wäsche. Kaan Caliskaners Führungstreffer hat er durch die Handschuhe flutschen lassen. Bild: Jürgen Herda

Regensburg bettelt um den Ausgleich

Wer jetzt glaubt, der Tabellenletzte hätte Blut geleckt und würde die verbleibenden drei Minuten Nachspielzeit die Führung mit Zähnen und Klauen verteidigen, hat nicht mit dem Regensburger Phlegma gerechnet. Die Gäste bewundern staunend Philipp Sanders Flanke von links, Lewis Holtby lässt zu Steven Skrzybski durch, der die Kugel in der vierten Minute der Verlängerung mit der Fußspitze unhaltbar ins Netz verlängert, 1:1.

In solchen Momenten wünscht sich der friedlichste Fan, Urbig möchte seine Hintermannschaft in der Pause dafür abwatschen, dass sie die tollkühnen Paraden des Keepers durch pomadige Fahrlässigkeit zunichtemachen. Guwara, der als letzter Mann nicht mehr eingreifen kann, trifft dabei noch am wenigsten Schuld.

Endlich mehr Pressing

In Hälfte 2 beginnt Regensburg endlich etwas weiter vorne zu attackieren und bringt die Nordlichter immerhin hin und wieder in Verlegenheit – ohne allzu zwingende Chancen zu kreieren. Guwaras Distanzschuss, wenige Zentimeter neben den rechten Pfosten, gehört zu den wenigen Ausnahmen. Kiel wiederholt dagegen in etwa den Rhythmus der ersten 45 Minuten. Druckvolle Phasen mit einem Pfostenschuss nach einer der zahlreichen Ecken wechseln sich mit unerklärlichen Ruhephasen ab.

Und wieder wird den Gastgebern diese Inkonsequenz zum Verhängnis: Nach einem munteren Wechselspiel um die 70. Minute herum – Christian Viet für die blass gebliebene Kieler Leihgabe Joshua Mees, Minos Gouras für Blendi Idrizi, dessen eigensinniger Abschluss zuvor zurecht den völlig frei stehenden Guwara erzürnte, und Prince Owusu für Albers, der mit Nasenbeinbruch vom Feld musste – ergeben sich plötzlich Konterchancen für die Regensburger. Eine davon verwertet Owusu nach perfektem Zuspiel von Guwara mit einem Gerd-Müller-Gedächtnis-Drehschuss zum unerwarteten 1:2 (87.).

Hat sich ein Herz gefasst: Prince Owusu belohnt sich und den SSV Jahn Regensburg mit einem perfekten Drehschuss zum 2:1. Bild: Jürgen Herda

Der Relegationsplatz als Lohn

Und Überraschung: Die Regensburger lassen sich dieses Mal nicht mehr die Butter von den Fischen nehmen, haben vielmehr noch Gelegenheit, den Sack zuzumachen. Doch der hektische Ayguen Yildirim schafft es wieder einmal, alleinstehend aus acht Metern Keeper Himmelmann in die Arme zu spielen. Und Owusu hat kurz darauf zu viel Zeit nachzudenken, als er versucht, sich im Strafraum durch drei Mann zu wuseln und ihm die Kugel dann zu weit vom Fuß rollt – Himmelmann ist zur Stelle.

Nach dem ersehnten Schlusspfiff nach 97 zum Teil qualvollen Minuten können die Oberpfälzer die Gastgeschenke mit drei Punkten im Gepäck verschmerzen. Die Erleichterung bricht sich in den gelösten Gesichtern der Gäste Bahn. Allen voran Trainer Mersad Selimbegovic herzt seine Jungs, die erwartungsgemäß keine Glanzleistung auf den Platz zauberten, aber sich immerhin für eine Woche auf den Relegationsplatz schieben können.

Pressing statt meditatives Abwarten

Anlass zu übermütiger Erleichterung besteht freilich nicht: Am kommenden Samstag ist Paderborns Offensivmaschine zu Gast im Regensburger Jahn-Stadion. Da müssen die Regensburger ihr Tor am besten bereits an der Mittellinie verteidigen, um nicht die zarte Blüte aufkeimender Hoffnung gleich wieder mit den Stollen zu zertrampeln.

Apropos Mittellinie: Wann hat Regensburg eigentlich beschlossen, das in den vergangenen Jahren gefürchtete Pressing gegen ein kontemplatives Abwarten und Kommenlassen einzutauschen? Weder der heutige, glückliche Sieg, noch die vielen, knappen, unglücklichen Niederlagen sprechen dafür, dass sich dieser Taktikwechsel, so es denn einer ist, lohnen würde. Im Gegenteil: Noch mieser als die Ergebnisbilanz war in den vergangenen Spielen das Chancenverhältnis. Es hätte auch noch schlimmer kommen können.

Garant für den moderaten Aufschwung: Sollte der SSV Jahn Regensburg den Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen können, hat das junge Torwart-Talent Jonas Urbig daran ein gerütteltes Maß an Anteil. Bild: Jürgen Herda

* Diese Felder sind erforderlich.