Starkes Zeichen bei Pogrom-Gedenken: Imam betet mit Weidener Juden
Weiden. Ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus: In Weiden sprach Imam Maher Khedr bei der Gedenkfeier an die Reichspogromnacht. Er erklärte den "jüdischen Geschwistern" sein Beileid: "für die Opfer und ihre Angehörigen, damals wie heute". Rabbiner Dannyel Morag dankte für sein Mitwirken: "Was für ein tolles Signal."
Die Gedenkfeier in der Konrad-Adenauer-Anlage stand ganz unter den aktuellen Eindrücken des Krieges seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 und der antisemitischen Ausschreitungen in Amsterdam vergangene Woche. Der katholische Pfarrer Alfons Forster erinnerte an David und Goliath: „Diese Geschichte wiederholt sich seit 3000 Jahren. Das relativ kleine Volk musste sich immer wieder gegen übermächtige Nachbarn behaupten.“
Der Pfarrer erinnerte an „die industrielle Vernichtung“ europäischer Juden durch die deutschen Nationalsozialisten im Holocaust. Auch 56 Weidener Juden wurden deportiert und in Konzentrationslagern ermordet. 1948 folgte die Gründung des Staates Israel, der schon einen Tag später von den arabischen Nachbarn angegriffen wurde. Die Palästinenser-Frage sei seither nie gelöst worden.
Mit dem 7. Oktober 2023 habe dieser Konflikt eine neue Dimension erreicht. „Die Situation für Israel ist äußerst gefährlich. Israel ist in seiner Existenz bedroht.“ Hamas, Hisbollah, unterstützt vom Iran, wollten nicht weniger als die Ausrottung jüdischen Lebens. Die Zahl der zivilen Opfer steige, weil Hamas und Hisbollah die eigene Bevölkerung als Schutzschild missbrauche, so Forster. Er frage sich: „Ist eine Ent-Feindung überhaupt möglich?“ Anders als bei früheren Friedensschlüssen, wie etwa mit Ägypten oder Jordanien, stünde Israel Terrororganisationen gegenüber.
Pogromnacht: Auch in Weiden gravierende Ausschreitungen
Neben Oberbürgermeister Jens Meyer und Bürgermeister Lothar Höher waren am Sonntagabend auch Landrat Andreas Meier (Neustadt/WN) und Landtagsabgeordneter Stephan Oetzinger in die Adenauer-Anlage gekommen. Der neue Leiter der Polizeiinspektion Weiden, Polizeidirektor Thomas Hecht, nahm teil. Seine Polizeibeamten sicherten die Veranstaltung, die von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Stadt Weiden veranstaltet wurde.
OB Meyer erinnerte an die Pogromnacht in Weiden, in der es zu gravierenden Ausschreitungen kam. SA und SS verwüsteten in der Nacht zum 10. November 1938 die Synagoge und Wohnungen jüdischer Familien. Die Männer wurden aus den Häusern geholt, geprügelt und zur Polizeiwache in das Alte Rathaus verschleppt. Am nächsten Tag brachte man sie in das Konzentrationslager Dachau.
Amsterdam: „Erheben wir unsere Stimme!“
„Wie konnte es dazu kommen? Warum schauten so viele zu?“ Er habe sich diese Fragen oft gestellt, so OB Meyer. Das Gedenken an die Pogromnacht habe heute, mehr als 80 Jahre später, große Aktualität. Die Ausschreitungen in Amsterdam „lassen mich mit eiskaltem Schauer erzittern“. Er erinnerte an das Massaker an der Zivilbevölkerung in Israel am 7. Oktober 2023 mit 1400 getöteten Menschen. Antisemitismus müsse entgegengetreten werden: „Es ist unsere Pflicht, unverzüglich zu handeln. Erheben wir unsere Stimme!“
Er zitierte Präsident Frank-Walter Steinmeier: „Wir werden keinen Antisemitismus in unserem Land dulden. Keinen alten und keinen neuen. Keinen christlichen und keinen muslimischen. Keinen linken und keinen von rechts.“
Wir werden keinen Antisemitismus in unserem Land dulden. Keinen alten und keinen neuen. Keinen christlichen und keinen muslimischen. Keinen linken und keinen von rechts. OB Jens Meyer
Für Leonid Schaulov, Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Weiden, erinnert der Jahrestag der Pogromnacht daran, „was passiert, wenn Hass und Hetze die Oberhand gewinnen“. Ein solches Verbrechen dürfe sich nicht wiederholen. Er forderte auf, Haltung zu zeigen gegenüber Antisemitismus und Rassismus. Es brauche Bildung, Dialog und ein starkes demokratisches Miteinander.
Rabbiner Dannyel Morag dankte ausdrücklich seinem muslimischen Kollegen, Imam Maher Khedr vom deutschsprachigen Muslimenkreis in Weiden. Morag organisierte ein spontanes Gruppenfoto vor der Josefskirche, ehe er das Kaddisch (das jüdische Totengebet) sang.
Imam erstmals Redner bei Gedenkfeier
Khedr ist alle Jahre bei der Gedenkfeier vor Ort, am Sonntag trat er erstmals ans Mikro. „Liebe jüdische Geschwister! Ich möchte ein Zeichen setzen, für Weiden und darüber hinaus, dass wir als Muslime tiefstes Mitgefühl empfinden über das Unrecht, das euch widerfahren ist.“
Der Holocaust sei eine Wunde in der menschlichen Geschichte. Das Beileid gelte Opfern und Familien, „damals wie heute“. „Am 7. Oktober sind wir erneut erschüttert worden.“ Der Islam besage deutlich: Wer einen Menschen tötet, töte die ganze Menschheit. Seit dem 7. Oktober kam es zu „großem Leid vieler unschuldiger Menschen auf beiden Seiten“. „Heute stehen wir hier zusammen, vereint in unserem Streben nach Frieden.“
Elisabeth Frey und der frühere Flosser Bürgermeister Günter Stich verlasen die Namen der 56 Weidener Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Die Feier wurde von Klaus Luther (Gitarre) und Christoph Pausch (Geige) umrahmt.
Heute stehen wir hier zusammen, vereint in unserem Streben nach Frieden. Imam Maher Khedr
* Diese Felder sind erforderlich.