Sturz in Zoiglstube: Gast will Schmerzensgeld

Weiden/Falkenberg. Ein Zoiglwirt aus Falkenberg wurde am Landgericht Weiden verklagt. Eine Frau (68), die Gast bei ihm war, forderte nach einem Sturz von einer Treppe eine fünfstellige Summe Schadensersatz plus Schmerzensgeld.

Ein Zoiglbesuch hat Folgen vor Gericht. Foto: Landkreis Neustadt/WN

Begleitende Erkenntnis der Verhandlung: Dr. Konrad Roth, Richter am Landgericht Weiden, sollte dringend eine Zoigl-Stube besuchen. Ihm fehlen quasi die „Basics“. Frage des Richters in der Verhandlung: „Kann man sich einen Platz aussuchen oder wird man da platziert?“ Antwort des Wirts: „Man setzt sich einfach dazu, wo Platz ist.“ Und: Man duzt sich. Auch das spürt Roth am eigenen Leib. „Woißt scho“, rutscht es dem Kommunbrauer heraus, als er dem Juristen aus Franken die Situation von damals erklärt.

Auf Platz-Suche an Dreikönig

Was war passiert? Es war Dreikönig vor genau zwei Jahren. Zum Stärketrinken ist in dieser Zoiglstube am 6. Januar immer besonders viel los. Im Saal oben spielt die Musi (200 Plätze), in der Gaststätte unten wird Brotzeit gemacht (etwa 40 Plätze). Die Dame aus dem nördlichen Landkreis Tirschenreuth suchte gegen 16 Uhr mit einer Gruppe von insgesamt 10 Personen einen Platz. Sie war dazu allein unterwegs, der Rest hatte schon aufgegeben und wartete vor der Tür.

Auf der Suche nach einem Tisch wollte sie vom oberen Stockwerk ins Erdgeschoss. Dafür gibt es eine geflieste Treppe mit Standardmaßen. Acht Stufen. Die Antrittsstufe ist gerade, dann folgen fünf gefächerte Stufen in einer Drehung nach links, ehe man im 90-Grad-Winkel unten wieder ankommt. Einen Handlauf gibt es nur innen; er beginnt etwa 30 Zentimeter vor der ersten Treppe.

Komplizierter Schulterbruch

Bis zu diesem Geländer kam die Frau nach eigenen Angaben gar nicht: „Ich will zum Geländer greifen – und in dem Moment zieht es mir die Füße weg. Wie bei Glatteis.“ Sie polterte ins Erdgeschoss hinunter, wo ihr zwei unbekannte Männer aufhalfen. Auch die Schwester des Wirts streckte den Kopf aus der Küche und fragte, ob Hilfe oder ein Sanka benötigt würde. Die Dame lehnte ab und verließ die Gaststätte.

Schon da hing die Hand herab. Ihr Mann fuhr sie schnurstracks ins Krankenhaus nach Fichtelberg. Ergebnis: Trümmerbruch der Schulter, Unterarmfraktur. „Dann ging die Odyssee los“, schildert die Frau vor Gericht. Es folgten mehrere Operationen und ein Reha-Aufenthalt. Inzwischen hat sie ein künstliches Schultergelenk. Ihr Anwalt Andreas Angerer (Bayreuth) will 20.000 Euro Schadensersatz, davon 18.000 Euro für Haushaltsführung. „Teilweise konnte sie den Haushalt gar nicht führen.“ Der Rest sind medizinische Zuzahlungen. Obendrauf fordert er 35.000 Euro Schmerzensgeld für die Mandantin.

Nur einmal vorher Treppensturz: „Nach 10, 15 Seidln“

Da spielt die Versicherung des Zoiglwirts nicht mit. Anwalt Thomas Glas (München) zweifelt den Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht an. Auch der Zoiglwirt protestiert: 1997 hat er die Gastwirtschaft vom Vater übernommen, ein Familienbetrieb seit 1978. Erst vor fünf Jahren hat er Metzgerei, Laden, Stube, Saal auf den neuesten Stand gebracht, weil ein Nachbar eine komplett neue Gaststätten-Genehmigung eingefordert habe.

Beim Stärketrinken an Dreikönig waren zwei „Essenstrager“ am Start, die große Tabletts ins Obergeschoss transportierten. „Die gehen da zig Mal rauf und runter.“ Nur ein einziges Mal in fast 30 Jahren sei ein männlicher Gast die Stufen heruntergefallen – allerdings betrunken. „10, 15 Seidl hat der scho g’habt.“

Zwei Zeuginnen sagen aus, eine davon ein neutraler Gast aus Tirschenreuth. Die pensionierte Beamtin war mit ihrem Mann nach Falkenberg gewandert. Sie saßen in der Stube im Erdgeschoss. Nach dem Toilettenbesuch im oberen Stockwerk habe sie an der Treppe kurz gestutzt, weil es recht feucht war: „Ich dachte: Ui, da musst‘ aufpassen.“ Aber wo die Feuchtigkeit herkam? Schwer zu sagen. Für die Zeugin ist es „physikalisch nachvollziehbar“, dass Luft kondensiert, wenn es draußen kalt ist und drinnen hunderte Leute feiern. „Aber ich bin keine Physikerin.“ Unweit der Treppe sind zudem die Waschräume, wo die Hände auch gern mal nur abgeschüttelt werden.

Einigung auf Vergleich: 10.000 Euro

850 Seiten ist die Akte inzwischen dick. Richter Roth stellt in den Raum, dass man Gutachter hinzuziehen könnte, die sich mit Reibungskoeffizienten von Treppenstufenoberflächen beschäftigen. Günstiger würde es damit nicht. Am Ende einigen sich die Anwälte auf einen Vergleich. Die Versicherung zahlt – ohne Anerkenntnis einer Schuld – 10.000 Euro an die verletzte Frau. Der Vergleich ist vorerst widerruflich, beide Seiten dürfen noch darüber nachdenken.

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