Thomas Würdingers Migrations-Ruckrede: „So gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt!

Neuhaus. Thomas Würdinger, Leiter der Arbeitsagentur Weiden, schildert die Erfolge und Misserfolge bei der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt. Und gibt Ratschläge, wie es besser gehen kann.

Erläutert bei der Echo-Migrationsdebatte im Bahler Aspekte der Integration in den Arbeitsmarkt: Thomas Würdinger, Leiter der Arbeits-Agentur Weiden. Foto: Jürgen Herda

Jeder glaubt zu wissen, wie gut oder schlecht sich Migranten in unsere Gesellschaft, in unseren Arbeitsmarkt integrieren. Der virtuelle Stammtisch bei Facebook ist prall gefüllt mit Meinungen von Menschen, die vom Hörensagen zu wissen meinen, wie gut sich Flüchtlinge als Verstärkung für die offenen Stellen eignen – oder eben auch nicht.

Thomas Würdinger hat tagtäglich mit der Vermittlung von Arbeitskräften an Unternehmen zu tun, die händeringend nach Fach- und Servicekräften suchen. Wer sollte es besser wissen als der Leiter der Weidener Arbeitsagentur?

Wenn keiner mehr den Zoigl macht

„Natürlich kann ich nicht aus meiner Haut“, beginnt der Weidener Herr der Arbeit sein Impuls-Referat im Bahler, „und muss Migration natürlich immer im arbeitsmarktlichen und wirtschaftlichen Kontext betrachten.“ Vorhin sei an einem Tisch der Ausspruch gefallen, „das passt, da gibt’s was zum Essen, da gibt’s was zum Trinken und da ist’s warm“. Er aber würde diese gemütliche Zoigl-Atmosphäre gerne mal in die Zukunft projizieren:

Wie könnte das in 10 Jahren ausschauen, wenn vielleicht keine Bedienung mehr beim Bahler das Essen und Trinken bringt, wenn kein Metzger mehr da ist, der die Teller produziert und keiner mehr da ist der den Zoigl macht? Thomas Würdinger

Wir hätten in Deutschland offenbar noch immer nicht den demografischen Schuss gehört: „Alleine, wenn ich mal für unseren Agenturbezirk in der Nordoberpfalz den demografischen Faktor hochrechne, werden wir in den nächsten 10 Jahren rund 10.000 Beschäftigte Demografie-bedingt verlieren.“ Die heutigen Gäste seien dann hoffentlich alle schon lange in ihrem wohlverdienten Ruhestand. „Aber es kommen keine Jungen hinterher.“

Immer wieder gern, Rosi und Thomas: Der Bahler-Zoigl wurde für die überparteiliche Wahlinitiative zum gastfreundlichen Echo-Wohnzimmer mit Wirtshausmusik. Foto: Jürgen Herda

Wir verlieren eine Milliarde an Wertschöpfung

Hochgerechnet erwirtschafte ein Beschäftigter am Bruttoinlandsprodukt in der Nordoberpfalz einen Jahresbetrag von rund 100.000 Euro: „Wir verlieren 10.000 Menschen, das heißt in einem Jahr verlieren wir an Wertschöpfung eine Milliarde Euro in der Nordoberpfalz an Waren, Gütern und Dienstleistungen, die binnen Jahresfrist nicht mehr produziert werden.“ Man müsse sich mal vorstellen, was das in der Konsequenz bedeute:

Wir brauchen jedes Jahr 1000 Menschen neu in die Region, die hier Beschäftigung aufnehmen, ansonsten wird sich die Nordoberpfalz dramatisch verändern. Thomas Würdinger

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung gehe pro Jahr von einer notwendigen Nettozuwanderung für Deutschland von 400.000 Menschen aus, die Bertelsmann-Stiftung habe in ihrer Defizitanalyse eine Lücke von 260.000 bis 380.000 fehlenden Arbeitskräften ermittelt. Heruntergerechnet auf den Agenturbezirk Weiden bedeute das 1000 unbesetzte Stellen in Unternehmen, Handwerksbetrieben und Wirtshäusern. „Ich frage mich, wo sollen die herkommen?“

Erläutert bei der Echo-Migrationsdebatte im Bahler Aspekte der Integration in den Arbeitsmarkt: Thomas Würdinger, Leiter der Arbeits-Agentur Weiden. Foto: Jürgen Herda

Überraschung: Deutsch ist keine Weltsprache

Man habe in der Nordoberpfalz einen hoch-technologisierten Arbeitsmarkt: „Wenn ich mir mal ansehe, wie strukturieren sich die offenen Stellen bei uns, dann suchen 80 Prozent der Betriebe Fachkräfte.“ Das bedeute, nach deutscher Norm ausgebildet. „Wenn ich jetzt auf die Arbeitslosen blicke, dann haben wir im Bestand 80 Prozent Ungelernte, der Rest hat vielleicht irgendwann eine Ausbildung gemacht und ist mittlerweile durch das Alter eingeschränkt in seiner Leistungsfähigkeit.“ Das alles sei bekannt. Das große Problem der Integration von Migranten sei aber die Sprache:

Wir sind nur 100 Millionen weltweit, die Deutsch sprechen – jeder, der kommt, spricht eine andere Sprache und in den seltensten Fällen irgendeinen Brocken Deutsch. Thomas Würdinger

Diese Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, müssten jetzt mit unserem System zurechtkommen, gepaart mit einem extrem hohen fachlichen Anspruch auf der Seite der Arbeitgeber. „Das heißt, wir brauchen, damit es gelingt, Strukturen, die insbesondere diese zwei Aspekte der Migration nach Deutschland berücksichtigen – wir brauchen vernünftige Strukturen, wie diese Menschen erstmal Deutsch lernen, bereits im Heimatland oder nach ihrer Ankunft.“ Und man brauche Ausbilder, die diese Menschen auch fachlich qualifizieren können: entweder in der Ausbildung oder während der Beschäftigung.

Fachkräfte-Zuzug muss gut organisiert sein

Solange die Strukturen nicht existierten, werde die Arbeitsmigration nach Deutschland nicht funktionieren. „Wir sehen das exemplarisch an einem Beispiel, wo wir mit unserer zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit Pilotprojekte in San Salvador machen.“ Diese jungen, spanischsprachigen Menschen aus einer christlich finanzierten Schule in El Salvador kämen in den Agenturbezirk in die Nordoberpfalz.

„Sie kommen nach zehnjährigem Schulbesuch und Deutschkurs im Heimatland mit Minimum B1-Niveau, und wir vermitteln sie in Ausbildungsbetriebe und begleiten sie während der Ausbildung weiterhin, weil wir wissen, B1-Niveau reicht nicht für die Berufsschule.“ Man nehme auch die Arbeitgeber in die Pflicht, sich um diese jungen Menschen zu kümmern. Eine Hilfe zur Selbsthilfe im fremden Land, wo sie erst mal nicht mobil seien, keine Bankverbindung und EC-Karte hätten:

Der Arbeitgeber muss den Flug finanzieren, die Wohnung organisieren, die Mietkaution hinterlegen und auch mal den Kühlschrank füllen. Thomas Würdinger

Diese Herausforderungen müsse man in Deutschland schaffen, egal aus welchen Gründen Menschen zu uns kämen, um sie besser in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

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