Tourismusjahr wird hart – auch für Nordoberpfalz

Tirschenreuth. Gut 35 Prozent mehr Übernachtungen seit 2010, neue Highlights vom Geschichtspark Bärnau-Tachov bis zum Essbaren Wildpflanzenpark Waldeck und als Krönung im vergangenen Herbst der Bäderstatus für Neualbenreuth: der Oberpfälzer Wald und besonders auch der Landkreis Tirschenreuth haben in den letzten Jahren eine beeindruckende Erfolgsbilanz hingelegt. Bis – ja bis der Coronavirus von einem Moment auf den anderen die ganze Branche in den Stillstand versetzt.

Urlaub in Sichtweite Oberpfälzer Wald Naturpark Tourismus
Urlaub in Sichtweite: doch auch wenn die Unterkünfte ab 30.5. wieder öffnen dürfen, wird es ein schwieriges Tourismusjahr für die Region werden. Bild: Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald/Thomas Kujat.

Seit Mitte März geht nichts mehr: Unterkünfte, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen sind geschlossen. Das Verständnis für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen sei bei den betroffenen Betrieben groß: Gesundheit geht einfach vor, so der allgemeine Tenor. Über den enormen wirtschaftlichen Schaden kann das jedoch nicht hinwegtäuschen.

Gastgeber ohne Gäste

Seit Wochen sind die Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen in Bayern für die touristische Nutzung geschlossen und werden das auch noch bis zum 29. Mai bleiben. Dass vereinzelte Geschäftsreisende, Monteure oder Berufspendler nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, zeigen die Zahlen für den Monat März, die das Bayerische Landesamt für Statistik bereits veröffentlicht hat, mehr als deutlich.

Ab 17. März konnten die Betriebe keine aus privaten oder touristischen Zwecken reisenden Gäste mehr aufnehmen – den halben Monat war hier also bereits kein regulärer Betrieb mehr. Die gesamte Tourismusgemeinschaft Oberpfälzer Wald (bestehend aus den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt/WN und Schwandorf sowie der Stadt Weiden) verzeichnet im März 2020 ein Minus von 47,2 Prozent bei den Übernachtungen und sogar ein Defizit von 57 Prozent bei den Ankünften im Vergleich zum Vorjahresmonat, im Landkreis Tirschenreuth schlägt der Virus mit einem Minus von 36 Prozent bei den Übernachtungen und 53 Prozent weniger bei den Ankünften zu Buche.

Auf Basis der März-Zahlen kann man also davon ausgehen, dass die Verluste im April und Mai bei nahezu 100 Prozent liegen werden.

Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor für unsere ganze Region“

erklärt Stephanie Wenisch vom Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald des Landkreises Tirschenreuth. „Denn die Gäste schlafen ja nicht nur hier, sie gehen Essen, nutzen Freizeitangebote vom Museum über die Stadtführung bis zum Freibad, kaufen regionale Produkte als Souvenirs oder auch einfach mal beim Bäcker oder Metzger ein.“

Millionenumsatz aus Tourismus fehlt

Der wirtschaftliche Schaden durch die Betriebsschließungen im Tourismus geht also deutlich über die Verluste der Unterkünfte hinaus. So ganz genau beziffern lässt sich das freilich nicht – aber eine Hochrechnung sei laut Wenisch durchaus möglich. 2015 hat die dwif e.V. & dwif-Consulting GmbH im Auftrag von IHK, Tourismusverband Ostbayern und Tourismusgemeinschaft für den Oberpfälzer Wald eine Studie zur touristischen Wertschöpfung in der Region erstellt.

Dabei kam heraus, dass ein Übernachtungsgast im Schnitt 104,70 Euro pro Tag ausgibt – wohl gemerkt 2015, aktuell dürfte der Wert wohl schon höher liegen, wie Wenisch sagt. Auf dieser Basis sowie anhand der Übernachtungszahlen des Vorjahreszeitraums lassen sich einige Zahlen errechnen. Durch die Schließung der Unterkünfte von Mitte März bis Ende Mai fehlen im Oberpfälzer Wald inklusive der Stadt Weiden mindestens 247.000 Übernachtungen, den Betrieben im Landkreis Tirschenreuth entgehen knapp 83.000 Übernachtungen. Damit verliert die Gesamtregion 23,9 Mio. Euro, der Landkreis 8,1 Mio. Euro an Umsatz aus dem Tourismus.

Hier fehlen jedoch noch die Übernachtungen der sogenannten Privatvermieter (Betriebe mit weniger als zehn Betten), die statistisch nicht erfasst werden – und die Umsätze, die die Tagesausflügler in der Region lassen. Rund 6 Mio. Tagesausflüge gibt es jedes Jahr im Oberpfälzer Wald (hier schließen die Daten die Stadt Weiden nicht mit ein), jeder von ihnen gibt laut der 2015er Studie etwa 20,90 Euro aus, sodass sich auch das nochmals zu einem Millionenbetrag summiert. Und genau wie in allen anderen Branchen, die der Coronavirus zum Pausieren zwingt, stecken hinter diesen nackten Zahlen Existenzen und Lebenswerke: Mitarbeiter, die in Kurzarbeit geschickt werden müssen, Investitionskredite, die nicht zurückgezahlt werden können und Betriebsinhaber, die kaum noch wissen, wie sie ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten sollen.

Oberpfälzer sind Kämpfer

Doch die Oberpfälzer sind bekanntlich Kämpfer und das zeigt sich auch in der Krise. „Wir kennen unsere Gastgeber ja im Regelfall persönlich und so bleibt man natürlich gerade in dieser schwierigen Zeit über Telefon und Mail in Kontakt“, berichtet Tourismusreferentin Wenisch. Die Betriebe versuchen trotz der aktuellen existenzbedrohenden Situation in die Zukunft zu blicken. „Viele Gastgeber schauen, dass sie die Zeit sinnvoll nutzen – informieren sich über den Weg in die Onlinebuchbarkeit, nehmen kleinere Renovierungsarbeiten vor oder verbessern ihre Homepage und Social Media-Auftritte.“

So wurde auch auf dem Gowerlhof in Rothenbürg bei Tirschenreuth einiges in den Ferienhäusern erneuert, berichtet Inhaberin Franziska Schedl. „Über den Winter ist es bei uns ruhiger, da machen wir das eigentlich immer, also zunächst war das schon noch zu verschmerzen. Ein paar Berufspendler aus Tschechien hatten wir zwischenzeitlich auch. Aber dass wir über die Osterferien keine Gäste aufnehmen konnten, hat uns schon weh getan – da geht es normalerweise wieder richtig los.“

Sommerurlaub auf dem Bauernhof?

So ähnlich ist es auf vielen Urlaubsbauernhöfen: die Osterferien sind ein fester Faktor im Jahresgeschäft; in der Zwischenzeit bis Pfingsten sind die Ferienwohnungen oft gut mit Anglern ausgelastet, die nun ebenfalls fehlen. Für den Sommer ist Franziska Schedl vorsichtig optimistisch für die Auslastung der Urlaube auf dem Bauernhof-Betrieb: „Unser Hauptgäste sind Familien, die ja wohl ab 30. Mai wieder zusammen reisen können. Die Urlauber in den Ferienwohnungen versorgen sich im Regelfall sowieso selbst und auch der Abstand ist auf den Bauernhöfen recht gut einzuhalten. Wir werden natürlich alles tun, um Auflagen und Hygienestandards einzuhalten und sind schon über den Vorbereitungen.“

Spürbare Einschnitte in Bad Neualbenreuth

Deutlich zurückhaltender ist da Helga Köstler vom Kesslsimerhof in Bad Neualbenreuth mit ihren Erwartungen. Sie hat viele ältere Gäste – und die werden sicherlich nur sehr vorsichtig Urlaub planen. „Einige haben mich auch schon drauf angesprochen, was bei uns im Landkreis Tirschenreuth los ist, weil es ja so viele negative Berichterstattung über unsere Region gab. Das verunsichert die Leute. Ich sag ihnen dann immer, dass die Situation sich mittlerweile beruhigt hat und dass es bei uns ja auch viel Platz und eine niedrige Bevölkerungsdichte gibt, sodass Abstand halten gut möglich ist.“ Außerdem hat in Bad Neualbenreuth das Sibyllenbad als Hauptanziehungspunkt noch geschlossen, was die örtlichen Betriebe natürlich spüren werden, meint Köstler:

Aber es wird schon werden. Das allerwichtigste ist die Gesundheit.“

Aribo Hotel auf Eis

Auch Harald Bruischütz, Direktor des ARIBO Hotels in Erbendorf, sieht sein Haus in extrem schweren Zeiten. Das Hotel hat neben dem Restaurant PIER 28 auch einen Wellnessbereich und großzügige Tagungsmöglichkeiten – also die ganze Bandbreite genau der Serviceleistungen, die aktuell nicht gestattet sind und zum Teil auch nach der voraussichtlichen Lockerung ab 30.5. noch geschlossen bleiben werden. „Damit können wir unsere Kernzielgruppe weiterhin nicht bedienen“, erklärt Bruischütz die Situation.

Wirtschaftlich hat es den Betrieb dadurch besonders hart getroffen – die 30 Mitarbeiter sind bis auf weiteres in Kurzarbeit, da mit einer hohen Auslastung nicht so bald zu rechnen ist. Natürlich hat Bruischütz alle Möglichkeiten wie Soforthilfen und Steuerstundungen ausgeschöpft, um sein Hotel und sein Team durch die Krise zu bringen. „Aber eins muss uns allen klar sein: Hotelzimmer oder Restaurantplätze sind letztlich verderblichere Ware als eine Tomate. Die Tomate leg ich ins Kühlregal, dann ist die auch am nächsten Tag noch gut und ich kann sie verkaufen – das Bett oder der Sitzplan sind dann aber ‚verdorben‘, da ist die Chance vertan.“

Ab 30.5. plant Bruischütz, Hotel und Restaurant wieder zu öffnen. Ganz besonders auch um der Mitarbeiter willen – als Inklusionsbetrieb sieht man sich hier ganz besonders in der Verantwortung. „Unser Betrieb ist unverschuldet in eine wirtschaftlich existenzbedrohende Situation gekommen. Wir hoffen sehr auf weitere Unterstützung, denn die inklusiven Arbeitsplätze, die bei uns verloren gehen würden, sind nicht im Betrieb um die Ecke dann gleich wieder da.“

„Oberpfälzer Glücksmomente“

Das Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald versucht, die Betriebe in der schwierigen Zeit zumindest etwas zu unterstützen. „Wir stehen unseren Betrieben ja schon irgendwie nahe – schließlich steht und fällt der Erfolg unserer Arbeit mit dem der Unterkünfte, Gastronomiebetriebe, Dienstleister und Freizeitangebote. Leider können wir gefühlt sehr wenig für unsere Betriebe tun – aber alles, was wir irgendwie beitragen können, dass sie ein kleines bisschen besser durch diese Krise kommen, haben wir getan“, berichtet Tourismusreferentin Wenisch.

Von Anfang an hat das Tourismuszentrum daher Informationsquellen und Hinweise von rechtlichen Fragen bis zur Soforthilfe-Beantragung zusammengestellt und per Rund-Mails und Newsletter verteilt. Damit die Region in der Zeit des Stillstands nicht aus den Köpfen der potentiellen Gäste verschwindet, wurde mit den „Oberpfälzer Glücksmomenten“ eine Onlinekampagne gestartet, die ganz persönliche Einblicke in den Oberpfälzer Wald gibt: Gastgeber, Tourist-Infos und weitere Partner verraten dabei, wie sie die schwierige Zeit verbringen und was sie gerade aufbaut – von der Vorfreude auf Lieblingsplätze bis hin zu Seelentröster-Rezepten. Und seit sich mit den letzten Lockerungen auch eine Perspektive für den Tourismus abzeichnet, werden natürlich mit Hochdruck Marketingmaßnahmen für den Neustart vorbereitet.

Urlaub 2020 wird anders – Betriebe unterstützen

Ansonsten heißt es gerade wieder einmal: abwarten und Geduld haben. Mittlerweile ist bekannt, dass die Unterkünfte bei weiterhin positiver Entwicklung der Fallzahlen ab 30. Mai pünktlich zu den Pfingstferien wieder öffnen sollen – doch unter welchen Auflagen ist noch unklar. Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen wollen die Gastgeber möglichst gut umsetzen und ihren Gästen einen sicheren Urlaub ermöglichen. Eines ist auf jeden Fall klar, stellt Wenisch fest: „Urlaub 2020 wird anders aussehen als sonst – wir werden in den nächsten Monaten lernen müssen, mit dem Coronavirus zu leben und das bedeutet nun mal mit Einschränkungen.

Aber: wenn wir uns mit einigen Regeln arrangieren, wird es dennoch vieles geben, was wir genießen können”

Wenisch möchte deshalb an Einheimische und Gäste gleichermaßen appellieren: “Nutzen Sie die Angebote, die es gibt – vom Abholservice in der Gastronomie bis zum heimatnahen Urlaub – und verhalten Sie sich dabei so rücksichtsvoll wie irgendwie möglich. Mit etwas (räumlichem) Abstand und gegenseitigem Verständnis werden wir diese besondere Zeit überstehen – und unser normales Leben und ‚normalen‘ Urlaub hinterher umso mehr zu schätzen wissen.“

Bilder: Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald/Thomas Kujat

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