Troglauer-Premiere bei den Vilsecker Burgfestspielen: Sogar Petrus drückt ein Auge zu

Vilseck. Die Wetterprognose verhieß nicht Gutes: Regenwahrscheinlichkeit von 80 Prozent, ein Gewitter droht. Doch Petrus zeigt sich gnädig. Eine Truppe, die diesen Aufwand betreibt, verdient himmlischen Beistand, selbst wenn die Titelfigur ein böser Bube ist. So startet die Troglauer-Premiere im sanften Abendrot. Lediglich einige Tropfen benetzen den enthusiastischen Schlussapplaus.

Der Schlussapplaus für die Macher und Akteure des Troglauer hielt fast so lange an, wie das Stück dauert. Bild: Jürgen Herda

Was ist denn da schon wieder los? Zu barocker Unterhaltungsmusik latschen ratschende Bauersfrauen in ihren Trachten durch das Burgtor. Ein Fuhrmann schiebt seinen antiken Schubkarren voller Bierfässer herein. Und ein bärtiger Kerl mit Räuber-Hotzenplotz-Hut führt breit grinsend ein Ross durch das Markttreiben. So beginnt die Premiere des Stücks „Troglauer – Räuber, Rossdieb, Revoluzzer“.

„Habt’s ihr den Fredi geseng?“, ruft ein Mann im roten Gehrock. „Ja furt is er, da Rappen.“ Aha. Wir befinden uns am Tatort eines Kapitalverbrechens. Räuberhauptmann Franz Troglauer aus Mantel, verkörpert vom bärbeißigen Bernhard Neumann, hat offenbar das Pferd des Brauers Schlicht alias Stefan Seider geklaut. Pferdediebstahl, kein Kavaliersdelikt im Kleinvielvölkerstaat Deutschland des 18. Jahrhunderts.

Grüße von der Guillotine

„Kunststück“, sagt die Liesl alias Andrea Pancur, bevor sie zur Gitarre greift. „Wir ham ja nix, außer a Loch im Schuah.“ Und Gernot Ostermann als Bänkelsänger Birnbeisser intoniert:

„Menschen, höret die Geschichte,
die erst kürzlich ist gescheh’n,
drübn beim Franzmann musst der König,
man glaubt’s kaum, auf einmal geh’n.

Und zwar selber, ohne Sänfte,
und zwar barfuß aufs Gestell.
Und da wartet Monsieur Henker
und der macht dann furchtbar schnell …“.

Erbärmliche Zustände und Schwarzer Humor

Damit ist der Rahmen für die Tragikomödie gesetzt, die Autor Bernhard Setzwein dem Regisseuren-Duo Till Rickelt und Maria Friedrich sowie einer unbändig spielfreudigen Theatertruppe für die Vilsecker Burgfestspiele auf den Leib geschrieben hat. Bittere Armut bei der Weberfamilie Troglauer und der Mehrheit der einfachen Bevölkerung auf der einen Seite.

Staatliche Willkür und drakonische Strafen bereits für kleinste Eigentumsdelikte im Dunstkreis der Französischen Revolution auf der anderen. In diesem Spannungsfeld breiten die Akteure ihre vielschichtige Interpretation menschlichen Fehlverhaltens im Kontext erbärmlicher sozialer Zustände aus. Dass das augenzwinkernde sozialkritische Volksstück dabei nicht zu einer ermüdenden soziologischen Feldstudie gerät, versteht sich bei den schwarzhumorig handelnden Personen von selbst.

Der Troglauer am Pranger. Bild: Jürgen Herda
Der Troglauer am Pranger. Bild: Jürgen Herda
Die Beleuchtung sorgt zusätzlich für Premieren-Stimmung im Vilsecker Burghof. Bild: Jürgen Herda
Die Beleuchtung sorgt zusätzlich für Premieren-Stimmung im Vilsecker Burghof. Bild: Jürgen Herda
Der Troglauer am Pranger. Bild: Jürgen Herda
Die Beleuchtung sorgt zusätzlich für Premieren-Stimmung im Vilsecker Burghof. Bild: Jürgen Herda

Rasante Räuberpistole

Der lebenslustige Franz Troglauer neigt weder zu Selbstzweifeln noch zu Karl Mohresken Moralanwandlungen. „Er ist halt ein richtiger Kerl, unser Franz“, wie die wunderbar flirtende Kundel (Christina Götz) den Oberpfälzer Kneißl Hias bewundernd beschreibt. Dass der aufbrausende Clan-Chef nicht zum Robin Hood taugt, geht aus seiner umfangreichen Akte hervor – auch wenn diese, wie Troglauer-Biograph Bernhard Weigl zurecht einschränkt, wo der einseitigen Obrigkeit angelegt wurde. Neumann verkörpert einen charismatischen Anführer, der den jungen Idealisten Karl (Dominik Gruber) subtil manipuliert und beim Coup mit dem Bischofsstab skrupellos in Stich lässt.

In dieser rasanten Räuberpistole träumt der Hauptmann von einem „Reich Troglauer“: „Ich geb’ da Welt an Rempler, dass aus der Bahn fliagt.“ Dabei erinnert sein Größenwahn sowohl an Napoleon, der sich als Revolutionsgeneral zum Schluss selbst die Kaiserkrone aufsetzt, als auch an den Egomanen Andreas Baader, der die deutsche 68er-Bewegung in einen blutigen Abenteuerspielplatz für Möchtegern Che Guevaras verwandelte. Wer will’s dem tollkühnen Rebellen aber auch verdenken – angesichts einer völlig empathielosen Obrigkeit, herrlich arrogant verkörpert von Josef Götz als Centrichter von Grafenstein?

Der Troglauer am Pranger. Bild: Jürgen Herda

Prädikat: Unbedingt sehenswert

Dass es für den historischen Troglauer bei seinen dreisten Schurkenstücken, wie dem Diebstahl des Bamberger Bischofsstabs, kein Happy-End geben konnte, wird kaum überraschen. Immerhin gelang dem König der Ausbrecher so oft die Flucht, dass man fast von staatlicher Beihilfe ausgehen muss. Nicht von ungefähr ruft der bisweilen komödiantisch verschnarchte Gendarm alias Tobias Meidinger den Räubern zu: „Hundsbagage elendigliche. Geht’s doch n‘über nach Hahnbach, aufrührerisches Gsindel.“

Auch eine Lösung in Zeiten der deutschen Vielstaaterei: Die Gauner über die Grenzen abschieben spart Zeit und Geld und beugt dem Unmut vor, zumal mancher Zeitgenosse sicherlich Sympathie für die Gesetzlosen einer rechtlosen Zeit empfunden haben mag.

Fazit: Ein Volksstück mit Tiefgang, famos in ein dynamisches Drehbuch gepackt, grandios in Szene gesetzt von mit allen zeitgemäßen Cliffhanger-Wassern gewaschenen Regisseuren und Akteuren und von hinterkünftigen Bänkelsängern mehr als nur musikalisch begleitet. Unbedingt sehenswert – bei jedem Wetter. Das bekanntlich nie schlecht ist, im Gegensatz zur unpassenden Kleidung.

Die Beleuchtung sorgt zusätzlich für Premieren-Stimmung im Vilsecker Burghof. Bild: Jürgen Herda

Karten für die Burgfestspiele

Der Kartenvorverkauf läuft über www.okticket.de und www.nt-ticket.de für die zehn Aufführungen zwischen Premiere und Final-Sonntag, 10. Juli. Weitere Termine: Samstag, 25. Juni; Sonntag, 26. Juni; Freitag, 1. Juli; Samstag, 2. Juli; Sonntag, 3. Juli; Donnerstag, 7. Juli; Freitag, 8. Juli; Samstag, 9. Juli.

Bis 10. Juli kann im Turm der Burg Dagestein außerdem die vom Troglauer-Biographen Bernhard Weigl zusammengestellte Sonderausstellung besichtigt werden. Ein besonderer Leckerbissen: die kulinarische Räuber-Führung am 9. Oktober mit der Stadtbühne „Lolamannen“ Vilseck e.V. – weitere Infos: www.vilsecktheater.de – Kontakt: Tourist-Info Vilseck, Marktplatz 13, Telefon (09662) 99 16, kulturamt@vilseck.de

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