Urteil gegen Jugendtrainer: Gericht verhängt Haftstrafe
Tirschenreuth. Das Schöffengericht am Amtsgericht Tirschenreuth hat am Freitag einen früheren Jugendtrainer (25) wegen sexueller Übergriffe zu einer Haftstrafe verurteilt.
Nach Überzeugung des Schöffengerichts unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Markus Fillinger hat sich der 25-Jährige sexueller Übergriffe auf Spieler schuldig gemacht. Verurteilt wurden zwölf Fälle, betroffen waren drei Spieler (damals 15 und 16 Jahre alt). Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten, die in dieser Höhe nicht auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Berufung zum Landgericht Weiden ist möglich. Dann müsste neu verhandelt werden.
“Dass der Angeklagte der Täter ist, daran besteht kein Zweifel”, sagte Fillinger in seiner Urteilsbegründung. Anders, als von der Verteidigung gesehen, sah der Richter neben den Aussagen der drei Spieler durchaus auch objektive Beweismittel. Er führte den “mehr als eindeutigen” WhatsApp-Chat an, in dem der Trainer den 15-Jährigen mit fast 10.000 Nachrichten in vier Monaten bedrängt hatte.
Gericht kritisiert Verhalten des Vereins
Erschwerend komme die Position als Jugendtrainer hinzu. “Das gesamte Ehrenamt baut auf das Vertrauen auf, das Sie missbraucht haben.” Bezeichnend sei das Nachttatverhalten des Angeklagten, der die Opfer in der Mannschaft als “Hurensöhne” und “Lügner” bezeichnete: “Keiner, der Täter ist, darf die Opfer verunglimpfen.”
“In aller Deutlichkeit” richtete der Richter ein paar Worte an den Verein. “Die drei Jungs haben überhaupt nichts falsch gemacht.” Aber während sie den Verein verlassen mussten und ihr Umfeld verloren, habe der Trainer in der ersten Mannschaft “fröhlich weiterspielen” dürfen. “Schlimmer kann man die Täter-Opfer-Rolle nicht vertauschen, wie es hier geschehen ist”, kritisierte Fillinger.
Die Plädoyers von Staatsanwalt Matthias Biehler (auf 4 Jahre) und der Verteidiger Rouven Colbatz und Julian Wunderlich auf Freispruch waren unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt. Grund: Einige Zeugen waren aufgrund ihres jugendlichen Alters nicht öffentlich gehört worden. Das Gesetz sieht dann automatisch nicht öffentliche Plädoyers vor.
Die letzten Zeugen: Cybercrime-Abteilung sichert hunderttausende Dateien
Am Freitag waren die letzten Zeugen an der Reihe (hier der erste Prozesstag). Polizeibeamte gaben Einblick in die Ermittlungen. Bei der Polizeiinspektion Kemnath waren im April 2022 drei Spieler, teilweise mit ihren Eltern, aufgetaucht und hatten Anzeige erstattet. Sie wurden getrennt voneinander befragt und sagten mehr oder minder das gleiche: Aus Mannschaftsfeiern oder ähnlichem ergaben sich die Übernachtungen. Sie schliefen mit dem Trainer im Bett in seinem Jugendzimmer und erwachten davon, dass er Hand an sie legte.
Die Kripo Weiden übernahm den Fall. “Fußballtrainer, Spieler – das hatte Brisanz”, erinnert sich der Sachbearbeiter des Kommissariat 1. Bei einer Durchsuchung war das Smartphone des Trainers sichergestellt worden. Das Cybercrime-Kommissariat 11 der Kripo Weiden stellte fast 100.000 Chat-Nachrichten wieder her. Fast 75.000 Bilddateien wurden teils aus dem Cache gefischt.
Ein KI-Programm suchte gezielt nach Nacktheit. Da waren es noch 1187 Bilder, vorwiegend sexuelle Handlungen unter Männern. Am Ende blieben zwölf Fotos mit jugendpornografischem Inhalt übrig. Verteidiger Julian Wunderlich merkte an, dass auch Vorschaubildchen beim “Drüberscrollen” im Cache landen können. Anhand der Dateigröße ging der Ermittler aber davon aus, dass die Bilder geöffnet wurden. Letztlich wurde dieser Anklagevorwurf vom Gericht eingestellt.
“Ändere das. Ich bin doch nicht schwul.”
Aussagekräftiger waren da schon die WhatsApp-Chats zwischen dem Trainer und den Spielern. Einem damals 15-jährigen Spieler schrieb der zehn Jahre ältere Trainer innerhalb von vier Monaten fast 10.000 Nachrichten. Der Kommissar des K1 las einen “gewissen Druck” heraus: Wann der Jugendliche wieder bei ihm übernachte, was mit der “Beziehung” nun wäre, warum er sich nicht melde. Immer wieder fordert der Ältere eine letzte Aussprache. Er nennt ihn auch “Schatzi”.
Der Sachbearbeiter der Kripo hatte bei der Durchsicht den Eindruck, dass der junge Spieler überfordert war: “Der wusste gar nicht, um was es hier geht, was er antworten sollte.” Als der Trainer den Namen des Spielers abspeichert, versehen mit zwei gebrochenen Herzen, schreibt ihm dieser: “Ändere das sofort. Ich bin doch nicht schwul.”
Mannschaftskamerad räumt ein: “Wir haben Anzeigeerstatter nicht gut behandelt”
Auf Wunsch der Verteidigung wurden am Freitag drei weitere Mannschaftskameraden der damaligen B-Jugend angehört. Das erwies sich eher als Eigentor. Sie mussten sich unangenehme Fragen des Richters gefallen lassen. Nach der Anzeigeerstattung war der Trainer weiterhin bei Feiern der Mannschaft zu Gast. Daraus gibt es Postings in der Snapchat-Gruppe, wo der Trainer mit den Spielern posiert. Darunter heißt es, adressiert an die Anzeigeerstatter: “Verpisst euch.”
Ein 18-Jähriger räumte ein: “Wir waren als Mannschaft nicht nett zu ihnen. Wir haben sie nicht gut behandelt, wir haben sie beleidigt, was nicht richtig war.” Der Ex-Trainer befeuerte das. Wie die Zeugen nach intensiver Nachfrage zugaben, habe der 25-Jährige die Anzeigeerstatter als “Hurensöhne” und “Lügner” bezeichnet. Aber: Zwei 18-Jährige sagten, noch heute eng mit dem Trainer befreundet zu sein.
Nebenklageanwalt geht von weiteren Opfern aus
Anwalt Christos Perperidis, der die drei Geschädigten als Nebenklagevertreter vertritt, hatte in der Nacht zum Freitag noch drei Beweisanträge an das Gericht geschickte. Letztlich stellte er diese nicht. Einer davon befasste sich mit möglichen weiteren Opfern. So gebe es Zeugenaussagen, wonach mindestens ein weiterer Spieler von dem Trainer angefasst worden sei. Dies bestätigte der Kripo-Ermittler. Der Spieler sei befragt worden, habe das aber bestritten.
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