Video-Interview mit Ina Schlie: „Diversität ist kein Ideal, es ist ein Geschäftsmodell“

Weiherhammer. Wie Ina Schlie vom SAP-Vorstandsbüro zur Gründungspatin für diverse Start-ups wurde. Im Echo-Video-Interview beim DENK.summit erzählt die EncourageVentures-Gründerin, warum diverse Start-ups erfolgreicher sind.

DENK.summit 2025: Echo-Interview mit der Diversitäts-Empowerin Ina Schlie. Foto: Martin Zimmer

Sie war Prokuristin bei SAP, als ihre männlichen Kollegen noch ihre Mütze zogen. Heute investiert sie ihr eigenes Geld in diverse Gründerteams – und sagt Dinge wie: „Wenn du als Frau ein Unternehmen gründest, musst du doppelt so gut sein – und bekommst nur halb so viel Kapital.“

Trotzdem ist Ina Schlie keine, die jammert. Sie ist eine, die handelt. Gründet. Vernetzt. Finanziert. Und sie tut das mit einem entwaffnend klaren Blick: auf Märkte, Macht und Machbarkeit.

Karriere ohne Skrupel – und ohne Dogma

„Ich wollte nie jemanden um Geld bitten müssen“, sagt sie. Das ist die Grundmotivation, die sich wie ein roter Faden durch ihre Laufbahn zieht: Unabhängigkeit. Mit 30 leitete sie bei SAP die globale Konzernsteuerabteilung, gehörte zum internationalen Führungsteam – und wunderte sich erst später, warum sie so oft die einzige Frau im Raum war.

„Ich habe mich lange nicht als Ausnahme empfunden. Erst als ich mit anderen Frauen Workshops zu Diversity machte, wurde mir klar: Die gläserne Decke gibt’s wirklich.“ Ihre Analyse: Nicht einzelne Vorständinnen verändern Unternehmen – sondern kritische Massen. „30 bis 40 Prozent Frauen braucht es in Führung, um wirklich Strukturen zu verändern.“

Ex-SAP-Prokuristin Ina Schlie pusht mit ihren Verein Encourageventures diverse Start-ups. Foto: Jürgen Herda

Warum ein Männer-Start-up kein Erfolgsteam ist

Heute ist Ina Schlie Gründerin und Vorsitzende von EncourageVentures, einem Investoren-Netzwerk mit über 850 Business Angels und 1300 Start-ups – jedes davon mit mindestens einer Frau im Gründerteam. Denn für Schlie ist Diversität kein „Nice to have“, sondern eine Renditestrategie. „Divers geführte Unternehmen sind nachweislich erfolgreicher“, sagt sie und verweist auf McKinsey-Studien.

Ihre eigene Investmentpolitik: keine homogenen Männertruppen, keine Bauchentscheidungen, keine Scheu vor Skepsis. Warum so wenig Frauen gründen? Schlie sieht strukturelle Ursachen: patriarchale Finanzierungsstrukturen, mangelnde Vorbilder, stereotype Zuschreibungen. „Investoren fragen Gründerinnen, wie sie das mit Kindern schaffen wollen. Männer fragen sie, wie groß das Unicorn werden soll.“

Jury des DENK.summits 2025 mit Joe Müller (von links), Ariane Coletta, Ralf Dümmel, Stephanie Müller und Volker Viechtbauer. Foto: Jürgen Herda

Von SAP zur Startup-Galaxie

Hat sie SAP vermisst? „Ich hatte dort unglaublich viele Freiheiten.“ Aber irgendwann kam der Punkt, an dem sie mehr wollte: nicht weiter aufsteigen, sondern weitergeben. Heute berät sie, investiert und bildet neue Investor:innen aus – ganz ohne Exit-Getöse. Ihr Verein EncourageVentures ist gemeinnützig – und gerade deshalb so erfolgreich. „Wenn wir kommerziell gestartet wären, hätten sich viele gar nicht angeschlossen.“

Ihre Vision: eine neue Investitionskultur in Deutschland. „Nur 0,1 Prozent unseres Geldvermögens fließt in Start-ups. Dabei haben wir 9000 Milliarden Euro auf der hohen Kante.“ Sie will das ändern – mit Angel Academies, Startup-Schulen und einem Mentalitätswandel, der Kapital und Verantwortung in Einklang bringt.

DENK.summit-Panel mit Ina Schlie (links) und Ralf Dümmel. Foto: Martin Zimmer

Ein ETF für Start-ups – Made in Weiherhammer

Warum Weiherhammer? „Ich bin durch mein Netzwerk hier gelandet – und begeistert. Der DENK.summit schafft genau das, was wir brauchen: lokale Initiativen mit Strahlkraft.“ Für Schlie ist das keine Landlust-Romantik, sondern Standortpolitik: „Wenn ein Dorf 1000 Tickets für ein Start-up-Event verkauft, dann müssen Metropolen mal kurz innehalten.“

Und dann sagt sie noch einen Satz, der bleibt:

Gründen ist keine Frage des Geschlechts – sondern der Gelegenheit. Und wir müssen endlich anfangen, sie fair zu verteilen. Ina Schlie

Speakerin und Jurorin: Ina Schlie, Aufsichtsrätin, Angel-Investorin und Brückenbauerin für Female Founders. Grafik: jrh/Gipi

Wer ist Ina Schlie?

Geboren: 1970er-Jahre, aufgewachsen in Ostwestfalen
Karriere: KPMG-Beraterin, SAP-Prokuristin, globale Steuerchefin, später Investor Relations
Heute: Gründerin und Vorsitzende von EncourageVentures, Angel-Investorin in ca. zwei Dutzend Start-ups
Netzwerk: 850 Investor:innen, 1300 Start-ups mit mindestens einer Gründerin
Ziele: Kapital in Frauenhände, Diversität als Erfolgsrezept, neues Investitionsklima in Deutschland
Motto: „Wer nur in drei Start-ups investiert, darf sich nicht über Pleiten wundern – Diversifizierung ist Pflicht.“

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