Vom Klostergarten ins Cloudlabor (1): Wie BioVariance die personalisierte Medizin vorantreibt
Waldsassen/Tirschenreuth. Im Zentrum des Stiftlands und jahrhundertealter klösterlicher Heilkunde zündete Dr. Josef Scheiber sein Start-up BioVariance. Heute schreibt er in Tirschenreuth die Geschichte der medizinischen Forschung fort.

Im Interview spricht Dr. Josef Scheiber, Gründer der BioVariance GmbH, über die Ursprünge seiner Idee, die Wissenschaftsregion Nordoberpfalz – und darüber, wie man depressive Stimmungen mit einem Molekül erkennt.
Herr Scheiber, Sie haben BioVariance 2012 in Waldsassen gegründet – was war der Auslöser? Und was bedeutet der Name eigentlich?
Dr. Josef Scheiber: Es war gar nicht so einfach, einen Namen zu finden, der nicht besetzt war. In BioVariance klingt natürlich „Bavaria“ an – aber es geht vor allem um die Variabilität in der Biologie. Menschen sind unterschiedlich, also müssen wir auch unterschiedlich behandeln, um das beste Ergebnis zu erreichen. Ich war zuvor als Forscher in der biomedizinischen Informatik tätig. Dann wurden genetische Daten plötzlich erschwinglich – nicht mehr Millionen, sondern nur noch wenige hundert Euro pro Sequenz. Und plötzlich standen wir vor riesigen Datenmengen, die für sich genommen aber noch wertlos waren. Ich wollte aus Big Data intelligente, patientenrelevante Daten machen. Deshalb habe ich mein damaliges Unternehmen verlassen und BioVariance gegründet.
War die Standortwahl Waldsassen eine wissenschaftliche Entscheidung – oder eher biografisch bedingt?
Scheiber: Ich bin gebürtiger Tirschenreuther, war nach Bundeswehr und Studium in Regensburg und Würzburg auch in den USA und der Schweiz tätig, unter anderem bei Roche und Novartis. Zurückzukommen, war eine sehr bewusste, persönliche Entscheidung.
Für die Datenanalyse ist der Standort egal – und in der Nordoberpfalz ist die Lebensqualität sehr hoch. Dr. Josef Scheiber
Außerdem gibt es inzwischen sehr gute Forschungsansätze in der Region: das TTZ Kemnath, der KI-Standort Speinshart oder das Medical Training Center in Weiden. Ich bin auch im Austausch mit der OTH Amberg-Weiden und Deggendorf. Das lässt sich alles gut verknüpfen.
Inzwischen weiß man: Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Medikamente, Kindern gibt man nicht einfach eine halbe Erwachsenendosis. Was genau analysieren Sie?
Scheiber: Wir schauen uns unterschiedliche biologische Profile an. Alter spielt eine Rolle, Geschlecht, genetische Marker. Kinder metabolisieren zum Teil sogar schneller und brauchen manchmal mehr als Erwachsene. Diese Erkenntnisse haben sich in den vergangenen 15 Jahren stark erweitert. Ein Beispiel ist die P4D-Studie der Medizinischen Hochschule Hannover zur personalisierten Depressionsbehandlung. Dort wurden pro Patient 100.000 Parameter analysiert – DNA, RNA, Proteine – um Zusammenhänge zwischen Diagnosen, Behandlungen und biologischen Voraussetzungen zu erkennen.
Und was macht BioVariance daraus?
Scheiber: Unser Algorithmus identifiziert Biomarker, mit denen wir Therapieerfolge vorhersagen können. In der P4D-Studie haben wir ein Molekül entdeckt, das bei jedem Menschen vorkommt, aber bei depressiven Patienten signifikant erhöht ist. Daraus ergibt sich eine klare Korrelation mit dem Behandlungserfolg.
Wir haben dafür ein Patent eingereicht. Unser Ziel: mit wenigen, leicht messbaren Parametern Aussagen über Wirkstofftyp und Dosierung zu treffen – individuell, datenbasiert und in Echtzeit. Dr. Josef Scheiber
Wie viel Wissenschaft lässt sich in Wirtschaft umsetzen – wie schwer ist die Monetarisierung dieser Ergebnisse?
Scheiber: Für Medikamente ist die Zulassung in Deutschland extrem aufwendig. Deshalb wenden wir diese Erkenntnisse aktuell auf Nahrungsergänzungsmittel an – im Lifestyle- und Präventionsbereich. Da gibt es zwei Partnerfirmen, die die Technik haben, personalisierte Produkte zu produzieren. Wir liefern die Analyse – sie die Umsetzung.
Demnächst in Teil II: Wie BioVariance durch die Pandemie kam, warum Tech-Milliardäre sich mit Seegurken vergleichen – und wieso Dr. Scheiber vom Begriff „Künstliche Intelligenz“ wenig hält.
„Gesunde Wissenschaftsregion Nordoberpfalz“: Live erleben!
Echo-Podium beim Oberpfalztag 2025
Thema: „Hauptsach‘ g’sund: Gesunde Wissenschaftsregion Nordoberpfalz“
Mit dabei:
- Prof. Dr. Clemens Bulitta (OTH Amberg-Weiden),
- Dr. Christian Schmidkonz (Medical Training Center),
- Dr. Josef Scheiber (BioVariance),
- Dr. Maria Rammelmeier (Bezirksmedienreferentin & Regionalforscherin)
- Moderation: Jürgen Herda
Wann: 18. Mai, 11 Uhr
Wo: Zwischen Fronfeste und Museumsquartier, Hochwartstraße 3 in Tirschenreuth.
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