Von wegen „Grüne Ideologie“: OTH-Innovationen gegen Klimakrise und Ressourcenverschwendung
Theuern. Der Energiehunger der Welt, Ressourcenknappheit und Katastrophen durch den Klimawandel sind keine „Grüne Ideologie“, sondern Wohlstands-gefährdende Fakten. Beim Unternehmergespräch „Kreislaufwirtschaft“ des Landkreises Amberg-Sulzbach zeigen OTH-Professoren Wege zu nachhaltigem Wachstum auf.

„Wir sind eine Industrie-reiche Region mit steigendem Ressourcenbedarf und auch dem entsprechenden Energiehunger“, stellt Amberg-Sulzbachs Landrat Richard Reisinger nüchtern fest. „Hier Synergien und technisch-innovative Lösungen zu finden, dafür stehen die heutigen Referenten.“
- OTH-Präsident Professor Clemens Bulitta: „Wir arbeiten bereits mit dem Landkreis Hand in Hand, Stichwort Technologie-Transferzentrum Sulzbach-Rosenberg.“
- Professor Matthias Franke, Leiter des Institutsteils Sulzbach-Rosenberg des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, stellt innovative Projekte seines Instituts vor.
- Professor Mario Mocker, Zukunftspreisträger 2020 des Landkreises Schwandorf, der gemeinsam mit Diplom-Ingenieur (TU) Werner Bauer von der ia GmbH für die Erstellung einer Klimabilanz für den Zweckverband Müllverwertung Schwandorf in der Kategorie Kooperation Hochschule und Wirtschaft ausgezeichnet wurde, beschreibt Potenziale der Abfallverwertung.

Innovation auf dem Boden der Montangeschichte
„Wir befinden uns auf dem Boden der Montangeschichte unserer Region, welche die ein oder andere Altlast hinterlassen hat“, skizziert Reisinger Licht und Schatten der „Glückauf“-Region. „Teile dieser Altlasten sind bereits wieder in den Fokus eurer Forschung geraten.“ Weil der Landrat aber immer auch ein Freund des sozialen Menschelns ist, vergisst der Humanist nicht zu erwähnen:
Professor Franke und ich haben ein gemeinsames Stammlokal – ich verrate aber nicht, wo es ist, weil es so wenige Plätze gibt. Landrat Richard Reisinger
Aber man schaffe es immer, sich unbeschwert zu unterhalten: „Unter Ausblendung von Politik und Naturwissenschaft, dafür bin ich dankbar.“ Begrüßen darf er an diesem Abend außerdem den Landtagsabgeordneten Harald Schwartz, etliche Bürgermeister und Kreisräte, sowie Kreishandwerksmeister Dietmar Lenk.
Helmes: Leben nicht auf einer Insel
Jürgen Helmes, Hauptgeschäftsführer der IHK Regensburg, muss als Vertreter der regionalen Industrie ganz im Sinne des Wirtschaftswarntages auf die derzeitig schwierigen Rahmenbedingungen hinweisen. „Die gute Nachricht“ schickt er voraus: „Uns geht es besser als vielen anderen Regionen.“ Man sei die industrie- und exportstärkste Region in ganz Bayern. „Nirgendwo wird so viel Wertschöpfung erzielt – eigentlich alles gut.“ Die schlechte Nachricht: „Wir leben auch in Ostbayern nicht auf einer Insel.“ Man sei eben Teil Deutschlands und Europas.
„Wir befinden uns im dritten Jahr in Folge in einer Rezession.“ Als ob wir es vergessen hätten. „Das ist die längste Schwächephase der bundesrepublikanischen Wirtschaftsgeschichte.“ 40 Prozent der Unternehmen wollten ihre Investitionen zurückfahren. „Wenn in die Zukunft investiert wird, dann nicht in Deutschland.“ Um Energiekosten und Bürokratielast zu entgehen, wandere man ab.
Deindustrialisierung bedeutet nicht, dass Unternehmen ihre Anlagen abbauen, sondern dass sie neue Standorte woanders planen. Dr. Jürgen Helmes
Bulitta: Neue Wertschöpfungsketten
„Ich muss jetzt also für die gute Stimmung sorgen“, nimmt OTH-Präsident Professor Clemens Bulitta den Ball gerne auf. Auch wenn die wirtschaftliche Situation auf staatliche Institutionen durchschlage, sei der Freistaat, der viel in die Bildungsinfrastruktur investiert habe, noch immer verhältnismäßig gut aufgestellt. Man sei dankbar, dass die Staatsregierung diesen Weg weiterverfolge.
Deshalb haben wir uns auch auf den Weg gemacht, gemeinsam mit den Akteuren in der Region in diese Richtung zu denken. Professor Clemens Bulitta
Dieser Abend sei eine gute Gelegenheit sich weiter zu vernetzen, um die bereits erreichten Kooperationen wie das gemeinsam mit der OTH Regensburg gemanagte Technologiezentrum in Schwandorf weiter auszubauen. „Mutig miteinander machen“, zitiert Bulitta den Leitspruch des bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume, „wenn wir das machen, wird uns das gelingen.“
Wirtschaften in Kreisläufen
Aufgabe der Hochschule sei nicht nur die Ausbildung der Arbeits- und Fachkräfte von morgen. „Forschung und Innovation ist genauso unsere Aufgabe wie Wirtschaftsentwicklung und regionales Engagement.“ Was treibt die Hochschule heute um? Die effizientere Verwertung von Rohstoffen sei das eine Element, den Mitteleinsatz zu reduzieren das zweite und das Vermeiden von Abfall der dritte Aspekt.
Kreislaufwirtschaft oder das Wirtschaften in Kreisläufen, diese beiden Themen zusammenzuführen, die CO₂-Neutralität, mit Blick auch auf ökologische Grenzen, beinhaltet nicht nur die Wiederverwertung. Professor Clemens Bulitta
Das biete ein großes Wachstumspotenzial, weil sich in diesem Kontext bestehende Unternehmen stärken ließen, sich aber auch neue Systemlösungen ergäben – mit einer ganz anderen Wertschöpfungskette, die nicht nur dabei helfe, den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen, indem man die CO₂-Neutralität erreiche, sondern auch, neue Geschäftsideen zu entwickeln. „Wir haben dazu mit Fraunhofer UMSICHT die optimalen Voraussetzungen.“
Franke: Fraunhofer UMSICHT als regionaler Impulsgeber
Professor Matthias Franke, Leiter von Fraunhofer UMSICHT, skizziert die Fraunhofer-Gesellschaft als die „führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa“. In seinem Institutsteil in Sulzbach-Rosenberg seien 120 Mitarbeitende mit einem Haushalt von 10 Millionen Euro in den Bereichen Prozess- und Anlagenentwicklung, Labor und Analytik. Abfall- und Ressourcenstrategien, Technologiebewertung und LCA tätig.
Im Centrum für Energiespeicherung etwa erforsche ein motiviertes Team aus Technikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern thermochemische Konversionsprozesse und die Energiespeicherung sowie emissionsarme Verbrennungsprozesse und Prozesswärme-Lösungen. Im Großtechnikum „Recycling“ baue und betreibe man industrielle Demonstrationsanlagen und beschäftige sich damit, wie man Abfall- und Reststoffe in grünes Rohöl und Wasserstoff umwandeln könne.
Grenzen des Wachstums
Der US-Ökonom Dennis Meadows habe vor mehr als 50 Jahren in seiner rechnergestützten Simulation in der vom Club of Rome beauftragten Studie „Die Grenzen des Wachstums“ (1972, englischer Originaltitel „The Limits to Growth“) das Systemverhalten der Erde als Wirtschaftsraum bis zum Jahr 2100 ermittelt. Inzwischen sähen wir uns bei exponentiellem Wachstum der Weltbevölkerung, des Primärenergieverbrauchs und globaler Rohstoffentnahmen mit einem immer bedrohlicheren Klimawandel und einem sich zuspitzenden Rohstoffmangel konfrontiert.
Die Konsequenz der Klima- und Rohstoffkrise müsse lauten: Kreislaufwirtschaft, effizienter Ressourceneinsatz, Abfallvermeidung, Dekarbonisierung, Ersetzung fossiler Brennstoffe durch alternative Energieträger und der dauerhafte Entzug von CO₂ aus der Atmosphäre. Immerhin sei das Thema regulatorisch in der europäischen Politik angekommen, nennt Franke etwa das Beispiel Emissionshandel, das zum einen unternehmerische Spielräume lasse, aber auch neue Innovationsimpulse setze.
Das bietet auch große Chancen für die sehr Innovation-affine Industrie in Bayern. Professor Matthias Franke

Gewaltige Abfallmengen
Professor Mario Mocker liefert in seiner Präsentation Daten, Zahlen und Fakten zum gewaltigen Müllberg, den wir mit unserer zum Teil immer noch ineffizienten Wirtschafts- und Lebensweise produzieren. Eine Abfallmenge von rund 400 Millionen Tonnen: davon 50 Millionen Tonnen aus Gewerbe- und Produktion, 25 Tonnen Sondermüll sowie 20 Millionen Tonnen Hausmüll. Der Rest verteile sich auf übrige Siedlungs-, Bau- und Abbruch- und Bio-Abfälle.
Immerhin: Durch die thermische Verwertung in der Müllverbrennungsanlage in Schwandorf erreiche man jährlich eine CO₂-Einsparung von etwa 123.000 Tonnen und vermeide insgesamt Emissionen von 9 Millionen Tonnen: „Ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz.“ Dennoch, bei 400 Millionen Tonnen Abfällen bleibt für Mocker nur ein Schluss:
Wir müssen von diesem Rohstoffhunger runter und effizienter werden. Professor Mario Mocker

2,2 Milliarden Tonnen Rohstoffe im Jahr
Vom inländischen Rohstoffabbau 2022 von rund 2,2 Milliarden Tonnen, seien 1,3 Millionen Tonnen nicht verwertbarer Abraum. Dazu kämen rund 1,5 Milliarden Tonnen importierter Rohstoffe. Den Löwenanteil machten mineralische Abfälle mit 250 Millionen Tonnen aus – 37 Prozent würden anschließend technischen Bauwerke zugeführt, 53 Prozent landeten in Verfüllungen und 10 Prozent auf Deponien.
Von 29 Millionen Tonnen Papier, Holz und Kunststoff würden 34 Prozent energetisch verwertet, 54 Prozent stofflich und 12 Prozent sei Schwund. Von 23 Millionen Tonnen Eisenschrott wanderten 87 Prozent in die Stahlproduktion, 13 Prozent seien Materialverluste. Von 2,8 Millionen Tonnen Altglas würden 87 Prozent in neuen Glasprodukten wiederverwendet, der Rest sei nicht mehr zu gebrauchen. Und von 2,5 Millionen Tonnen NE-Schrotten (alle Metalle außer Eisen) schaffen es 47 Prozent in neue NE-Metalle und 53 Prozent gingen verlustig.
So nachhaltig ist die Hochschule
Mocker schildert außerdem, welche Schritte die Hochschule selbst für eine nachhaltige Entwicklung unternommen hat:
- Institut für Nachhaltigkeit und Ethik (INE): Das INE widmet sich unter Leitung von OTH-Vizepräsidentin Professorin Christiane Hellbach diesem zentralen Anliegen – ergänzt durch das Umweltmanagementsystem nach ISO 14001.
- FairTrade-University: Mit diesem Label wurde die OTH Amberg-Weiden seit 2017 als erste HAW in Bayern ausgezeichnet.
- Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern: Als Regionalpartner der Nordoberpfalz unterstützt die OTH gemeinsam mit Fraunhofer UMSICHT Kommunen und Unternehmen auf diesem Feld.
- Technik ohne Grenzen e.V.: Die OTH unterstützt Entwicklungsländer mit nachhaltigen Projekten etwa bei der dezentralen Verbrennung von Klinikmüll.

OTH wächst und gedeiht auch international
Professor Mario Mocker gibt einen Überblick über die Entwicklung der OTH Amberg-Weiden mit ihren inzwischen über 4000 Studierenden, darunter gut 1500 aus dem Ausland – ein Wirtschaftsfaktor für beide Standorte sowie für die Landkreise Neustadt/WN und Amberg-Sulzbach.
Studierende
- 1556 am Standort Amberg
- 2691 am Standort Weiden
International
- 1575 ausländische Studierende
- 118 Partnerhochschulen in 48 Ländern
4 Fakultäten
- Elektrotechnik, Medien und Informatik
- Maschinenbau/Umwelttechnik
- Weiden Business School
- Wirtschaftsingenieurwesen und Gesundheit
56 Studienprogramme
- 29 Bachelorstudiengänge
- 18 Masterstudiengänge (konsekutiv)
- 8 Weiterbildungsmaster
- 1 Orientierungsstudium prepareING
474 Beschäftigte
- 119 ProfessorInnen
- 15 Lehrkräfte für besondere Aufgaben
- 93 Wissenschaftliche MitarbeiterInnen
- 247 Nichtwissenschaftliche MitarbeiterInnen
30 Promovierende
- 4 im Promotionskolleg „REDIG“
- 2 im Promotionskolleg „DIWAG“
- 24 kooperative Promotionen
Netzwerke
- 31 Innovative LernOrte (ILO)
- 35 PartnerCircle-Mitglieder
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