Warum Kemnath die reichste Stadt Bayerns ist

Kemnath. Wer hätte das gedacht? Die reichste Stadt Bayerns liegt im Landkreis Tirschenreuth. Kemnath, die einstige Kreisstadt, ist die finanzstärkste Kommune im Freistaat.

Symbolbild: OberpfalzECHO/David Trott

Laut den Zahlen des Bayerischen Städtetags zur Finanzkraft der bayerischen Kommunen verfügt die 5.590 Seelen zählende Stadt Kemnath über ein stolzes Finanzvolumen von 13.490 Euro je Einwohner. Damit liegt die Kommune in der einst als „Steinpfalz“ verschrienen Oberpfalz noch vor den ohnehin reich eingeschätzten Städten Grünwald (10.905 Euro) oder Gräfelfing (7.372). Und noch eine Gemeinde aus der Region poliert den Nordoberpfälzer Ruf gewaltig auf: Parkstein (Landkreis Neustadt/WN) rangiert mit 3.115 Euro pro Kopf auf Platz sechs in dieser Auflistung. Immerhin noch Zwölfter ist die Stadt Waldershof mit 2.552 Euro je Einwohner.  

Parkstein auf Platz sechs

Zurückzuführen ist die Finanzkraft von Gemeinden und Städten auf die Gewerbesteuer der ortsansässigen Unternehmen und Betriebe. Sie belegt, wie viel Geld durch Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen nach Abzug der Kreisumlage bleibt und wie viel Geld Kommunen tatsächlich zur Verfügung haben. Während die Marktgemeinde Parkstein vor allem von den Abgaben des Lagerlogistikunternehmens Witron mit seinen weltweit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp über einer Milliarde Euro profitiert, ist der Reichtum der Stadt Kemnath hauptsächlich vom Medizintechnikhersteller Siemens.

Markt Parkstein Symbolbild Parkstein Basaltkegel Parkstein Witron
Parkstein ist die sechstreichste Gemeinde Bayerns. Archivbild: Jürgen Masching

Kemnather Erfolgsgeschichte

Die Erfolgsgeschichte in Kemnath begann vor fünf Jahren. 2018 hat die Stadt die Gewerbesteuer von 340 auf den bayernweit niedrigsten Hebesatz von 230 Punkten gesenkt und die Einnahmen schossen nach oben. Rund ein Dutzend Firmen haben sich seitdem in der Stadt angesiedelt – darunter auch Neugründungen und Verlagerungen aus dem Münchener Speckgürtel. Teils handelt es sich dabei laut Aussage des damaligen Kämmerers und jetzigen Bürgermeisters Roman Schäffler um Holdings oder Verwaltungseinheiten aus dem Siemens-Konzern.

Siemens ist der Grund

Im Jahr der Kemnather Gewerbesteueroffensive ging Siemens Healthineers an die Börse, was der Stadtkasse viel Geld einbrachte. Kemnath ist einer der Standorte des Medizintechnikherstellers, das Werk mit circa 1.200 Beschäftigten ist der größte Arbeitgeber der Stadt. Mit den Gewerbesteuereinnahmen ging es weiter bergauf: Von 1,6 Millionen Euro im Jahr 2017 auf knapp 14 Millionen Euro (2019) auf sage und schreibe 98 Millionen Euro im Jahr 2020. Heuer kann Kemnath mit mehr als 100 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen kalkulieren.

Büro mit wenigen Mitarbeitern

Siemens-Konzernsprecher Wolfram Trost wusste vor zwei Jahren einen zweiten Grund für den Kemnather Steuersegen: Die Ansiedlung der Siemens Trademark GmbH & Co. KG. Dabei handelt es sich zwar nur um ein unscheinbares Büro mit wenigen Mitarbeitern, die aber hüten einen gewaltigen Schatz: Die Markenrechte für den weltweit bekannten Namen Siemens. Deren Zeitwert gibt der Konzern mit rund 9,5 Milliarden Euro an.

Siemens Kemnath Büro
Ein unscheinbarer Bürobau in Kemnath ist die Geldmaschine. Hier ist unter anderem die Siemens Trademark GmbH & Co. KG untergebracht. Foto: Udo Fürst

Gewaltige Geldströme

Wie sich das Hin- und Hergeschiebe der gewaltigen Geldströme auf die Kemnather Stadtkasse auswirkt, erklärte Trost so: Für die Verwendung des Markennamens zahlt die Siemens AG an die konzerneigene Firma Trademark jedes Jahr Lizenzentgelt. Das waren für neun Monate im Jahr 2019 fast 600 Millionen Euro. Für die Folgejahre wurde ein entsprechend höherer Betrag erwartet. So fallen am Firmensitz von Trademark in Kemnath riesige Erträge an, auf die Gewerbesteuern fällig werden. Und das jedes Jahr und mindestens bis 2023, in der die Stadt zwischen 80 und 100 Millionen Euro Gewerbesteuer eingenommen hat, beziehungsweise noch einnehmen wird.

Auch Konzern profitiert

Der Konzern profitiert im Gegenzug vom niedrigen Gewerbesteuersatz. Warum Siemens Trademark ausgerechnet in Kemnath angesiedelt hat, erklärte Konzernsprecher Trost mit Hinweis auf die guten Beziehungen zur Stadt. Außerdem: „Gegenüber anderen Gemeinden fällt Kemnath dadurch auf, dass das erwartete zusätzliche Steueraufkommen durch eine Satzsenkung im Ergebnis mit den Gewerbetreibenden geteilt wird.“ Der Konzern und die Stadt teilen sich also den Steuerkuchen.

Oberpfalz auf Platz zwei

Kemnaths Nachbarn und vor allem der Landkreis Tirschenreuth profitieren ebenfalls vom Geldsegen der Siemens-Stadt. Rund 53 Millionen Euro wird die Stadt allein an den Landkreis abführen. Somit sank für viele andere Kommunen die Umlage. Für Kemnath bleibt aber mehr als genug übrig. Das Argument, „wir können uns das nicht leisten“, gebe es nun in Kemnath nicht mehr, sagte der damalige Bürgermeister Werner Nickl. Allerdings müssten Projekte für die Stadt auch zu stemmen und sinnvoll sowie nachhaltig sein.

Nickls Nachfolger Roman Schäffler betont, dass sich die Entscheidung 2018 als Glücksfall erwiesen habe. „Uns war nicht bewusst, wie stark sich diese Ansiedlung auswirken wird“, sagt der einstige Kämmerer. Heute ist auch die Grundsteuer deutlich abgesenkt, die Beiträge für Kindergartenplätze großteils abgeschafft. „So haben die Bürger direkt etwas von den Einnahmen“, sagt Schäffler.

Auch der Bezirk profitiert über die Bezirksumlage von der Finanzkraft Kemnaths. Nicht zuletzt deshalb steht der Regierungsbezirk gut da. Mit 878 Euro Finanzkraft je Bürger liegt die Oberpfalz knapp hinter Oberbayern auf Platz zwei in Bayern.

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