Ziegler Group in Rekordzeit zum Naturhelden: Produktionsstart im Dämmfaserplattenwerk
Grafenwöhr/Hütten. Bauzeit des Berliner Flughafens: 14 Jahre. Bauzeit Hamburger Elbphilharmonie: 16 Jahre. Von wegen, Deutschland hat das Bauen verlernt – die Oberpfalz kann's: Bauzeit Dämmfaserplattenwerk in Hütten: 1 Jahr. Der nächste Schritt der Ziegler Group zum 100-prozentigen Öko-Holzhaus.
Zugegeben, ein Dämmfaserplattenwerk ist kein Flughafen. Und auch kein Ort leiser Töne. Dafür ist Zieglers nächster Schritt auf dem Weg „vom Baum zum Haus“ mit einer Investitionssumme von 150 Millionen Euro ein Beitrag zu einer ökologischen Bauwende – mit weniger Energieeinsatz und CO₂-Ausstoß. „Diese kurze Bauzeit konnte nur Dank der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit guten regional ansässigen Baufirmen und international renommierten Maschinenbauunternehmen realisiert werden“, erklärt kaufmännischer Geschäftsführer Andreas Sandner.
Am 1. September 2021 legten die Planer auf dem 28 Hektar großen Areal in Hütten bei Grafenwöhr los. Exakt einen Tag vor dem Jahrestag des Baubeginns verlassen die ersten Dämmfaserplatten störungsfrei die Produktionsanlagen der neuesten Generation. „Das hielt in der Fachpresse keiner für möglich“, freut sich Marketingleiter René Oertel über die „Meisterleistung“, der selbst die Verlegung von Bärnau nach Hütten und die Beschaffungskrise während der Pandemie keinen Abbruch tat.
Landrat Meier vermittelte
Wie war das zu schaffen? „Voraussetzung ist eine gewisse Risikobereitschaft, in Vorleistung zu gehen, Maschinen und Materialien frühzeitig zu bestellen für eine just in time Lieferung – und ein Team, das keine Probleme, sondern nur Lösungen kennt“, lobt Geschäftsführer Sandner. Dazu komme eine reibungslose Zusammenarbeit mit Planungsfirmen, Kommunen und dem Landkreis Neustadt/Waldnaab. „Landrat Andreas Meier hat das Areal hier im Industriegebiet vermittelt, das eine sofortige Realisierung möglich machte.“
„Unsere Dämmfaserplatten sind ein weiterer Baustein auf dem Weg zum 100 Prozent ökologischen Holzhaus“, beschreibt Sandner die Zielsetzung. „Das ist die Zukunft der Dämmung mit rein ökologischen Materialien, die anders als Styropor auf Ölbasis oder mineralische Dämmstoffe, die mit hohem Energieeinsatz hergestellt werden, am Markt gerade in der Energiekrise immer stärker gefragt sind.“
Nischenprodukt mit riesigem Potenzial
„Holzfaserplatten sind bis jetzt ein Nischenprodukt mit einem Marktanteil von höchstens zehn Prozent“, beschreibt Robert Friedl, technischer Geschäftsführer der neuen Ziegler-Tochter mit dem programmatischen Firmennamen Naturheld GmbH, die Ausgangslage. Eines der größten und modernsten Werke seiner Art in Hütten soll das mit einem Ausstoß von jährlich 500.000 Kubikmetern festen und 1,5 Millionen Kubikmetern flexiblen Platten sowie 20.000 Tonnen Einblasdämmung bei Vollbetrieb ändern.
Gegenüber Wettbewerbern hat die Ziegler Group den unschätzbaren Vorteil, Material aus den eigenen Sägewerken nutzen zu können, das bisher an die Zellstoffindustrie abgegeben wurde. „Jetzt verwenden wir es selbst, es entfällt ein Zwischenschritt“, sagt Friedl. Dazu kommt, dass die Naturheld GmbH mit eigenen Holzabfällen wie Splitterholz und Rinde die Energie selbst erzeugen kann, die zur Auffaserung notwendig ist. „Bei den Wettbewerbern arbeiten einige mit Gas“, sagt Oertel, „das ist nicht nur ökologisch problematisch, sondern auch zunehmend teuer.“
Effizient, energieautark und einfach gut
Das Werk leiste darüber hinaus einen Beitrag zu einer inzwischen fast geschlossenen Wertschöpfungskette: Der wertvolle Rohstoff Holz wird bis zur letzten Faser genutzt. Dazu komme, dass man in Hütten bei gutem Wetter bereits zu 100 Prozent Energie autark wirtschaften könne. „Wir werden über einen Solarpark in der Nachbarschaft versorgt“, sagt der technische Leiter Peter Härtl. „Die Wärmeerzeugung erfolgt aus der Biomasse.“
Für den technischen Geschäftsführer bietet die Nutzung des eigenen Rohstoffs noch einen ganz anderen Mehrwert: „Wir haben für die Zellstoffindustrie hochwertiges Material zur Verfügung gestellt, das genau die Eigenschaften besitzt, die man auch für die Holzfaserplatten braucht“, sagt Friedl. Anders als bei zugekauften Holzresten sei die Qualität immer gleichbleibend. „Wir stellen homogene Platten aus Fichte und Kiefer im immer gleichen Mischungsverhältnis her.“ Das biete Vorteile bei der Stabilität wie auch der Dämmung.
„Ich bin bei Ziegler Dynamik gewohnt“
In der Schilderung der Ziegler-Truppe vor Ort, die das Mega-Projekt in Rekordzeit gewuppt hat, klingen die bewältigten Herausforderungen während der Bauphase mitten in der Versorgungskrise wie ein großes Abenteuer. „Ich bin jetzt seit 20 Jahren bei Ziegler“, sagt Friedl, „ich bin Dynamik gewohnt.“ So eine Sisyphus-Arbeit sei nur mit „super Mitarbeitern“ zu stemmen, „die Bock auf Power haben“. Power allein hätte in diesem Fall aber nicht gereicht. Auch eine gehörige Portion Erfindungsreichtum habe zum Erfolg geführt.
„Wenn du überall zu hören bekommst, dass es keine Elektrokomponenten mehr gibt“, erklärt Friedl, „kannst du dich nicht nur auf Subunternehmer verlassen – da ist Eigeninitiative gefragt.“ Wenn’s wieder irgendwo gehakt habe, habe man sich gefragt: „Auf welche Module können wir zurückgreifen, die wir für unsere Bedürfnisse umbauen können?“ Zusätzlich erweitere man natürlich ständig das eigene Netzwerk, um auch die letzten Lieferkapazitäten zu heben.
Ziegler lässt sich die Maschine optimieren
Sehr erfinderisch sei man auch bei der individuellen Anpassung der Presssysteme des badischen Maschinenbauers Dieffenbacher in zwei getrennten Produktionslinien gewesen. „Jede Maschine ist ein Stück weit ein Prototyp“, beschreibt Friedl den Entwicklungsprozess, „man muss bereit sein, sich da mit einer klaren Zielsetzung reinzufuchsen.“
Dieffenbacher-Projektleiterin Carina Reimold kann schmunzelnd ein Lied von der Beharrlichkeit der Ziegler-Crew singen: „Jede Anlage stellt uns vor besondere Herausforderungen“, sagt die Betriebswirtin, „hier mussten wir trotz der Engpässe bei Elektrokomponenten, einer Verzögerung durch den Standortwechsel in kürzester Zeit die hohen Anforderungen an Energieeffizienz und ein neues Konzept einer homogeneren Verleimung der Fasern lösen.“
Hütten ist das bessere Bärnau
Am Tag der Generalprobe blicken Friedl, Härtl, Oertel und Reimold mit Spannung über die Steuerungspulte hinweg durch die Fenster auf die Maschine, die gleich die erste fertige High-End-Holzfaser-Dämmplatte ausspucken soll. Heureka, es ist vollbracht. Die Bunker sind bis zum Rand mit Holzresten gefüllt, das letzte Signal ist angekommen, das Band läuft, das Material ist unter enormem Druck verleimt und gepresst und rattert seiner Bestimmung im Holzhaus entgegen. „In dieser Bauzeit hat‘s noch keiner geschafft“, muss Geschäftsführer Andreas Sandner noch einmal betonen, als glaube er es selber nicht.
Und schlussendlich freut er sich sogar über den nicht ganz freiwilligen Umzug von Bärnau nach Hütten: „Weil das Areal hier größer ist, konnten wir gleich zwei Fertigungslinien mit zwei Leitständen umsetzen, haben mit der Bundesstraße und der nahen Autobahn eine bessere Infrastruktur vorm Haus – und die Belegschaft für den Produktionsstart überwiegend aus der Region steht auch schon bereit.“ Freilich, eine Kostensteigerung habe sich unter diesen Umständen nicht ganz vermeiden lassen: „Aber wir haben das Bestmögliche daraus gemacht“, sagt Friedl, „und sind in einer vertretbarer Range geblieben.“
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