Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Das Fest der Liebe? Nicht mit mir…

Nordoberpfalz. Alle Jahre wieder befällt unseren Autor der vorweihnachtliche Wahnsinn, wenn er seine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger sieht. Eigentlich sind deren Antlitze genauso menschenfreundlich wie das restliche Jahr, aber halt jetzt ein paar Wochen mit Lebkuchen. Eine Glosse.

Montage: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell

An allen Ecken und Ende jinglebellt es, fröhliche Santas erklimmen die Hauswände und meinen lieben Mitbürger eilen in und gewohnt guter Laune durch liebevoll illuminierte Innenstädte. Ist es wirklich so?

Dank Black Friday Week mussten sich immer mehr Vielbeschäftigte in weihnachtlicher Vorfreude und adventlicher Besinnlichkeit in echte Geschäfte in der Innenstadt (sic!) wagen. Was nimmt der Deutsche nicht alles auf sich, um zu sparen? So dem Internet entwunden und auf brutalste der sogenannten „realen Welt“ ausgeliefert, bedeutet das selbstverständlich in keinster Art und Weise, dass man auch freundlich oder auch nur höflich mit dem Personal umgehen muss. Das wäre auch bei diesem Stress zu viel verlang. Nicht mit uns.

Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Neues Testament, Evangelium nach Lukas

Vielleicht erklärt diese Botschaft des Engels das ambivalente Verhältnis der Menschen untereinander hierzulande. Wie soll sich der Deutsche Michel nebst Michaela denn nicht nur nicht fürchten, sondern sogar noch freuen? Die frohe Botschaft lautet also nicht wie oben – auch noch exklusiv in der Zitatfunktion hervorgehoben – sondern einfach: In diesem Jahr fallen die Feiertage wieder äußerst günstig. Und das bedeutet für uns alle, dass wir wieder wunderbar weihnachtlich frohlocken können.

Schon längst steht die Killerfrage im Raum „Und, schon alle Geschenke zusammen“, gefolgt vom Klassiker „Ach, wir schenken uns heuer nicht viel.“ Aber mal Hand aufs Herz – mit Nuss und Mandelkern lockst du niemanden hinter dem Ofen hervor.

Ho,Ho,Ho…

Also stellt man die Stiefel vor die Tür und harrt auf die Ankunft des Weihnachtsmanns, hüpfte eine Runde mit den Weihnachtswichteln und fürchtet sich vor dem Grinch. Die Sache mit dem Christkindl und ähnlichen Naivitäten haben bei diesem generalstabsmäßig geplanten Fest nichts mehr zu suchen.

Und dann ist ja da noch die Geschichte mit den drei Weisen aus dem Morgenland. „Gold ist okay, wertstabil und der Kurs steigend, kann man gelten lassen – aber Weihrauch kann ich schon immer die zweimal, wo ich im Jahr in die Kirche gehe (Weihnachten und irgendeiner stirbt ja immer) nicht leiden. Und mit ihrer Myrre sollen sie sich mal die Zähne putzen“, verkündet der Einheimische in seiner ganz speziellen adventlichen Nächstenliebe. Ansonsten ist ein Großteil der weihnachtlichen Gemeinde doch latent der Meinung, dass man vielleicht die nicht ganz so Weisen aus dem Morgenland doch durch Frontex in ihr Herkunftsland „zurückschieben“ sollte. Aus den Weisen kann man Facharbeiter machen, das wäre gerade noch okay. Der Geist der heiligen Weihnacht 4.0 halt.

Der Weihnachtsmarkt – das Wacken des deutschen Bildungsbürgers

Gegen diese Flut an gelebter Humanität gibt es im Trubel nur eine Lösung: Druckbetankung an vorweihnachtlicher Freude, spricht Glühwein auf dem Christkindlmarkt – inklusive einer Vielzahl an Spezereien und Deftigkeiten, die nur mit viel Wohlwollen noch unter dem Begriff „Lebensmittel“ laufen. Wann käme man sonst auf die Idee, so etwas wie eine frittierte Zwiebel zu essen?

Ganz unzwiderer Einschub: Die kleinen Dorfweihnachten und Ähnliche, getragen von unzähligen Vereinen und Ehrenamtlichen, sind von meinem Weihnachtsgrant selbstverständlich ausgeschlossen. Denn die sind klasse.

Was sind denn dann die Alternativen, du Gscheithaferl?

Der Rieger – so ein Gscheidhaferl, aber echt! Montage: Ann-Marie Zell/OberpfalzECHO

Die Sache mit den Kindern – dazu gibt es keine Alternativen. Vielleicht sollten wir ihnen einfach zuschauen, wie sie im Schnee herumtoben und mit der Zuge Schneeflocken fangen. Am besten anber einfach mitmachen.

Oder sagen wir netten Menschen einfach „Vergelts Gott“, denn es gibt sie an allen Ecken und Enden, wenn man nur hinschaut: Die gute Haut, der nette Nachbar, die freundliche Verkäuferin – sogenannte Menschen. Und an denen kann man sich erfreuen, sogar und besonders in der Weihnachtszeit.

Außerdem gibt es da auch noch diesen tollen Typen aus Nazareth. Egal ob christlich, atheistisch oder einer anderen Konfession angehörig – man muss schon sagen, dieser Jesus, dessen Geburt wir ja eigentlich an Weihnachten feiern sollten, hat schon eine starke Botschaft.

„Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13, 34f.)

So kommt man vielleicht darauf, dass Weihnachten ein Fest der Liebe sein sollte. Ist es aber nicht. Und auch die ganze restliche Zeit des Jahres kann man wohl kaum von einem respektvollen gesellschaftlichen Miteinander sprechen. Wer glaubt wirklich daran, dass, wenn einem jemand „Frohe Weihnachten“ wünscht, das auch so meint?

Vielleicht lässt sich vieles in unserer Gesellschaft nicht mehr auf der Makroebene reparieren – aber jeder von uns kann dazu beitragen, dass es auf seiner persönlichen kleinen Scholle etwas menschlicher zugeht. So naiv bin ich und das ist auch meine persönliche Definition von Weihnachten. Und die Idee mit der frittierten Zwiebel finde ich garnicht schlecht…

Hinweis der Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser, wir weisen darauf hin, dass der Autor während der Erstellung dieses Textes über die Hälfte der von der Geschäftsführung allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellten weihnachtlichen Süßwaren selbst verzehrt hat (O-Ton: „Ja mei“). Aufgrund dieses Sachverhalts möchten wir darauf hinweisen, Aussagen seinerseits bezüglich Rücksichtnahme, Gemeinschaftssinn, etc. exakt zu prüfen.

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