Kommentar: Neuanfang mit Klinikneubau

Weiden. Die Kliniken Nordoberpfalz stellen sich neu auf: Weil sie die chronische Unterfinanzierung dazu zwingt. Ob es der große Wurf wird, lässt sich erst sagen, wenn Bund und Länder sich auf eine Krankenhausreform verständigen. Ein Neubau aber könnte wirklich ein Befreiungsschlag werden.

Präsentieren das neue Standortkonzept für die Kliniken Nordoberpfalz: (von links): Betriebsratsvorsitzender Region Nord Roland Gleißner, Tirschenreuths Landrat Roland Grillmeier, KNO-Vorstand Michael Hoffmann, OB Jens Meyer und Neustadts Landrat Andreas Meier. Foto: Jürgen Herda

Vor einer Krankenhausreform und auf hoher See ist man in Gottes Hand, könnte man das geflügelte Wort umformulieren. Denn was bei dem Tauziehen zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und verschiedenen Lobbys auf der einen und zwischen Bund und Ländern auf der anderen Seite herauskommt, ist schwer zu prognostizieren.

Noch wissen wir nicht einmal, wann und ob überhaupt am Ende des erneut vertagten Verhandlungsprozesses ein Ergebnis steht – ganz zu schweigen davon, ob das Ergebnis die verbleibenden deutschen Krankenhäuser dann besser ausstattet als bisher. Zweifel sind angebracht, zumal mit Sicherheit nicht mehr ins System gepumpt werden soll als bisher.

Ende der Doppelstrukturen

„Die finanziellen Rahmenbedingungen werden immer schwieriger“, klagt Oberbürgermeister Jens Meyer. „Wir müssen als Kommunen in die Bresche springen, obwohl das keine kommunale Aufgabe ist.“ Zu den bereits zugeschossenen 80 Millionen Euro aus der Vergangenheit, jetzt noch einmal 52 Millionen – ein Betrag, der gerade in Zeiten klammer kommunaler Haushalte gerade noch so zu stemmen sei: „Auch wenn es ein Kraftakt ist, es ist ein Signal, dass es mit der gesundheitlichen Versorgung in der Nordoberpfalz weiter geht.“ Allerdings erwarte er sich von Seiten des Bundes und der Länder sehr bald nachhaltige Lösungen.

Vor diesem Hintergrund ist das vorgelegte Standortkonzept von Vorstand und Trägern zwar für Erbendorf ein Schock und für Tirschenreuth schmerzhaft. Aber selbst aus Sicht des Tirschenreuther Landrats Roland Grillmeier unvermeidbar. „Doppelstrukturen wird es künftig nicht mehr geben.“ Und eine Sanierung oder ein Neubau in Erbendorf ohne Zuschüsse seien nicht finanzierbar.

Betriebsrat geht den Weg mit

Das sieht auch Betriebsratsvorsitzender Roland Gleißner nicht viel anders: „Wir freuen uns nicht darüber, aber uns ist klar, dass wir die Strukturen verändern müssen, deshalb gehen wir den Weg mit.“ Man arbeite an einem ordentlichen Sozialplan. Dass künftig ganze Teams in Tirschenreuth und Weiden eingesetzt werden sollen, hätte die Gemüter zusätzlich beruhigt – Fahrtkostenzuschuss, möglicherweise sogar ein Shuttlebus oder Vorruhestand inklusive.

Aus Kreisen der Mitarbeiter hört man, dass die Stimmung in der Belegschaft besser sein könnte, um es vorsichtig zu formulieren. Ständige Personalwechsel nicht nur an der Klinikspitze, sondern in vielen Führungspositionen, die permanente Präsenz von teuren Beratern, keine klar definierten oder zumindest kommunizierten Ziele hätten auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein schlechtes Licht auf die Kliniken der Nordoberpfalz geworfen.

Kluger Schachzug: Einbindung von Karagiannidis

Aus Sicht der Klinikleitung nachvollziehbare Klagen, deren Ursache sich aber nicht so leicht vermeiden ließen: „Eine Restrukturierung und die damit verbundene Analyse in den einzelnen Abteilungen durch externe Berater verunsichert die Mitarbeiter“, bedauert Vorstand Michael Hoffmann. Sie sei aber notwendig, eben gerade um die Kliniken Nordoberpfalz auf die sich abzeichnende Reform vorzubereiten.

Was man Hoffmann zugutehalten muss: Die Einbindung von Professor Dr. Christian Karagiannidis, einem Mitglied der Regierungskommission für die moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, bei der Erarbeitung der Neuaufstellung, war ein cleverer Schritt: „Wir hoffen, dass er zumindest ein Stück weit auch die Situation vor Ort bei den Entscheidungen in Berlin mit einspeist.“

Klinik-Vorstand Michael Hoffmann: „Kommunale Träger sind ein Segen.“ Foto: Jürgen Herda

Meiers Plädoyer für den Befreiungsschlag

Ein geradezu leidenschaftliches Plädoyer für einen klaren Schnitt mit Neuanfang hält gegen Ende der Pressekonferenz Landrat Andreas Meier: „Der Neubau könnte ein Befreiungsschlag sein, der dafür sorgt, das zu Unrecht negative Image zu korrigieren, damit man die Kliniken AG wieder in positivem Licht betrachtet.“ Man müsse die Kosten von Sanierung und Betrieb denen eines vom Freistaat geförderten Neubaus nüchtern gegenüberstellen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir einen Neubau brauchen.“ In dem verschachtelten Gebäude mit den viel zu langen Wegen sei niemals ein energieeffizienter und logistisch effektiver Betrieb zu leisten.

Es ehrt den Landrat, dass er dabei weder die Schließung weiterer Standorte noch eine Verlagerung in seinen Landkreis im Sinn hat: „Man sollte dieses zarte Pflänzchen der Chance zum Neuanfang jetzt nicht überschatten mit einer Standortdiskussion“, sagt Meier. „Große Projekte scheitern oft an profanen Dingen, das wäre ein Jahrhundertfehler.“ Wie konkret dieses Pflänzchen aber dann doch schon gereift ist, zeigt die Konkretisierung von Klinikchef Hoffmann: „Wir werden etwa Mitte nächsten Jahres unsere Vorstellung im Ministerium präsentieren.“ Wenn man den Argumenten der KNO folgen würde, könnte im Aufsichtsrat Anfang bis Mitte 2025 die Entscheidung für einen Neubau getroffen werden.

Landrat Andreas Meier plädiert für einen Neubau. Archivfoto: Gerald Morgenstern

Ein neues Wir-Gefühl

Vorausgesetzt, die neue Standortstrategie hat sich bis dahin bewährt und die Ausrichtung in den drei Standorten entspricht der dann hoffentlich abgeschlossenen Krankenhausreform, könnte eine solche Entscheidung tatsächlich der Startschuss zu einem neuen Wir-Gefühl sein: Ein Wir, das die Bevölkerung einschließt, die von einer langfristig gesicherten, ganzheitlichen medizinischen Versorgung vor Ort profitiert. Ein Wir der Klinik-Mitarbeiter inklusive Vorstand, die in einem neuen Miteinander in einem zeitgemäßen Arbeitsumfeld stolz auf gemeinsame Leistungen sein können. Und einem Wir der Politik, die parteiübergreifend eine nachhaltige Gesundheitsregion in kommunaler Hand gewährleistet.

Denn eines macht sowohl die Neuaufstellung als auch der Wunsch nach einem Neubau deutlich: Das Gerücht von der Privatisierung dürfte damit erledigt sein. Die drei Kommunen sind ganz offensichtlich fest entschlossen, die KNO weiter unter ihrer Regie zu entwickeln. Und es klingt wenig plausibel, dass ein aktienorientiertes Privatunternehmen sich auf das Risiko einlassen würde, ein unterfinanziertes Krankenhaus zu betreiben.

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