Unsere (Ober-) Bürgermeister (7): Jens Meyer will nach der Corona-Grätsche eine zweite Amtszeit in Weiden

Weiden. Der Polizist im Rathaussessel will die Stadt, in die er vernarrt ist, zu neuem alten Glanz führen. Bürokratie und Rechtsprechung machen nicht nur Jens Meyer das Leben schwer: Wie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das Baugebiet Horbach zu stoppen.

Weiden flieg! Oberbürgermeister Jens Meyer will, dass seine Lieblingsstadt wirtschaftlich abhebt. Bürokratie und Rechtsprechung bremsen sie dabei immer wieder aus. Foto: Jürgen Herda

Eigentlich, so sagt Jens Meyer im Redaktionsgespräch, eigentlich sei die Stadt Weiden nach schwierigen Jahren wieder auf einem guten Weg. Der Oberbürgermeister kann sich über die Gewerbesteuer-Rekordeinnahme von 36 Millionen Euro freuen: „So ein Aufkommen hatten wir noch nie“, sagt der 53-Jährige.

„Mit dieser Summe haben wir nicht gerechnet“, freut sich der Sozialdemokrat. „Es zeigt, dass wir die wirtschaftliche Lokomotive der nördlichen Oberpfalz sind, und alles dafür tun müssen, dass es auch so bleibt.“ Eine kleine Einschränkung schickt er hinterher: „Zum Teil könnten das Corona-bedingte Nachholeffekte sein.“

Trotz gerade mal so überstandener Pandemie und der Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit Energiepreisschock und Inflation, trotz der Warnungen der Wirtschaftsverbände vor der Abwanderung deutscher Unternehmen in Länder mit günstigeren Energiepreisen – der Rathauschef bleibt optimistisch.

Mit dem Wirtschaftsförderer der Stadt, Fabian Liedl, besuche er regelmäßig Weidener Firmen: „Energieintensive Unternehmen haben es natürlich gewaltig gespürt.“ Aber das sei stark branchenabhängig. „Wir haben kaum mehr produzierendes Gewerbe, sind dafür aber sehr stark im tertiären Sektor, in Handel und Dienstleistung – und haben unsere Hidden Champions in der gesamten Region.“

Lange Liste der Lorbeeren

Das heißt nicht, dass sich der Oberbürgermeister zufrieden die Hände reibt. Obwohl sich die Liste der abgearbeiteten Themen nach einer schwierigen ersten Halbzeit durchaus sehen lassen könne: „Das Wichtigste war, dass wir zusammen mit den Landräten die Kliniken AG gerettet haben“, betont Meyer die zentrale Bedeutung einer guten medizinischen Versorgung vor Ort. „Wir haben die Obdachlosenunterkunft neu gebaut, die Kitas massiv ausgebaut, die Sanierung der Rehbühl-Schule und des Realschul-Sport- und Schwimmzentrums abgeschlossen, die Digitalisierung der Klassenzimmer realisiert.“

In seiner bisherigen Amtszeit habe er das Sozialbürgerhaus eröffnet, das Sportzentrum mit Kunstrasenplätzen bei der SpVgg fertiggestellt und ein Klimaschutzkonzept erarbeitet. Außer den Pflichtaufgaben einer Kommune habe die Stadt aber auch Zeichen für Kinder und Jugendliche gesetzt – etwa mit dem Skaterpark, dem Ausbau von Spielplätzen oder dem dezentralen Jugendtreff Plan B. „Wir schaffen gerade die baulichen Voraussetzungen für die Ganztagsbetreuung und sanieren die Mehrzweckhalle.“

Oberbürgermeister Jens Meyer (SPD) im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Meyers To-do-Liste

Und dennoch, so ganz zufrieden ist Meyer noch nicht mit seiner Zwischenbilanz: „Weil uns erst die Pandemie und dann die Folgen des Kriegs ausgebremst haben, waren wir leider mit anderen Dingen beschäftigt, als unser Wahlprogramm abzuarbeiten“, bedauert der Oberbürgermeister die schwierigen Rahmenbedingungen. Die offenen Baustellen treiben ihn um: „Ich möchte unbedingt noch den Neubau der Feuerwache, die Bebauung des Turnerbund- und SV-Geländes, den Neubau der Realschule und der Albert-Schweitzer-Schule erledigt wissen“, sagt Meyer, „deshalb ist es mir auch so wichtig, eine zweite Amtszeit zu bekommen.“

Das seien die „big points“, damit Weiden das wirtschaftliche Zentrum der Nordoberpfalz bleibt.  Leichter gesagt als getan: Vieles liegt nicht in seiner Hand. „Es kommt darauf an, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln.“ Und die Mehrheitsverhältnisse machen es ihm auch nicht leichter: „Je mehr Fraktionen im Rathaus sitzen, desto schwieriger wird es“, beklagt er die Zersplitterung des Parteiensystems. „Deshalb müssen wir schauen, dass sich die beiden großen Fraktionen zusammen auf die wichtigen Dinge verständigen, die wir in den nächsten Jahren anpacken wollen.“ Eine herzliche Einladung an die CSU.

Oberbürgermeister Jens Meyer (SPD) im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Turnerbund-Gelände: Pragmatisch anpassen

Aber selbst wenn sich Schwarz und Rot verständigen, bleiben genügend Hürden, die die Entwicklung der Stadt bremsen: „Wir haben das Turnerbund-Gelände baureif entwickelt“, sagt Meyer, „hatten gute Investorengespräche, aber wenn es wirtschaftlich für einen Investor nicht mehr darstellbar ist, brauchst du neue Lösungen.“ Jetzt müsse man überlegen, wie man den Plan pragmatisch anpassen könne: „Eine Erschließung Zug um Zug, vielleicht ohne Tiefgarage.“ Über die Dimensionierung und den Zeitplan müsse man sprechen. „Aber wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken.“ Das sei sein fester Wille: „Wir brauchen Wohnungen, aber das geht nur mit starken Partnern.“

Und wenn es nicht am Geld scheitert, macht die Justiz der Stadt einen Strich durch die Rechnung: „Erst im Sommer hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Entscheidung zum sogenannten vereinfachten Verfahren für das Baugebiet Horbach gekippt“, stöhnt Meyer. Bei Freiflächen am Rande der Kommunen sei das vereinfachte Verfahren mit Europarecht nicht vereinbar: „Das war eine jahrzehntelang ausgeübte Praxis“, ärgert sich der Oberbürgermeister. „Wir könnten schon lange bauen, jetzt werden wir wieder ein Jahr in die Schleife geschickt.“

Oberbürgermeister Jens Meyer (SPD) im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Wohlstandsfalle Vollkasko-Mentalität

Es ist eine regelrechte Wohlstandsfalle, in die die Gesellschaft getappt ist: Mit dem Anspruch der Bürger, stärker mitzuentscheiden, aber auch dem Wunsch nach mehr Daten-, Umwelt- und Verbraucherschutz, ist ein immer undurchdringbareres Regelwerk entstanden: „Das ist alles wichtig und nachvollziehbar, aber wir überfordern den Staat mit dem Wunsch, jedes Risiko abzusichern.“ Dazu komme das beliebte Florians-Prinzip, Projekte zu begrüßen, solange sie nur nicht vor der eigenen Haustüre entstünden.

„Du wirst irgendwann einen Juristen brauchen, wenn du dir eine Leberkäs-Semmel kaufst“, bringt Meyer die Vollkasko-Mentalität auf den Punkt. „Es geht mit der Bodenuntersuchung los: Gibt es da Altlasten? Und wenn ja, wie muss man mit denen umgehen?“ Allein vom Umweltschutz seien Schranken gesetzt, die Punkt für Punkt abgearbeitet werden müssen. „Die Träger öffentlicher Belange müssen gehört werden, die öffentliche Auslegung ist an Fristen gebunden – mir wäre es auch lieber, wir machen einen Plan und morgen geht’s dann los.“

Weiden flieg! Oberbürgermeister Jens Meyer will, dass seine Lieblingsstadt wirtschaftlich abhebt. Bürokratie und Rechtsprechung bremsen sie dabei immer wieder aus. Foto: Jürgen Herda

Klinik-Neubau denkbare Alternative

Dabei stehe Weiden vor gewaltigen Herausforderungen: „Unser Ziel ist der Erhalt der Kliniken Nordoberpfalz AG in kommunaler Hand“, nennt er eine Mammutaufgabe. „Wir wollen für unsere Menschen die bestmögliche, wohnortnahe medizinische Versorgung“, schlägt er einen Pflock ein, „das kostet Geld.“ Aus Berlin erwarte er statt der angekündigten Kürzungen das genaue Gegenteil. „Worin sollte man sinnvoller investieren als in die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger?“ Dennoch müsse man sich auf die Reformpläne einstellen: „Bei einer Neustrukturierung müssen wir entscheiden, wo wir welche Leistungen innerhalb der AG sinnvoll anbieten.“

Er sei dazu im intensiven Austausch mit den Landräten: „Wir verstehen das als gemeinsamen Auftrag über die Gebietskörperschaften hinweg.“ Und ja, auch über die Möglichkeit eines Neubaus werde man nachdenken: „Es muss geprüft werden, welche Kosten damit verbunden wären.“ Und das Ergebnis mit den Kosten der ständigen Instandsetzung vergleichen: „Das Klinikum ist über Jahrzehnte gewachsen“, erklärt er manchen verwinkelten Wildwuchs, „einen Neubau auf freier Fläche kann man in puncto Wegeverbindung, Handlungsabläufe und Energieverbrauch effizienter gestalten.“

Bilder einer Amtszeit: Oberbürgermeister Jens Meyer auf Facebook. Screenshot/Collage: jrh

Mensch Meyer! Mr. Oberkorrekt auf der Suche nach Spielräumen

„Früher hieß es immer, ah, Sie sind der Sohn von der Tina Meyer“, erklärt Oberbürgermeister Jens Meyer den Rollenwechsel mit steigender Bekanntheit. „Heute ist es umgekehrt: Ah, Sie sind die Mutter von Jens Meyer.“ Meyers starke Mutter habe den Lebensweg des SPD-Politikers geprägt: „Sie war immer in der evangelischen Kirche engagiert, ich bin schon als Kind beim Zeltlager in Plößberg dabei gewesen, wo ich später Lagerleiter wurde.“

So sei der kleine Meyer über die Jugendarbeit langsam in die Verantwortung hineingewachsen: „Ich habe einige ihrer Posten übernommen, hinzu kamen weitere etwa im Kirchenvorstand St. Michael, im Dekanatsausschuss oder der Synode – das hat mich richtig ausgefüllt.“ Von der kirchlichen Jugendarbeit war es nur ein kleiner Schritt zum politischen Engagement: „Das war nur konsequent, weil ich in Weiden regelrecht vernarrt bin.“ 2001 habe er sich entschlossen für den Stadtrat zu kandidieren, was 2002 auch gelungen sei.

Beruflich zog es Meyer zu den Hütern von Recht und Ordnung. Auf die Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei folgten einige Jahre Streifendienst in Oberbayern, die Rückversetzung in die Heimat, zunächst zur Grenzpolizei Waidhaus, dann zum Studium an die Beamtenfachhochschule in Sulzbach-Rosenberg. Ein Jahr Grenzpolizei, dann Dienstgruppenleiter der PI Neustadt und schließlich 17 Jahre Kripo Weiden. „Ich war zuständig für Wirtschaftskriminalität“, sagt Meyer. „Betrugsverfahren, Korruption, Insolvenzverschleppung.“

Absolute Neutralität sei sein oberstes Gebot: „Unabhängig vom Ansehen der Person wird nach Gesetz ermittelt“, wird er seinem Ruf als Mr. Korrekt gerecht. Das heißt nicht, dass er frei von Empathie wäre: „Ich hatte mit Firmenchefs vom alten Schlag zu tun,“, bedauert er manches Schicksal. „Die haben mir gesagt, ich kann doch meine Leute nicht im Stich lassen, und haben dann die Insolvenz immer weiter verschleppt.“ Vom ehrenwerten Kaufmann, der alles tut, um seine Firma zu retten, bis zum Betrüger, der verbrannte Erde hinterlässt: „Da war alles dabei.“

Als braver Gesetzeshüter habe er deshalb mit der CSU des allzu kreativen Machers Hans Schröpf gefremdelt: „Es war die Zeit, als die Vorwürfe in Sachen Kläranlage immer lauter wurden“, erklärt er. „Mir hat es nicht gefallen, wie die Partei damit umgegangen ist – diese Nibelungentreue bis zum Schluss, das wäre damals nicht die richtige Partei für mich gewesen.“ Auch Streibls Amigo-Affäre zuvor sei im Gedächtnis haften geblieben. Zur SPD sei er über Kontakte zu Waltraud Koller-Girke und Reinhard Heese gestoßen. „Ich trat dann der SPD mit dem Ziel bei, für den Stadtrat zu kandidieren.“

Schon 2007 habe er eine Kandidatur als Oberbürgermeister in Erwägung gezogen: „Ich war Hoffnungsträger der Fraktion“, blickt er zurück, „es war eine gemeinsame Entscheidung von meiner Frau und mir, nicht zu kandidieren.“ Und dann kam Kurt: „Der war zuvor bei der Arbeitsagentur in Halle und Schwandorf und ist dann zurück nach Weiden gezogen – ein absoluter Glücksfall.“ Kurt Seggewiß habe das Amt 13 Jahre lang mit Herzblut ausgefüllt.

Mit Blick auf die Ära Schröpf (CSU) und den tiefen Fall von Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) charakterisiert er seine Amtszeit: „Gesetzestreue steht über allem, schon allein wegen meiner beruflichen Vergangenheit.“ Was rechtlich nicht möglich sei, werde nicht gemacht.

Nicht alle Bürger honorieren diese Haltung. „Bei dem engmaschigen Netz an Gesetzen und Regelungen wird es immer schwieriger, unbürokratische Spielräume im Sinne der Bürger zu finden.“ Was nicht heißt, dass er es nicht versucht: „Es gibt Graubereiche, wo wir in der Verwaltung überlegen, wie wir Menschen helfen können.“ Was möglich gemacht werden könne, werde auch möglich gemacht.

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