Schmökern unterm Christbaum: Der ehemalige Sohn

Nordoberpfalz. Sasha Filipenko zeigt die Hoffnung auf Fortschritt nach dem Zerfall der Sowjetunion und den darauf folgenden lähmenden Stillstand auf eine schonungslose und damit umso ermutigendere Weise. Unser nächster Buchtipp ist auch fast zehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung noch brandaktuell.

Zum Lesen ist zum Glück – Dank der Übersetzung von Ruth Altenhofer – kein Wörterbuch nötig. Foto: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber

Dieses Buch basiert auf Fakten und ist teils autobiografisch: Es bietet damit eine nicht-westliche Sichtweise auf eine Jugend in einem ehemaligen Ostblockstaat. Jedoch zog es so auch die Kritik der belarussischen Regierung auf sich. Der Autor lebt im Exil in der Schweiz und sogar sein Vater hat mit Drohungen von staatlicher Seite zu kämpfen.

Dennoch oder vielleicht gerade deshalb schreibt der Journalist offene Briefe, die auch in mehreren großen Zeitungen europaweit veröffentlicht werden, in denen er das Lukaschenko-Regime kritisiert. Außerdem war „Die Jagd“ – ein weiterer sehr zu empfehlender Roman – ein Spiegel-Bestseller.

Sasha Filipenko stellt uns einen sehr sympathischen jungen Protagonisten vor, nur um ihn uns kurze Zeit später wieder zu entziehen: Er verunglückt und fällt ins Koma. Zehn Jahre später erwacht er und findet all seine Hoffnung zerstört – Belarus hält immer noch an einem antidemokratischen Regime fest. Was nach einem trockenen Politdrama klingt, ist in Wahrheit eine inspirierende, witzige Geschichte über Familie und Hoffnung.

Besonders gut gefallen haben mir der lockere Stil und die direkte Sprache. Auch kann man sich dadurch, dass der Autor sehr viel direkte Rede verwendet, gut in die verschiedenen Figuren einfühlen.

Der ehemalige Sohn

Das Buch ist bei Diogenes erschienen. Die gebundene Ausgabe kostet 23 Euro, das Taschenbuch 14 Euro und das E-Book 11,99 Euro.

Weitere Infos gibt es hier.

Aufbegehren gegen die Diktatur

Eigentlich sollte der junge Franzisk Cello üben fürs Konservatorium, doch lieber genießt er das Leben in Minsk. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert verunfallt er schwer und fällt ins Koma. Alle, seine Eltern, seine Freundin, die Ärzte, geben ihn auf. Nur seine Großmutter ist überzeugt, dass er eines Tages wieder die Augen öffnen wird. Und nach einem Jahrzehnt geschieht das auch. Aber Zisk erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint. Wie fühlt sich ein junger, lebenshungriger Mann in Belarus? Eine hochaktuelle Geschichte über die Sehnsucht nach Freiheit. (Quelle: Verlag Diogenes)

Warum ist das Buch so lesenswert?

Es ist schwierig, die Anziehung dieses Buches in Wort zu fassen. An „Der ehemalige Sohn“ hat mich vor allem Sasha Filipenkos Ehrlichkeit und Unverblümtheit fasziniert. Er scheut sich nicht, Dinge bei ihrem Namen zu nennen, dennoch verliert er nicht seinen Humor. Besonders die zweite Hälfte des Buches, nachdem Zisk aufgewacht ist, ist sehr emotional: Eine Mischung aus Melancholie und Hoffnung schwingen mit.

Für wen geeignet?

Für weltoffene Jugendliche und Erwachsene.

Randnotizen

Mit seinem kleinen, handlichen Format – es ist nur 18 mal 11,4 cm groß und hat nur 320 Seiten – ist es das perfekte Buch zum unterwegs im Zug oder entspannt auf der Couch lesen. Dennoch ist der Text groß gedruckt und in viele Absätze eingeteilt.

Besonders der kunstvoll gestaltet Einband macht etwas als Geschenk her: Er zeigt ein Ausschnitt des Gemäldes „Porträt von Irakli Chkhartishvili“ von Anne-Sophie Tschiegg.

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