Schmökern unterm Weihnachtsbaum: Lügen über meine Mutter

Nordoberpfalz. Keine ganz leichte Kost und doch unglaublich lesenswert, das ist unser erster Buchtipp in der Vorweihnachtszeit. Das Werk von Daniela Dröscher erzählt die Geschichte einer Kindheit im Hunsrück der 1980er – schonungslos und für den einen oder anderen mit Triggerpotenzial.

Foto: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber
Foto: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber
Foto: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell
Foto: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell
Foto: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber
Foto: Ann-Marie Zell

Normal darf man ja auf Platzierungen und literarische Rankings nicht zu viel geben. In diesem Fall kann man eine Ausnahme machen, denn das Siegel “Spiegel-Bestseller” hat sich die bewegende Geschichte verdient. Außerdem schaffte es das Buch auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis. Trotzdem muss man sich bei allen Lorbeeren ein eigenes Bild machen – auch das ist der ureigene Sinn von Literatur. Und da gibt es bei mir ein ganz klares “Daumen hoch”. “Lügen über meine Mutter” ist ein Buch, das ich als Geschenk (auch an sich selbst) mit gutem Gewissen empfehlen kann.

Daniela Dröscher zeigt mit ihrem Roman, wie ungerecht das Leben für Frauen noch vor dreißig Jahren war. Es macht wütend, von diesem Patriarchen zu lesen, dessen Miene, wie es heißt, das Klima in der Familie bestimmt. Trotzdem ist es schön zu lesende Literatur mit Herz, Literatur, die bewegt.

Unter anderem hat mir Dröschers Schreibstil außerordentlich gefallen. Die Sprache der 46-jährigen Berlinerin ist klar und einfach – aber zu jeder Zeit mit Witz und Pfiff. Besonders ansprechend wird die Lektüre natürlich, wenn man zur gleichen Zeit in einem ähnlichen bürgerlichen Milieu der 1980er Jahre aufgewachsen ist.

Lügen über meine Mutter

Das Buch ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet in der gebundenen Ausgabe 24 Euro, als Taschenbuch 14 Euro und als E-Book 14.99 Euro.

Weitere Infos gibt es hier.

Ein “Kammerspiel namens Familie”

Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema alles beherrscht: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige, unberechenbare Frau zu dick? Muss sie dringend abnehmen? Ja, das muss sie – entscheidet ihr Ehemann. Und die Mutter ist dem ausgesetzt, Tag für Tag.

“Lügen über meine Mutter” ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive.

Der Autorin gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen. (Quelle: Verlag Kiepenheuer & Witsch)

Warum ist das Buch so lesenswert?

“Lügen über meine Mutter” ist ein Buch, das ich nicht einfach so weggelegt habe. Umso höher muss es bewertet werden, wenn mich ein gefühlvolles, absolut unaufgeregtes Werk so beschäftigt hat. Ich musste wirklich überlegen, warum.

Was hatte dieses Buch besonderes, dass ich mich nicht sofort den drei wartenden angelesenen Büchern widmete? Weil es etwas bewegt hat: Erinnerungen an die eigene Jugend, Bitteres, Lustiges, Nostalgisches – so lange her und doch für das ganze Leben prägend. Das zeigt, was gute Literatur vermag, nämlich bei jeder Leserin und jedem Leser ganz individuelle Emotionen zu wecken.

Für wen geeignet?

Definitiv für die Kinder der 1980er.

Randnotizen

Das Geschenkpotenzial liegt in der Ausgewogenheit des Buches. Etwas über 400 Seiten – auch gut zu lesen, großer Druck und der Preis für die schöne gebundene Ausgabe mit Lesebändchen von 24 Euro passt in der Regel genau ins Budget (“So um die 20 Euro rum”).

Wer es verschenkt, sollte es sich dann unbedingt auch mal “zurückleihen”. Es lohnt sich wirklich.

* Diese Felder sind erforderlich.