Trassengegner: Noch bis 19. Januar Einwendungen gegen Süd-Ost-Link möglich

Störnstein. Trotz Gaslieferstopp aus Russland und hoher Energiepreise: Der Widerstand gegen den Süd-Ost-Link lebt. Die Bürgerinitiative für eine dezentrale Energiewende ist überzeugt, das aus ihrer Sicht überdimensionierte Großprojekt stoppen zu können – falls es nicht ohnehin aus Kostengründen scheitert.

Josef Langgärtner, Gründervater der Bürgerinitiative, gibt ein Update zum Süd-Ost-Link. Foto: Jürgen Herda

Fast wäre die Berichterstattung über die Infoveranstaltung der Bürgerinitiative für eine dezentrale Energiewende Weiden-Neustadt/WN in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Trassengegner in der Störnsteiner Kulturscheune am Bauernprotest gescheitert – kurz vor der Ortseinfahrt reihte sich Traktor an Traktor.

Da die Landwirte aber selbst im vollbesetzten Saal gut vertreten sind, lassen die Treckerfahrer mit Bedacht die Abbiegespur Richtung Scheune frei. Und auch wenn der Süd-Ost-Link bei weitem nicht so emotionalisiert wie der Agrardiesel. Die Skepsis ist groß, dass das 780 Kilometer lange Mammutprojekt, das eine 50 Meter breite Schneise durch Felder, Wiesen und Wälder schlägt, ein teures Planungsdesaster wird.

Fast kein Durchkommen nach Störnstein. Aber die protestierenden Bauern lassen OberpfalzECHO gerne passieren. Foto: David Trott

Appell: Jeder kann Einspruch einlegen

„Eine 3500 Hektar große Totalzerstörung und Wertvernichtung“, nennt Josef Langgärtner, Gründervater der Bürgerinitiative, das Tennet-Projekt. „Wir haben den Termin heute bewusst gewählt“, sagt der studierte Elektrotechniker im Ruhestand, dessen anfänglich einsamen Widerstand schon der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Porträt wert war. „Die Abgabefrist für Einwendungen zum laufenden Planfeststellungsverfahren endet am 19. Januar.“

Der Parksteiner Gemeinderat (Freie Wähler) appelliert deshalb an die knapp 50 Besucher: „Jede Person, deren Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann eine persönliche Eingabe einreichen.“ Entweder über ein Online-Formular oder per Brief. „Das kann jeder hier machen.“ Nachzulesen auf der Website der Bundesnetzagentur: „Geht es um Grundsätzliches, so kann sich jeder interessierte Bürger einbringen. Potenziell Betroffene haben darüber hinaus noch weitergehende Rechte.“

Kostenexplosion und Endlosschleife

Dörte Hartmann, Sprecherin des Aktionsbündnisses Trassengegner, bringt die Zuhörer auf den neuesten Stand: „In Bayern sind die Lichter auch nach dem Abschalten der Atomkraftwerke nicht ausgegangen.“ Laut ursprünglicher Planungen hätte der Süd-Ost-Link 2022 pünktlich zum Aus der AKWs fertig sein sollen. „Damit wurde der Bau der Leitung begründet.“ Dass mittlerweile alle HGÜ-Projekte, auch der Süd-Ost-Link, längst bei Kosten und Zeitplan aus dem Ruder gelaufen sind, werde in der Öffentlichkeit nicht thematisiert.

Für die ursprünglich geplante Süd-Ost-Passage wurden im Oktober 2015 noch 1,2 Milliarden Euro veranschlagt. Heute schätzt Tennet die Kosten für den Süd-Ost-Link auf 11 Milliarden Euro. „Wenn man sieht, wie wenig sich das Unternehmen mit Folgekosten etwa durch Flur- und Straßenschäden auseinandergesetzt hat, rechnen wir mit einer weit höheren Summe.“

Dörte Hartmann, Sprecherin des Aktionsbündnisses Trassengegner. Foto: Jürgen Herda

„Profite statt Energiewende“

Die Investitionskosten insgesamt würden bis 2037 sogar 301 Milliarden Euro betragen. Die logische Konsequenz: „Da Tennet einen Freifahrtschein bei gesicherter Rendite für das Projekt besitzt, werden sich die Mehrkosten zwangsläufig auf die künftigen Stromkosten auswirken.“ Sogar Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, warne: „Durch den Wegfall der geplanten Subvention von 5,5 Milliarden Euro wird ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt 120 Euro mehr Netzentgelt im Jahr zahlen.“

Nicht die Energiewende, für die der Süd-Ost-Link gar nicht konzipiert sei, sondern die hohen Kosten erdverkabelter Megatrassen würden zu den massiven Preiserhöhungen der Netzentgelte durch die Übertragungsnetzbetreiber führen. „Die Energiewende muss dezentral erfolgen“, fordert Hartmann, die sich sicher ist: „Die Leitungen dienen einzig und allein dazu, einen Stromhandel quer durch Europa zu betreiben – da geht es um die Profite einiger weniger Konzerne.“

Erdverkabelung klingt nach minimalinvasiven Eingriff: In Wirklichkeit schlägt Tennet eine Schneise von 50 Metern Breite durch die Landschaft. Foto: Tennet

Verteilnetze statt Übertragungsnetze

Elektrotechniker Langgärtner ist überzeugt: „Das bestehende Übertragungsnetz reicht für die Versorgungssicherheit.“ Die VDE-FNN-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik 2020 habe belegt, dass die durchschnittliche Stromunterbrechungsdauer pro Kunde auf dem Rekordtief von 10,2 Minuten liegt. Dazu komme: „Der deutsche Atomstrom wurde bereits aus dem Netz genommen, Kohlestrom folgt sukzessive.“

Eine dezentrale Energiewende mit einer Vielzahl von Betreibern wie Kommunen, Stadtwerken und Bürgerenergiegenossenschaften sei ´weitaus günstiger, sorge für eine regionale Wertschöpfung und sei weniger anfällig für Sabotage und Cyberangriffe. „Wir brauchen Verteilnetze, keine Übertragungsnetze.“

Erfahrungsbericht von Landwirt Hubert Meiler. Foto: Jürgen Herda

Keine Rücksicht auf die Felder

Was von den Versprechungen Tennets zu halten sei, die bei den zahllosen Konferenzen vor Ort und in Hochglanzbroschüren betroffene Bürger und Eigentümer beschwichtigen sollten, schildert Landwirt Hubert Meiler mit einem konkreten Erfahrungsbericht: „Man hat uns versprochen, dass wir vor jeder Probebohrung von den beauftragten Firmen informiert werden und dass man selbstverständlich immer auf Flora und Fauna Rücksicht nimmt.“

Die Realität: „Ohne mich zu informieren, ist nach tagelangem Regen ein Mitarbeiter mit einem Kettenfahrzeug auf dem tiefen Boden ohne Rücksicht auf das Weizenfeld reingefahren, sodass das Kettenfahrzeug eingesunken ist.“ Zur Schadensregulierung habe sich Meiler wie bei Buchbinder Wanninger vom Landratsamt über das Wasserwirtschaftsamt, die Regierung der Oberpfalz bis Tennet und Bundesnetzagentur durchtelefonieren müssen. „Keiner wollte zuständig sein.“

Schäden auf Hubert Meilers Äckern schon nach den unangekündigten Probebohrungen. Foto: Jürgen Herda

Kostenfalle Erdleitungen

Bei einem Ortstermin unter anderem mit Torsten Grampp, Tennet-Teilprojektleiter Kommunikation, und dem Bauabschnittsleiter sei angesichts seines Fragenkatalogs deutlich geworden: „Man merkt bei den Antworten, dass das noch nicht durchdacht ist“, sagt Meiler. Allein für den 400 Meter langen Abschnitt durch die Floßbachauen müssten zum Abtransport des Aushubs rund 400 Lkw eingesetzt werden, die auf Eisenplatten fahren sollen – bei entsprechender Verdichtung des Bodens.

„Dann haben sie festgestellt, dass sich rund um Störnstein – wie der Name schon sagt – so viele Steine in der Erde befinden, dass man den Aushub in einer Aufbereitungsanlage in 9 Kilometer Entfernung erst wieder aufbereiten müsste.“ Was wäre dazu nötig? „Vielleicht 800 Lkw durch unseren Ort?“ Die daraus resultierenden Mehrkosten habe definitiv keiner auf dem Schirm. Und das bei ein paar Hundert Metern der 780 Kilometer langen Baustrecke. „Seehofer war sich nicht bewusst, was er mit den Erdleitungen ruiniert.“ Nämlich den Boden und die Kaufkraft der Bürger.

Weder Hochwasser in der Flosser Auenlandschaft, noch die Erwärmung durch die Leitungen scheinen die Tennet-Projektleiter wirklich auf dem Schirm zu haben. Foto: Jürgen Herda

Wortmeldungen der Teilnehmer

Hilde Lindner-Hausner, Bund Naturschutz, Kreisgruppe Neustadt/Waldnaab-Weiden: „Wir haben mit Bezugnahme auf die Aarhus-Konvention Klage gegen den Süd-Ost-Link eingereicht. Die wurde auch angenommen. Das Komitee tagt alle Jahre wieder, die Klagen werden aber nicht numerisch abgehandelt. Unsere war bisher noch nicht dabei. Die Aussicht, dass es sich nach dem vorgezogenen Baubeginn um einen Schwarzbau handeln kann, hat niemand geschreckt.“

Franz Löffler aus Brennberg: „Wir wehren uns gegen den Abschnitt D2. Tennet hat den vorzeitigen Baubeginn durchgesetzt. Das Gericht hat entschieden, dass die Rodung reversibel sei, weil man Bäume ja wieder pflanzen könne … Warum pressiert es jetzt so? Die Donau-Querung soll unbedingt begonnen werden, vor dem Planfeststellungsbeschluss.“

Josef Langgärtner: „Tennet beruft sich dabei auf die EU-Notfallverordnung, die eigentlich für den Bau von Windrädern vorgesehen ist.“

Karl Bärnklau, Weidener Stadtrat der Grünen: „Es ist ja auch noch ein zweites Projekt im Bau, der Ostbayernring, ein Ersatzneubau, weil man angeblich auf dem bestehenden keine Verstärkung machen kann. Der soll so stark ausgelastet sein, dass man nicht abschalten könne. Mittlerweile ist er privatisiert, und man braucht angeblich wegen der Energiewende eine Erweiterung.“

* Diese Felder sind erforderlich.