Anleitung zur Freimaurerei (1): Von den Ursprüngen bis zur Sulzbacher Loge
Hahnbach/Weiden. Die Tradition: mittelalterlich. Die Kleiderordnung: wunderlich. Die Sprache: bildhaft. Die Rituale: symbolbeladen. Die Freimaurer scheinen aus der Zeit gefallen. Die Ziele der Männer der Loge Septem Fontes im „Orient Sulzbach-Rosenberg“ aber sind zeitlos.
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Besonders, wenn er wie die Freimaurerei ein über Jahrhunderte schwer zugängliches Dickicht ist. Für die Geheimniskrämerei der Steinmetz-Meister sowie deren Gesellen und Lehrlinge in den Dombauhütten, die als Vorläufer der Freimaurer gelten, gab es gleich zwei gute Gründe, sich bedeckt zu halten.
Zum einen fürchteten die Baumeister des Mittelalters schlicht Werksspionage. Zum anderen tauschten die freien Handwerker Ideen aus, die den weltlichen und geistlichen Fürsten ihrer Epoche wenig gefallen haben dürften. „Da saßen oft exzellente Mathematiker, Naturwissenschaftler und Künstler in langen Nächten ohne die heute üblichen Ablenkungen zusammen und blickten über die Enge des Horizonts ihrer Zeit hinaus“, beschreibt Ludwig von Stern (62), Mitbegründer der Loge Septem Fontes und Kanzler der OTH Amberg-Weiden, die Wurzeln der Bruderschaft.
Namensgebend für die Loge sind die Septem Fontes, lateinisch für Sieben Quellen, südwestlich des Stadtteils Breitenbrunn von Sulzbach-Rosenberg im Breitenbrunner Tal.
Mit der rituellen Lichteinbringung am 2. April 2022 durch den Großmeister Stephan Roth-Kleyer nahm die Loge „Septem Fontes“ unter der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland ihre Arbeit auf.
Goethe: „Ungeheure Werke“
Woher aber rührt nun das geheimnisvolle Wirken der Freimaurer? Johann Wolfgang von Goethe stellt einen Zusammenhang zwischen der Geheimsprache der Steinmetze und ihren Werken, den gewaltigen Kathedralen der Dombauhütten her: „Ihre großen Vorteile: durch geheime Zeichen und Sprüche sich den ihrigen kenntlich zu machen … durch alle Grade der Geschicklichkeit dem Meister an die Hand gehend, durch Religion begeistert, durch Kunst belebt, durch Sitte gebändigt; dann fängt man an zu begreifen, wie so ungeheure Werke konzipiert, unternommen und, wo nicht vollendet, doch immer weiter als denkbar geführt worden.“
Die noch junge Sulzbach-Rosenberger Loge mit ihren rund 15 Brüdern hat dagegen wenig zu verbergen. „Wir sind eine Gemeinschaft von Brüdern, die sich der Menschenwürde, Freiheit und Toleranz verpflichtet fühlen“, beschreibt Johannes Witte (68) aus Altdorf bei Nürnberg den Geist der Vereinigung. Für den Apotheker im Ruhestand ist die Fahrt in die Oberpfalz kürzer als nach Nürnberg. Im Kern wollen Freimaurer bessere Menschen werden: „Die Arbeit an sich selbst ist die zentrale Aufgabe“, sagt Witte. „Bei unserer Arbeit im Tempel besprechen wir Themen, die uns beschäftigen.“
Offen für alle (undogmatischen) Glaubensrichtungen
Witte, seit 18 Jahren Freimaurer und längst auch Meister, stellt an sich den Anspruch, seine Werte auch im Alltag zu vertreten: „Wenn sich jemand an der Supermarktkasse fremdenfeindlich äußert, spreche ich den freundlich an und bitte ihn, darüber nachzudenken, was er da gerade gesagt hat.“ Die Reaktion darauf sei oft erstaunlich positiv. Dass die humanistischen Werte der Freimaurer nicht überall Anklang finden, versteht sich von selbst. Toleranz ist für die Freimaurer keine leere Phrase.
Die Logen sind weltanschaulich neutral, willkommen sind Menschen aller Glaubensrichtungen und politischen Ansichten, solange sie ihrerseits zur Toleranz fähig sind. „Die Freimaurerei hat in Diktaturen keine Chance und umgekehrt haben totalitär denkende Menschen bei uns keinen Platz“, verdeutlicht von Stern. Lessings Ring-Parabel, die die gemeinsame Wurzel von Judentum, Christentum und Islam verbildlicht, hat einen hohen Stellenwert – nicht zuletzt, weil Lessing selbst Freimaurer war. Eine wohltuende Sichtweise in der aufgeheizten Debatte um den Nahostkonflikt.
Großloge Nummer 1 von England
„Am 24. Juni 1717 schlossen sich in England vier Logen zur ersten Freimaurer-Großloge, der ersten Großloge von England, zusammen“, nennt Witte das offizielle Gründungsdatum der „modernen“ Freimaurerei. „Seitdem feiern weltweit alle Freimaurer den 24. Juni, den Johannistag als höchsten Feiertag.“ Die geheime Zeichensprache, die Treffen als geschlossene Gesellschaft, die tradierten Trachten und Abzeichen, die auf die handwerklichen Ursprünge zurückgehende Ideenwelt, Rituale und Symbole wecken rasch den Argwohn der absolutistischen Herrscher und Kirchenfürsten.
Die schnelle Ausbreitung der Freimaurerei führt schon im ersten Jahrzehnt in vielen europäischen Staaten zu Verboten. 1738 erlässt Papst Clemens XII. die Bulle „in emitenti“, durch die er die Freimaurer exkommuniziert. Zar Alexander I. lässt in Russland 1821 geheime Gesellschaften einschließlich der Freimaurerlogen auflösen. Sogar das freie Amerika verfolgt die Brüder besonders energisch bis 1834 – sogar eine politische Partei der „Antimaurer“ wird gegründet.
Goebbels mörderische Propaganda
Für die Nationalsozialisten stehen die Freimaurer auf der Rangliste der NS-Staatsfeinde weit oben. Propagandaminister Joseph Goebbels, ein besonders skrupelloser Verbreiter von Fakenews, erfindet eine weltumspannende Verschwörung aus Judentum, internationaler Freimaurerei und internationalem Marxismus als angebliche Bedrohung Deutschlands. Nach unbestätigten Zahlen sollen von rund 80.000 deutschen Freimaurern 62 ermordet worden sein. Durch Austritte und Verluste im Krieg bleiben bis 1945 nur etwa 8000 übrig.
„Es gab Freimaurer, die verfolgt wurden“, schildert von Stern, „wie Erich Kästner oder Thomas Dehler.“ Aber die Freimaurerei stehe nicht für beispielgebendes Heldentum. „Freimaurerlogen wurden aufgelöst, Bibliotheken geschleift, in Hamburg sogar eine Loge zerlegt, weil die Nazis glaubten, sie würden den Stein der Weisen finden.“ Selbst das Interesse Himmlers an Okkultem habe keinerlei Duldung gebracht. „Die Logen haben zwischen ihrer Auflösung 1933 und der ersten Wiedergründung nach 1945 im Regelfall 90 Prozent ihrer Mitglieder verloren“, sagt Witte.
Bekämpft von katholischer Kirche und Kommunisten
Kommunistische Staaten verbieten die Freimaurerei auf dem vierten Kongress der Kommunistischen Internationale 1922 – nur Kubas Fidel Castro verweigert sich später diesem Beschluss. In den meisten totalitären Staatsformen ist die Freimaurerei verboten. Auch die radikal-islamische Hamas verfolgt die Freimaurer. Bis heute gilt offiziell die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge als nicht vereinbar mit dem katholischen Glauben. „Es gibt tiefgläubige Brüder, die das schmerzt“, bedauert von Stern.
Freimaurer werden beschuldigt, die treibende Kraft hinter der Trennung von Staat und Kirche gewesen zu sein. In päpstlichen Bullen wird die Freimaurerei als „Kirche Satans“ bezeichnet. Das hat für einige Brüder existenzielle Folgen: „Ich bin noch geprägt von der Erfahrung aus meiner Mutterloge in Passau“, sagt von Stern. „Ein Bruder war Architekt, der hauptsächlich von Kirchenaufträgen gelebt hat. Als bekannt wurde, dass er Freimaurer ist, wurde dem die wirtschaftliche Basis entzogen.“
Anleitung zur Freimaurerei (2): Erkenne dich selbst! Lesen Sie in der nächsten Folge der fünfteiligen Serie
Kleine Geschichte der Freimaurer und ihrer Verfolgung
Gegenüber den in Zünften organisierten städtischen Handwerkern waren die in den Hütten der Kirchen beschäftigten Steinmetze benachteiligt. Zum Herumziehen gezwungen, wenn die Hütte bei Bauabschluss aufgelöst oder bei Geldmangel geschliffen wurde, schufen sie sich um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine überregionale Ordnung. Diese Organisation wurde in Speyer und Straßburg debattiert und am 25. April 1459 in Regensburg von 19 Meistern und 21 Gesellen beschlossen. Mit dabei so bedeutende Baumeister wie Hans Böblinger aus Esslingen, Vincenz Ensinger aus Konstanz, Stephan Hurder aus Bern, Peter Knebel aus Bern und Jost Dotzinger aus Straßburg.
Der Begriff Freimaurer bezieht sich wahrscheinlich auf die Steinbildhauer oder Bauplaner der Bauhütten, die freestone-masons. Eine Loge wird bereits im Jahre 1278 in einer Urkunde über den Bau der Vale Royal Abbey erwähnt. Die Bezeichnung Freemason (Freimaurer) findet sich zum ersten Mal in Dokumenten der Kathedrale von Exeter von 1396. Als älteste Freimaurerloge der Welt gilt die Lodge of Edinburgh (Mary’s Chapel) No. 1 in Schottland, die als Gründungjahr 1599 angibt.
Am 24. Juni 1717 schlossen sich in England vier seit Jahren bestehende Logen zur ersten Freimaurergroßloge, der ersten Großloge von England, zusammen – offizielles Gründungsdatum der „modernen“ Freimaurerei. Auf die schnelle Ausbreitung der Freimaurerei reagieren weltliche und geistliche Herrscher mit Verboten. Die Maurerei wurde in Neapel 1731, in Polen 1734, in Holland 1735, in Frankreich 1737, in Genf, in Hamburg, in Schweden und von Kaiser Karl VI. in den österreichischen Niederlanden 1738 sowie in Florenz 1739 untersagt. Am gnadenlosesten ging die spanische und portugiesische Inquisition gegen Freimaurer vor. Zar Alexander I. ließ in Russland 1821 auch die Freimaurerlogen auflösen. Sogar das freie Amerika verfolgte die Brüder.
In einer Brandrede verunglimpfte Joseph Goebbels die angeblich weltumspannende Verschwörung aus Judentum, internationaler Freimaurerei und internationalem Marxismus als Bedrohung Deutschlands. Nach unbestätigten Zahlen sollen von rund 80.000 deutschen Freimaurern 62 ermordet worden sein. Durch Austritte und Verluste im Krieg blieben bis 1945 nur etwa 8000 übrig.
Kommunistische Staaten verboten die Freimaurerei seit dem entsprechenden Beschluss des vierten Kongresses der Kommunistischen Internationale 1922. Einzige Ausnahme der kommunistischen Staaten bildet Kuba, wo seit 1859 die reguläre und anerkannte Großloge Kubas mit im Jahr 1996 gezählten 314 Logen und etwa 23.000 Mitgliedern arbeitet. In den meisten totalitären Staatsformen ist die Freimaurerei verboten, wie in den meisten islamisch regierten Staaten. Vor allem die radikal-islamische Hamas verfolgt die Freimaurer.
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