Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Wandeln auf Baden-Powells Spuren…

Nordoberpfalz. Das Schwelgen in schönen Kindheitserinnerungen ist keine altmodische Schwärmerei – diese Prägungen und vermittelten Werte könnten der Kitt sein, der unsere Gesellschaft vielleicht doch noch etwas zusammenhalten könnte. Eine Glosse.

Liebevolles Erinnern an die Lagerfeuerromantik. Foto: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber

Es gibt Jugenderinnerungen, die kann und darf man nicht vergessen. Vor allem darf man sich diese nicht von Miesepetern und -petras kaputt reden lassen. Der Mix aus schönen Erinnerungen und Lebenserfahrung kann einen Menschen prägen und auch immer wieder motivieren. Deshalb sollte es doch auch eines unserer höchsten Ziele sein, so schöne Erinnerungen bei den Kindern einpflanzen. Das nennt man dann gesellschaftliches Engagement oder schlicht und einfach „Mensch sein“ – das erfüllt, zumindest theoretisch. Der Großteil meiner Mitmenschen scheint da anderer Meinung zu sein beziehungsweise hat da zwischen Urlaubsplanung, Neid, Missgunst und Grünenbashing keine Zeit. Außerdem müsste man hierfür auch noch kurz von seinem depperten Handy aufschauen: Ergo altmodisches Zeug, das nicht mehr dem Geist der Zeit entspricht.

Werte, die es wert sind

Nachdem braun ja in erschreckender Art und Weise wieder en vogue zu werden scheint, möchte ich mich auch an meine „Uniformzeit“ zurückerinnern. Nicht an die zehn Monate Bundeswehr, denn das war dort, wo ich stationiert war, eher ein Zivildienst in bequemer Funktionskleidung. Es geht um etwas anderes, um die wunderbare Zeit bei den Pfadfindern. Was sind das doch für schöne Erinnerungen und was war und ist das ein stabiles und vielfältiges Rüstzeug fürs Leben.

„Doch der wahre Weg, Glück zu erlangen, besteht darin, andere Menschen glücklich zu machen. Versucht, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als ihr sie vorgefunden habt.“ Appell des Gründers Robert Baden-Powell an alle Pfadfinderinnen und Pfadfinder

Mir geht immer wieder das Herz auf, wenn ich die jungen Leute der Pfarrjugend sehe, die in meiner Heimatgemeinde (St. Josef, Ziegetsdorf/Regensburg) beim jährlichen Bauerntheater die Bewirtung übernehmen und so ihr Zeltlager finanzieren. Absolute Klasse, geht doch! In dieser Woche erschien bei OberpfalzECHO auch ein Beitrag über den Zulauf bei den Kinderfeuerwehren (hier), auch hier ein entschiedenes „Daumen hoch!“ Das alles macht mir Hoffnung, das macht mir Mut, dass in unserer Gesellschaft noch nicht alles ganz verloren ist.

Das Pfadfindergesetz der DPSG (Auszug)

Als Pfadfinderin und Pfadfinder …

  • … begegne ich allen Menschen mit Respekt und habe alle Pfadfinder und Pfadfinderinnen als Geschwister.
  • … gehe ich zuversichtlich und mit wachen Augen durch die Welt.
  • … bin ich höflich und helfe da, wo es notwendig ist.
  • … mache ich nichts halb und gebe auch in Schwierigkeiten nicht auf.
  • … entwickle ich eine eigene Meinung und stehe für diese ein.
  • … sage ich, was ich denke, und tue, was ich sage.

Trotzdem stelle ich fest: Was immer mehr verloren zu gehen droht, sind unsere Werte und dabei ist nicht die Immobilienbewertung der Toskana-Villa mit dem liebreizenden Steingarten gemeint. Unvergessliche Kontakte zur Natur, zu interessanten Menschen und zu dem, was doch eigentlich wirklich wichtig ist – das und vieles mehr scheint leider heute wenig bis gar nicht mehr zählen,

ja, aber – der Zeit(un)geist meldet sich zu Wort

Ich kann mir bildlich vorstellen, was mein Deutscher Michel bei der Lektüre des Pfadfindergesetzes für eine Fresse zieht – genau die gleiche wie beim Lesen des Grundgesetzes. Kaum regt man mal so etwas auf der moralischen Metaebene an, schon krähen sie wieder, die Totenvögel unserer Gesellschaft. Erinnert ihr euch an die Dementoren aus Harry Potter? Seelenlose Wesen, die einem die guten Erinnerungen und die Seele aussaugen? Wir begegnen ihnen jeden Tag.

Diese Leute kommen gerade von einem wunderbaren, aus der Portokasse bezahlten Musicalwochenende aus Hamburg, machen aber ein Gesicht, wie wenn sie gerade die „Große Hafenrundfahrt“ (einmal Darmspiegelung mit allem) hinter sich hätten. Ja, mit denen macht es richtig Spaß, im Aufzug stecken zu bleiben.

Donnerbalken statt Sanifair: Diese Leute sind immer auf der Jagd nach der perfekten Freizeitgestaltung, immer unterwegs in Sachen Work-Life-Balance und daraus resultierenden Bildern für die sozialen Medien, aber was ist das schon gegen die unendliche Freiheit im Zeltlager mitten im Wald auf dem Donnerbalken zu sitzen? Zugegebenermaßen eine These, über die man diskutieren kann. Aber auf dem Donnerbalken zu hocken ist auf jeden Fall besser, als mit dem Deutschen Michel Zeit im Fahrstuhl zu verbringen. Fertig.

Wir sollten schon darauf achten, wie wir leben, gestalten und lieben, um rückblickend auch dieses Waldläuferzeichen setzen zu können: „Ich habe meine Aufgabe erfüllt und bin nach Hause gegangen.“ Fotomontage: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber

Mut hat viele Gesichter ich hoffe, ich habe den Mut, in Sachen „Gesellschaft“ weiterhin so naiv zu sein. Ich bin jetzt fast 50 Jahre alt und werde nicht erlauben, dass mir solche Leute das letzte bisschen Kindsein aus dem Mark saugen.

Aufruf zum „Aufstand der Anständigen“

Im Jahr 2024 steht unsere Gesellschaft und auch unsere Demokratie vor einer Zerreißprobe. Was herrscht doch für ein gellendes Pfeifkonzert, die Rattenfänger flöten in den grellsten Tönen – vom braunen Rand über die skurrilsten Gruppierungen an Verschwörungstheoretikern und Gscheidhaferln bis zu denen, die der Überzeugung sind, dass ihre heiligen Schriften über dem Grundgesetz stehen. Schon vor einigen Jahren wurde groß ein „Aufstand der Anständigen“ herausposaunt, was aber schnell wieder in der Mottenkiste verschwand. Ich denke, 2024 ist die Zeit für diesen Aufstand.

Pfadfinder, Ministranten, Eltern, Onkel und Tanten, Opas und Omas, Lehrer und Erzieher, Feuerwehrkommandanten, Ehrenamtliche, Trainer, demokratische Politiker, Journalisten, Gewerkschafter und alle Menschen, die ihre Kindheitserinnerungen und daraus resultierende Werte nicht einfach aufgeben wollen, müssen jetzt unterhaken und diesen Feinden der Demokratie wehrhaft entgegen schmettern:

Ihr bekommt unsere Kinder nicht!

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