Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Wo is Vogi?

Nordoberpfalz. Manchmal hat man gelinde gesagt den Eindruck, dass die Menschheit nicht wirklich gescheiter geworden ist – oder anders ausgedrückt: Haben wir jetzt alle schön langsam einen Vogel? Eine Glosse.

Ja hamma denn alle einen Vogel oder was? Foto: OberpfalzECHO/Andrea Schreiber

Ich habe tatsächlich zum Jahresbeginn versucht, einmal in diesem Format eine optimistische, positive Glosse zu erstellen und tatsächlich würden mir schon einige positive Gegenbeispiele zu üblichen Nörgelei über den Zustand unserer Gesellschaft einfallen. Ein buntes Füllhorn an Beispielen aus allen Lebensbereichen zeigt jedoch, wohin die Fahrt geht und wie sehr wir passend zur Überschrift menschlich und geistig schon Federn gelassen haben. Oder kurz zusammengefasst: Der glaubt, er ist ein Adler, ist aber in Wirklichkeit bloß „a alte Hanghehna“.

Wenn man früher sagte „der hat a bisserl an Vogel“, dann musste das nicht zwingend etwas Schlimmes sein: exzentrisch, knuffig, a gaache Wurzn, vielleicht sogar ein Paradiesvogel – auf jeden Fall irgendwie interessant. Lang, lang ist es her, denn der Vogi hat die Metaebene erreicht. Wohin driftet unsere Gesellschaft?

Vogelkot auf dem Grundgesetz

Der Herrgott hat einen großen Tiergarten und sowohl bei den Vogis als auch beim Homo Sapiens gibt es Extreme. Ob man angesichts der Silvester-Ausschreitungen in zahlreichen deutschen Großstätten noch so ein nettes Bild wie einen Vogel verwenden kann? Und was hat letztendlich den größeren Vogel – der Vorfall an sich oder die Phrasen drumherum?

Mir fehlt dabei die ironische Fantasie, wenn dann hinterher wieder die Stimmen erklingen: „Da muss die Polizei härter durchgreifen!“ Was sollen denn die Beamtinnen und Beamten bitteschön in der konkreten Situation machen, wenn ihnen dieser Mob gegenüber steht und sie als Ausgangssituation mit einem Bein im Krankenhaus, mit dem anderen vor Gericht stehen? Eine Bankrotterklärung unserer Gesellschaft, da kreist der demokratische Pleitegeier drüber.

So höflich und gesellig wie der Waldrapp

Blicken wir trotzdem weiter in die Welt der Ornithologie. So wie es in unserer Gesellschaft leider immer weniger nette Menschen gibt, ist auch dieser freundliche Geselle leider fast ausgestorben, dabei könnten wir noch soviel von ihm lernen. Zum Verhalten des Waldrapps gehört nämlich ein ausgedehntes Begrüßungsritual. Nach der Landung auf dem Brut- und Ruhefelsen werfen Männchen wie Weibchen den Kopf mit aufgestelltem Schopf in den Nacken und verbeugen sich dann unter lauten Chrup-Chrup-Rufen voreinander. Dabei wird dem Gegenüber die individuelle Kopfzeichnung präsentiert. Zwischen rivalisierenden Männchen kann es zu lediglich zu Schnabelkämpfen kommen, dabei wird jedoch kein Vogel verletzt.

Was für eine Ausdauer – warum sich also nicht mal den Kolibri aus Vorbild nehmen? Der Kolibri behauptet sich in seiner kleinen Welt, mit einer riesigen Schlagfrequenz ist er stets unterwegs und saugt den süßen Nektar.

Wachsen, verbrennen, wieder wachsen …

Der Phoenix ist, wenn auch nur ein Fabelwesen, ein vorbildlicher Vogi. Wie oft habe ich mich schon über den Egoismus und den Verfall von Anstand & Co. echauffiert, manchmal kann ich diesem Rückzug in den privaten Egoismus verstehen. Und dann möchte ich mich Gott sei Dank wieder über den Verfall und den Raubbau unserer Gesellschaft wieder aufregen. Ruhepausen sind erlaubt, verzweifelte Episoden auch, man ist schließlich nur Mensch, aber am Ende muss man wieder aufstehen. Phoenix aus der Asche halt.

Der Sperber – ein hinterfotziges Luder

Hätten sie Finger, waren die Sperber sicherlich in den sozialen Medien aktiv. Denn auch in freier Wildbahn nutzen sie die anonyme Deckung, um ihre Beutetiere – überwiegend kleine Vögel – aus dem bodennahen Flug aus in einem kurzen, schnellen Verfolgungsflug im bodennahen Luftraum zu jagen. Sperber sind bei der Jagd außerordentlich wendig; sie können die Flugrichtung fast im 90-Grad-Winkel wechseln und sich in der Luft beinahe auf der Stelle um 180 Grad drehen. Für das menschliche Auge sind diese Manöver oft nicht mehr auflösbar und erinnern zum Teil an Querschläger. Und wieder greift das Bild, solche Verhaltensweisen bedienen sich in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen.

Einer flog über das Kuckucksnest

Zum Abschluss die Auflösung zur Überschrift – wo kommt die denn eigentlich her? Aus der Feder (passend zum Thema) eines großen Meisters:

Ich hab mich etwas durchgeklickt – scheinbar sind alle Vogis, die irgendwie cool sind auch äußerst gesellig und in der Gruppe sozial und solidarisch. Das schließt ja schon fast aus, dass die meisten meiner Mitbürger einen Vogel haben. Also bleibt im närrischen Umkehrschluss, dass ich einen Vogel habe. Macht nichts, Hauptsache nicht langweilig.

Vielleicht können wir dem um sich greifenden Vogi auch wie einst Jack Nicholson im brillanten Filmklassiker mit Humor, Coolness und auch einem Schuss Bockboanigkeit begegnen. Irgendwas müssen wir schließlich tun …

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