30 Jahre Welterfolg: BHS Corrugated und Weiherhammer im „Wellengang“ gemeinsamer Geschichte

Weiherhammer. Über 300 Jahre Industriegeschichte, 30 Jahre BHS Corrugated: mehr als nur die Erfolgsstory eines Global Players. Autor Otmar Braun beschreibt in „Wellengang“, wie sich Ort und Unternehmen im Gleichschritt entwickelten. Aus zutiefst menschlicher Perspektive.

Buchpräsentation von „Wellengang“: BHS-Geschäftsführer Lars (links) und Christian Engel (Zweiter von rechts), Buchautor Otmar Braun (Zweiter von links) und Fotograf Lothar Kraus. Foto: BHS

Weiherhammer und die Bayerischen Berg-, Hütten- und Salzwerke (BHS), vormals ein formidabler Staatskonzern, gehören zusammen wie Weiher und Hammer. Beide sind ohne das jeweils andere nicht zu denken. Am Anfang steht der Hochofen, den Herzog Theodor Eustach von Pfalz-Sulzbach 1717 errichten ließ, weil die Steinpfalz zwar arm an guten Böden, aber reich an Holz war – der Beginn der Industrialisierung der nördlichen Oberpfalz.

„Viele Namen zeugen von dieser Geschichte mit dem Hammer im Ortsnamen“, sagt Autor Otmar Braun, „Grünhammer, Hammerharlesberg, Hammerles, Neuenhammer, Peugenhammer – immer am Wasser gelegen.“ Der Reichtum des „Ruhrgebiets des Mittelalters“, Wasser und Holz: „Sie machten das Schmelzen und Schmieden erst möglich.“ Der Handel blüht an Standorten mit vorindustrieller Prägung wie Weiherhammer, der bereits mehr Arbeiterwohnort als Bauerndorf ist. Glück auf!

Engel-Geschäftspartner Edmund Bradatsch (von links), Buchcover „Wellengang“, Herzog Theodor Eustach von Pfalz-Sulzbach. Fotos/Collage: BHS/jrh

Das Werk war immer Dorfgespräch“

Das Besondere an Brauns Jubiläumsband: Vieles in dem zum Teil poetischen, reich bebilderten Buch ist aus der Perspektive von Arbeiterfamilien geschrieben. Die rußgeschwärzte Hüttenromantik lernt der frühere Lehrer und spätere Schulamtsdirektor als Studentenjobber selbst kennen: In der Putzerei, wo er für schwer schuftende Arbeiter Bier und Leberkäs’ holt. „Ich bin hier geboren, habe das Neben- und Miteinander von Ort und Werk hautnah mitbekommen – das Werk war immer Dorfgespräch.“

Es habe kaum Familien gegeben, in der nicht mindestens einer oder eine bei BHS beschäftigt gewesen wäre. „Meine großen Brüder waren dort, deren Söhne und Enkel, die Nachbarn, alle teilten die täglichen Sorgen: ,Haben sie noch genügend Aufträge?’.“ Braun jobbt in der wahrscheinlich schmutzigsten Abteilung des Werks: „Aber ich habe gutes Geld verdient, in der Woche 100 Mark.“ In einer Zeit, als das Seidel Bier noch 50 Pfennig kostet. „Ich weiß noch, als der Dorfwirt bedauernd sagte, ich muss ein Fünferl mehr verlangen.“

Nostalgische Erinnerungen: Gasthaus zur Hüttenschenke. Foto: BHS

Von Schmids Hüttenschule zu Bauers ÜBZO

Mit dem Werk hat sich auch der Ort im Laufe der Jahrzehnte verändert – von der geschäftigen Hauptstraße zum mondänen Hotel am See, von der Hüttenschenke zum „NEWs“ und „Elements“, vom Krämerladen der Lene und dem Lenkhäusl zum GKS, von Franz Xaver Schmids Hüttenschule zum ÜBZO von Professor Dr. Erich Bauer. „Hier am Ostufer waren die Arbeitswelt und die Beamtenhäuser, ab 1927 die Aktiengesellschaft“, erzählt Braun, „drüben die Wohnwelt.“

Erst ab 1934 hießen beide Ortsteile hüben wie drüben Weiherhammer. „Am Westufer entlang sieht man den Wandel deutlich. Wir hatten 34 Geschäfte, Handwerksbetriebe, Krämerläden, das Wirtshaus – die sind heute fast alle weg.“ Geblieben sind eine Bank, ein Ärztehaus, das Backhaus Kutzer, Edeka und Norma.

So bescheiden steht das Werk noch 1958 am anderen Ufer. Foto: BHS

Gewellt wie der Weiher und Wellpappe

In Wellen habe sich die Entwicklung von Weiherhammer und dem Werk vollzogen: „Gewellt wie der Weiher im Wind“, gewellt wie Wellpappe. „Kein Wellengang verläuft wie gedacht. Oft bilden sich reißende Strudel: Strukturwandel, Wirtschafts- und Währungskrisen, Klimaveränderungen, Pandemien, Kriege.“ Sie machten es nötig, umzudenken und beweglich zu bleiben: „Und diese enorme Beweglichkeit ist es, was auch die neuere Geschichte der BHS Corrugated auszeichnet.“

So wie Hüttenmeister Franz Xaver Schmid nach der radikalen Rodung der Oberpfälzer Wälder in den 1830er Jahren als erster in Deutschland Torf als Brennmaterial verwandte, erkannte Paul Engel, Vater der heutigen Geschäftsführer, das Ende des Geschäftsmodells mit Gießereiprodukten: „Ein Kilo Guss kostet 30 Pfennige, das Kilo Wellpappe aber 40 D-Mark.“ Dabei konnte er noch nicht wissen, welchen Siegeszug das Material antreten würde, für dessen Herstellung er gigantische Anlagen bauen ließ. „Ahnt er schon, dass es die Menschen in naher Zukunft vorziehen werden, ihre Einkäufe bequem über Lieferdienste abzuwickeln“, schreibt Braun. „Dass dadurch täglich Millionen von Paketen weltweit unterwegs sein werden, bestehend aus der Wellpappe, die auch Maschinen der Firma am Weiherufer produzieren kann?“

Wie futuristisch dagegen das wellenförmige Lifecycle-Building heute. Foto: BHS

Urlaub in Fabrikhallen

Work-Life-Balance ist für den Gründer von BHS Corrugated, der den Unternehmensteil aus dem privatisierten Staatskonzern von der VIAG herauskauft und zusammen mit Edmund Bradatsch auf Erfolgskurs bringt, ein Fremdwort. Paul Engel, geboren bei Marienbad, BWL-Studium und Geschichtsinteresse, lässt selbst auf Reisen mit der Familie keine Wellpappen-Fabrik aus. „Wir kannten das nicht anders“, erzählt Christian Engel, „wenn wir nach Italien fuhren, blieb er bei jedem Werk stehen. Wir fanden es als Kinder spannend, durch die Fabrikhallen zu rennen.“ Freundschaften mit Kindern von Kunden seien so gewachsen: „Ich wurde sogar Trauzeuge von einem.“

Für seinen kongenialen Partner Edmund, geboren im mittelböhmischen Velenice, Handelsschule und Maschinenbaustudium in München, endet der Horizont nicht am Werkstor. „Die beiden waren zwar Workaholics, aber dennoch sehr lebenslustig“, erzählt Christian Engel. „Sie haben es sich gut gelassen.“ Bradatsch habe ihm etwa Kunst nähergebracht: „Als wir einmal einen Flieger verpassten, ist er mit mir den halben Tag durch das Amsterdamer Van-Gogh-Museum gelaufen: ,Er konnte zu jedem Bild eine Geschichte erzählen, was Vincent dabei gedacht, welche Briefe er dazu verfasst hat.’“

Wenn der Vater mit den Söhnen: Paul (Mitte) mit Christian (links) und Lars Engel. Foto: BHS

Hommage an die fleißigen Oberpfälzer

Aber nicht nur die genialen Konstrukteure will der Buchautor würdigen: „Den Zugang zum Thema fand ich in einem Interview mit Christian Engel, der sagte: ,Die Fähigkeit der Menschen, die hier leben und arbeiten, mit der Zeit zu gehen, zeichnet diesen Standort mit über 300 Jahre Geschichte aus.‘ Das lässt aufhorchen. Nicht die Erfolgsprodukte des Marktführers nennt er, nein, er sieht in erster Linie die Menschen.“

„Wellengang“ ist eine Hommage an die Oberpfalz, deren Bewohner und ihren sprichwörtlichen Fleiß und Einsatzbereitschaft. Sie kommen ausführlich zu Wort. Der fast 90-jährige Alfons Bogner, der rund 50 Jahre im Werk gearbeitet und gelebt hat und für den BHS mit dem Blick auf den Weiher Heimat bedeutet: „Bei uns is fei schäi!“ Frühere Hüttenmeister, Werksleiter und Geschäftsführer genauso wie Lars und Christian Engel mit ihrer Vision.

Moderne Wellpappenanlage von BHS Corrugated. Foto: BHS

Ein bisschen besser als erwartet“

„Wir wollen mit der permanenten Verbesserung unserer Wellpappenanlagen den CO₂-Fußabdruck unserer Kunden signifikant reduzieren“, sagt Christian Engel. Weniger Papierverbrauch, leichteres Material, geringerer Energieverbrauch – das sind Ziele von BHS Corrugated. Und für Lars Engel, der den Geschäftsbereich Strategisches Kundenmanagement verantwortet, ist es der Auftrag „ein bisschen besser als erwartet“ zu sein. Ein Zitat des anspruchsvollen Richard Pratt, den er bei seinem Aufenthalt in Weiherhammer und Tachov so begeistert, dass heute mehr als 30 Wellpappenanlagen in Australien und den USA von BHS Corrugated laufen.

Bill Gates bekämpft mit seiner Stiftung Armut, Elon Musk will den Mars besiedeln, die Engels haben die LUCE-Stiftung und „Angels for Children“, wollen die Bildungsregion Oberpfalz schaffen und bieten Deutschkurse für geflüchtete Ukrainerinnen. „Ich bin der Ansicht, dass sich der Unternehmer über die Grenzen seines Unternehmens hinaus einsetzen muss.“ Das hätten die Eltern und Edmund Bradatsch vorgelebt. „Wir tragen diese Verantwortung weiter.“

Ottmar Braun schildert die Erlebniswelt der globalisierten Mitarbeiter beim Schlangenmenü in Shanghai, Carneval in Rio, auf Safari in Afrika, bei einem Sturm in Russland, wo man Maschinen abgeladen hat – das Buch atmet menschliche Neugier und Weltoffenheit. Grafik: BHS

BHS im Wandel der Jahrhunderte

  • 1717: Herzog Theodor Eustach von Pfalz-Sulzbach lässt einen Hochofen errichten.
  • 1836: Das Holz geht zur Neige, Hüttenmeister Franz Xaver Schmid nutzt als erster in Deutschland Torf als Brennmaterial und rettet so nicht nur den Standort, sondern vervierfacht dessen Produktivität. „Das Geheimnis des Erfolgs, sagte mir Christian Engel, ist die Fähigkeit der Menschen hier im Werk, mit der Zeit zu gehen“, erklärt Autor Otmar Braun. „Wenn das Holz zur Neige geht, nehmen wir eben Torf, entwickeln ein neues Verfahren, und werden damit Vorbild für ganz Europa.“
  • 1863: Der der bayerische Handelsminister Gustav von Schlör setzt Weidens Eisenbahnanschluss samt Gründung der Ostbahngesellschaft und Lückenschluss bis Nürnberg durch. Die Folge: Hochkonjunktur auch für Handwerk und Handel am Ort. „Damit wurde die Region mobil“, sagt Braun.
  • 22. April 1945: BHS-Direktor Richard Haberl lässt Weiße Fahnen vom Dach des Hüttenwerks wehen und rettet damit trotz der Nazi-Durchhalteparolen Werk und Dorf vor der Zerstörung. „Es grenzt bis heute an ein Wunder“, sagt Braun, „beim geringsten Widerstand hätten es die Amys zusammengeschossen.“
  • Aufschwung nach 1948: Wieder ein konjunktureller Wellengang hinauf bis in die 1960er, dann der Abschwung bis in die 1980er in der Folge des Aufstiegs der Kunststoffproduktion. „Der wirtschaftliche Erfolg nach dem Krieg ging einher mit dem Zuzug der vielen Heimatvertriebenen, für die das Werk Arbeiterhäuser baute“, sagt Braun. „Die meisten dieser Häuser stehen heute noch in und um den Ort“, ergänzt Christian Engel.
  • 1959: Wandel als Erfolgsrezept – Paul Engel und Maschinenbauingenieur Günter Lau erfinden die BHS als Hersteller von Wellpappenmaschinen neu.
  • 1969 bis 1990: Ingenieur Edmund Bradatsch von der TU München stößt zur BHS-Mannschaft. In den nächsten zwei Jahrzehnten entwickeln die Konstrukteure verschiedene Reihen von Wellpappenmaschinen – von der Super-Anlage der S-Reihe über die „Noch besser“ der N-Reihe bis zur rationalisierten R-Reihe.
  • 1991: Der Freistaat verkauft die BHS-Werke an den VIAG-Konzern. Im Mai 1993 stellt Vorstandsvorsitzender Georg Obermaier Paul Engel vor die Alternative: Kaufen oder schließen. „BHS war damals das Paradebeispiel eines staatlichen Konzerns, also doppelt schwierig.“ Man habe es tatsächlich fertiggebracht, mit einem Konglomerat aus Salzbergwerken, Chemie und der Getriebeproduktion so erfolglos zu wirtschaften, dass es privatisiert werden musste. „Mein Vater hat das hautnah unter unserem letzten Betriebsleiter Johann Mayer mitbekommen, der die Situation schonungslos beschrieben hat: ,Wenn wir unsere Arbeiter statt in die Gießerei zum Schafkopf schicken und obendrein auch noch das übernehmen, was sie verspielen, so kommt uns das unterm Strich billiger, als wenn wir den Gießereibetrieb weiter aufrechterhalten.‘“ Dass BHS dann an die Familie Engel gegangen sei, war ein „großer Glücksfall“. Man könnte sich heute, nach 30 Jahren, auch Konzernstrukturen geben: „Aber das wollen wir eigentlich nicht, wir wollen Familienunternehmen bleiben.“
  • 1. August 1993: Die Familien Engel und Bradatsch gründen die BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH. Corrugated kurz für Corrugated Card oder Board bedeutet Wellpappe bzw. Wellkarton.
  • 1994: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nimmt BHS Corrugated die Produktion im westböhmischen Tachov auf. „Wir waren zu diesem Zeitpunkt auch in den neuen Bundesländern unterwegs“, blickt Christian Engel zurück. „Ausschlaggebend war, dass wir dort kulturell ähnliche Menschen vorfanden.“ BHS-Produkte seien damals viel zu teuer und international nicht wettbewerbsfähig gewesen. „Mein Vater, bei dem auch eine Rolle gespielt haben mag, dass er in der Nähe von Marienbad geboren worden war, sagte: ,Wir brauchen nicht in die Tigerstaaten zu gehen, unser Korea ist Tschechien.‘ Das war der erste Schritt, um den Anlagenbau wieder wettbewerbsfähig zu machen.“ Die Produktivität sei schnell gestiegen. „Man hat uns immer prophezeit, die Lohn-Schere wird sich schnell schließen“, sagt Engel. „Tatsache ist, Tschechien ist noch immer unser lohngünstigster Standort.“ Konflikte mit dem Hauptsitz habe es nie gegeben: „Unsere strikte Policy war, tschechische Mitarbeiter bleiben in Tschechien, so gab es keinen Zank.“
  • 1995 bis heute: Permanente Innovation hat BHS Corrugated innerhalb von drei Jahrzehnten zum Marktführer gemacht. Als Christian und Lars Engel die Geschäftsleitung übernahmen, stand das Unternehmen weltweit noch auf Platz 10, heute ist es mit Abstand die Nummer eins. Hunderte Entwicklungsprojekte führten zur preiswürdigen Vereinfachung, Beschleunigung, Verbilligung, Elektrifizierung und Digitalisierung, zur Kommunikation der Anlagen miteinander und zum Bedrucken der Pappe während des Produktionsprozesses, zur Robotik mit dem Potenzial zur KI. Die verschiedenen Wellpappenlinien für die verschiedensten Marktsegmente haben die Marktführerschaft weiter gestärkt: „Man kann sagen, BHS Corrugated ist so etwas wie Mercedes für Wellpappenanlagen – von der A- über die S-bis zur V-Klasse, für alle Bedürfnisse.“
  • Zukunftsmusik: „Von der KI-Anwendung sind wir noch weit entfernt“, sagt Christian Engel. „In diesem Umfeld wird es schwierig, solange Deutschland dazu neigt, neuen Technologien immer neue Steine in den Weg zu legen.“ Man arbeite aber an allen erfolgsversprechenden Technologien wie dem Digitaldruck und der Robotik weiter. „Weltweit gibt es zu wenig Menschen, die arbeiten“, erklärt er. „Die Lösung ist, menschliche Arbeit so zu rationalisieren, dass man zum gleichen Ergebnis kommt.“ Der Aufstieg von Amazon habe sich für seine Branche bisher als vorteilhaft erwiesen. Mit dem wieder eingegliederten BHS Services führe man heute das gesamte Geschäft nach Lifecycle-Gesichtspunkten. Die nächste Generation werde behutsam ans Unternehmen herangeführt: „Mein Bruder und ich haben zwei und vier Kinder, alle zeigen Interesse.“ Man versuche Vorbild zu sein: „Sie kommen bei uns aber nicht auf die Idee, dass man mit wenig Arbeit weiterkommt.“ Die GenZ, wie er sie wahrnehme, erwarte nicht weniger Arbeit, sondern ein höheres Maß an Flexibilität: „Sie wollen festlegen, wann sie wie arbeiten.“
  • Deine Zukunft: BHS Corrugated ist auf der Suche nach Auszubildenden und Dualen Studenten. Lust auf Karriere bei einem Global Player?

* Diese Felder sind erforderlich.