Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Die etwas andere Weihnachtspredigt

Nordoberpfalz. Die Welt findet auch zum Fest der Feste keine Ruhe mehr, unsere Gesellschaft ist immer mehr am Durchdrehen. Ich glaube, es ist Zeit für eine Weihnachtspredigt. Eine Glosse.

Foto: Andrea Schreiber/OberpfalzECHO
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Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde, wenn ihr mal kurz vom Handy aufblicken würdet, ich hätte euch etwas zu sagen. Ihr begeht also auch in diesem Jahr wieder das Fest der Liebe, der gegenseitigen Achtung, der Entschleunigung und der Besinnung auf das Wesentliche. Schmarren, ihr feiert selbstverständlich Weihnachten. Und mit der obligatorischen Kapitalismus- und Konsumkritik ist es inzwischen einfach nicht mehr getan.

Mal kurz bei Wikipedia reingeschaut

Weihnachten, auch Weihnacht, Christfest oder Heiliger Christ genannt, ist im Christentum das Fest der Geburt Jesu Christi. Festtag ist der 25. Dezember, der Christtag, auch Hochfest der Geburt des Herrn (lateinisch Sollemnitas Nativitatis Domini oder In Nativitate Domini, dessen Feierlichkeiten am Vorabend, dem Heiligen Abend (auch Heiligabend, Heilige Nacht, Christnacht, Weihnachtsabend), beginnen. Weihnachten wird meist in der Familie oder mit Freunden und mit gegenseitigem Beschenken gefeiert, Bescherung genannt.

Alles klar, da wissen wir jetzt Bescheid, das hätte man ja fast vergessen, im Rahmen der guten deutschen Weihnacht. Aber werden wir wirklich ein gutes und schönes Weihnachten haben? Das wissen wir leider erst hinterher, wenn der Einzelhandelsverband seine Zahlen herausgegeben hat. Man muss kein Betriebswirtschaftler sein, um weiszusagen, dass sich vermutlich der Versandhandel nicht beschweren kann. Aber die schönen kleinen Läden, die echten Einzelhändler? Da haben wir keine Zeit dafür, außerdem sind die ja viel teurer. Man ist ja gerne mal solidarisch, aber muss denn eine Solidarität immer ein Geld kosten?

Die Vergartenzwergung unserer Gesellschaft

Unsere Gesellschaft schlittert auf den Abgrund zu, gerade noch ist Zeit um vielleicht umzukehren. Ob das gelingen wird? Ich bin da relativ skeptisch, denn wie heißt es schon beim Brandner Kaspar: “An diesem Volksstamm magst zerschellen.”

Wen interessiert schon der Raubbau an der Natur, an unseren Werten, am Anstand, an der Zukunft unserer Kinder? In unserem Hamsterrad haben wir weder Zeit, Lust oder die zusätzliche Energie, um uns auf das Wesentliche zu besinnen. Neid und Missgunst, dazu die sprichwörtliche “German Angst” stehen zwischen uns und einem besinnlichen Weihnachtsfest. Kapazitäten für eigene schöne Weihnachtserinnerungen sind dabei ebenso wenig vorgesehen wie das Bestreben, den Kindern solche einzupflanzen, auf dass sie sich eines Tages wohlig warm daran erinnern könnten.

Überhaupt die Sache mit den Kindern – wie war das eigentlich mit der Pisa-Studie, war da nicht mal was? Ach was, die wurde doch schon am 5. Dezember veröffentlicht, das ist doch schon gar nicht mehr wahr. Wenn ich im Handy nachschaue, werden mir dazu keine Nachrichten angezeigt, also ist es auch kein Thema mehr. Fertig.

Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb hinaus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler… Die Bibel, Matthäus 21,12

…und weil er schon einmal dabei war, zerschmetterte er noch einige Gartenzwerge und markierte (in) ihre Steingärten. Ich würde ihn liebend gerne dabei unterstützen.

Der Unbill des Daseins

Aber was sollen wir denn machen, unser Leben ist doch inzwischen so unglaublich hart. Wir sparen, wo wir sparen können, bald werden wir nur noch zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen können. Ob dergleichen Unbill ist das Leben einfach nicht mehr schön und das will der Gartenzwerg dann auch entsprechend kommunizieren. Der Kassiererin im Supermarkt. Im Straßenverkehr. Und auch sonst am besten immer.

Denn anderen geht es definitiv besser. Wozu wir in unserer Not alles gezwungen sind, so geben wir beispielsweise für ein paar Punkte an der Supermarktkasse auch unsere intimsten Praktiken preis. Apropos intim…

Seid schamhaft und keusch!

Lasst uns von der Kanzel herab auch über das Thema Sexualität sprechen, denn da hat die Kirche eine ganz besondere Meinung parat. Hand aufs Herz, das Ganze ist doch eine Monty-Python-Nummer – alte Männer in Frauenkleider sagen uns, was gute und was schlechte Sexualität ist.

Liebe Kinder, ihr dürft jetzt mal ausnahmsweise das Handy herausnehmen und eine Runde eure Nachrichten checken. Und weil ihr gerade online seid, könnte bitte mal einer nachschauen, wann heuer “Stirb langsam” im Fernsehen läuft?

Letztendlich gibt es dazu sowieso nicht viel zu sagen, denn was zwei Erwachsene in beiderseitigem Einvernehmen miteinander machen und keinen Dritten dabei stören oder schädigen geht schlicht und einfach niemanden etwas an. Häuser, Straßen, Soldaten, Mobiltoiletten – die Kirche hat in ihrer langen Geschichte schon alles gesegnet, warum also nicht auch homosexuelle Paare? Unser Herr Jesus Christus wäre hier schnell fertig: “Liebt ihr euch? Wollt ihr Verantwortung füreinander übernehmen? Dann segne ich euch von ganzem Herzen!” Aber seine untergeordnete Verwaltungsebene hat halt leider viel zu oft einen Gartenzwerg im Herzen. Und außerdem fehlt der Überblick, weil man scheinbar unter jede Bettdecke schauen muss.

Oh weh dir, Menschengeschlecht!

Die sieben Plagen aus der Johannesapokalypse möchte ich euch entsenden, doch was antwortet ihr?

Plage 1: Schwere Heuschreckenplage.

“Gott sei Dank haben wir Glyphosat nicht verboten. Außerdem gibts da bestimmt auch was von Ratiopharm.”

Plage 2: Meerwasser wird zu Blut und Tod aller Meereslebewesen.

“So lange es nicht an unserem schönen Urlaubsstrand ist. Außerdem endlich keine stinkenden Fischleichen und Quallengefahr mehr.”

Plage 3: Flüsse und Quellen werden zu Blut.

“Ach was, das wollen uns doch nur die Grünen weismachen.”

Plage 4: Sonne versengt Menschen mit großer Hitze.

Herrlich. So schön kann Urlaub sein.

Plage 5: Reich des Tieres wird verfinstert.

Da haben wir von einem Experten ein Gegengutachten.

Plage 6: Austrocknung des Stromes Euphrat; Armeen bereiten sich auf den Weltkrieg vor.

Was soll nach 100 Milliarden für die Bundeswehr denn schon passieren?

Plage 7: Größtes Erdbeben seit Menschengedenken vernichtet alle Inseln und Berge; großer Hagel fällt auf die Erde hernieder.

Klimawandel? Siehe Plage 3!

Versöhnliches zum Abschluss

Foto: Andrea Schreiber/OberpfalzECHO

Trotz alledem möchte ich meine Predigt mit etwas Positivem beschließen – mit dem Appell zur Kunst des Menschseins. So wie Joseph Beuys feststellte, dass jeder Mensch ein Künstler sein kann, möchte ich darauf hinweisen, dass jeder Mensch …(Trommelwirbel)… ein Mensch sein kann.

Menschsein bedeutet sein Gegenüber zu achten, sich in einem produktiven Akt zu streiten und sich hinterher gemeinsam eine Maß zu kaufen. Das klingt doch gar nicht so unsinn(l)ich, oder? Menschsein kann außerdem jede Menge Freude bereiten, vor allem, wenn ganz in echt (vielleicht sogar ohne Handy) auf einen anderen Menschen trifft.

Seid wachsam!

Hier mal wieder ein Zitat aus meinem Faust: “Sey er kein schellenlauter Thor” – genau diese Thoren torpedieren uns von allen Seiten, und das Ganze mehr als schellenlaut. Wir müssen also verhindern, dass wir den ganzen Trommlern, und denen, die unsere Köpfe vergiften, zu viel Raum zu geben. Der gesunde Menschenverstand kann hier schon helfen, in einem Joint Venture mit gesunder Herzensbildung. Dazu eine gute Schippe Optimismus drauf und ab gehts ins Jahr 2024. Amen.

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