Neues Tierschutzgesetz: Droht das große Bauernsterben in der Region?

Neustadt/WN/Tirschenreuth. In fünf Jahren ist die Anbindehaltung in Kuhställen verboten. Doch den geforderten Laufstall zu bauen, ist extrem teuer. Welcher kleine Landwirt kann sich das leisten?

Das Tierwohl steht bei der Berliner Gesetzesnovelle im Vordergrund. Doch an die vielen Kleinbauern, gerade in Bayern, hat man weniger gedacht. Symbolfoto: Pixabay/Matthias Böckel

Berlin will das Tierschutzgesetz ändern. In rund fünf Jahren soll es ein Anbindeverbot in den Kuhställen geben. Kommt es, wären die Folgen mehr als dramatisch. Reihenweise würden die Landwirte ihre Betriebe dichtmachen müssen. Denn das geforderte Umstellen auf Laufställe ist finanziell kaum zu stemmen. “Zwei Millionen Euro müsste man bestimmt in so ein Bauvorhaben investieren”, betont Ulrich Härtl. Beim Geschäftsführer der Weidener Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbands (BBV) steht das Telefon nicht still. Am anderen Ende der Leitung: Verzweifelte Hofbesitzer, die nicht mehr weiterwissen. Kein Wunder: “Das geplante Gesetz kommt ja einem Berufsverbot gleich”, kritisiert der Verbandsmann.

Unterschriftenaktion gestartet

Der BBV hat mittlerweile auch unter dem Motto “Rettet Berta …” eine Kampagne gestartet. Damit soll öffentlichkeitswirksam auf das drohende Aus der Kleinbauern aufmerksam gemacht werden. Diese Regelung im neuen Tierschutzgesetz geht aber noch weiter: Sie würde nach den aktuellen Plänen auch für die sogenannte Kombinationshaltung gelten, bei der sich Rinder zeitweise auf Almen, Alpen und Weiden sowie in Laufhöfen oder Strohboxen bewegen können. Und auch eine Unterschriftenaktion wurde ins Leben gerufen. Auf www.BayerischerBauernVerband.de/rettet-berta kann man die Forderungen des BBV unterstützen.

Das sind die Forderungen des BBV:

  • Die Frist von fünf Jahren ist deutlich zu kurz! Den Familien muss die Zeit gegeben werden, eine gezielte Beratung zu erhalten, eine Übergabe zu regeln oder einen Weiterentwicklungsschritt wie Umbau, Neubau oder Umnutzung zu beantragen und durchzuführen.
  • Die klassische Kombinationshaltung (mit 120 Tagen Bewegung im Jahr durch Weidegang, Laufhof oder Strohbucht) muss erhalten bleiben und zukunftsfähig sein!
  • Die Betriebe müssen durch gezielte Beratung und Förderung massiv unterstützt werden!

Gerade den weiß-blauen Freistaat würde dieses Gesetz massiv treffen. Im Gegensatz zum Osten und Norden der Republik mit seinen großflächigen Agrarfabriken sieht die bayerische Bauernlandschaft ganz anders aus. Sie ist klein strukturiert. Nicht wenige Betriebe werden im Nebenerwerb geführt. Da braucht man kein Mathegenie zu sein, um herauszufinden, dass sich eine Millioneninvestition niemals rechnen würde.

Bayernweit 13.000 Betriebe betroffen

Doch gerade bei diesen Bauernhöfen ist diese Anbindehaltung noch gängige Praxis. 13.000 Betriebe wären im Freistaat von dieser Gesetzesänderung betroffen. In der nördlichen Oberpfalz wären es nach Einschätzung des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Tirschenreuth-Weiden 370. Das sind rund 43 Prozent der insgesamt 861 Milchviehbetriebe im Zuständigkeitsbereich der Behörde.

Nach Ansicht von Weidens BBV-Geschäftsführer Ulrich Härtl wäre diese Gesetzesnovelle nicht notwendig gewesen. Foto: Bayerischer Bauernverband

Tiere müssen verkauft und geschlachtet werden

Nach Ansicht von Härtl wäre dieses Gesetz aber gar nicht notwendig gewesen. Viele der davon betroffenen Bauern hätten in ein paar Jahren aus Altersgründen ohnehin den Betrieb aufgegeben, für den es in den meisten Fällen auch keinen Hofnachfolger gibt. Doch jetzt müssen vorzeitig auf den Höfen die Lichter ausgehen und die Tiere verkauft oder geschlachtet werden. “Vom Ackerbau alleine kann der Landwirt natürlich nicht leben”, macht der BBV-Geschäftsführer deutlich. Nicht die einzigen Folgen. Landwirte sind auch wichtige Partner in der Landschaftspflege. “Wiesen werden verschwinden, die Artenvielfalt und Kulturlandschaft gehen verloren”, befürchtet man beim BBV.

Auf den Halter kommt es an

Der Laufstall alleine reicht fürs Tierwohl aber nicht aus. “Es kommt auf den Halter an”, sind die Tiermediziner des Veterinäramts des Landkreises Neustadt/WN überzeugt. Er muss auf Sauberkeit achten und die Tiere sorgfältig beobachten und versorgen. “Auch im schönsten Laufstall können die Rinder leiden, wenn sie überwiegend sich selbst überlassen bleiben, oder der Landwirt zu wenig Gespür für das Befinden der Kühe mitbringt.” Und die Veterinäre müssen tatsächlich immer wieder etwas beanstanden, sei es die Überbelegung, oder ein falsches Tier-Fressplatzverhältnis. Das heißt, Laufställe haben nicht genügend Fressplätze. Schwächere Rinder haben dann das Nachsehen.

Schwierigkeiten bei der Rangordnung

Ein weiteres Problem taucht dort immer wieder auf: Wird häufiger die Herde umgestellt, dann kann es zu Schwierigkeiten bei der Rangordnung kommen. Das kommt beim Anbindungsstall nicht vor. Hier stehen normalerweise nur Tiere nebeneinander, die sich gut vertragen. Zudem ist die Tier-Mensch-Beziehung bei dieser Haltung tendenziell besser. Klar ist für die Veterinäre aber auch: Laufställe bieten Bewegungsfreiheit und mehr Sozialkontakte und haben eine bessere Luftqualität. Doch auch im Veterinäramt ist man überzeugt: “Das Verbot der Anbindehaltung wird zu einem Sterben vieler kleiner Rinder-Betriebe führen.”

Suche nach Einkommensalternativen

Beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten versucht man den betroffenen Landwirten unter die Arme zu greifen. Man berät sie zum Beispiel bei der Umstellung auf die Laufstallhaltung oder unterstützt sie bei der Suche nach geeigneten Fördermöglichkeiten oder nach Einkommensalternativen, wie etwa Urlaub auf dem Bauernhof.

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