Cannabis-Teillegalisierung (1): Um was geht es eigentlich?

Nordoberpfalz. In dieser Woche findet die abschließende Beratung zur Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes im Bundestag statt. OberpfalzECHO informiert über die Fakten und bringt Einschätzungen von Politik, Medizin, Justiz und Drogenermittlern. Heute der Auftakt: Um was geht es eigentlich?

20240219 Cannabis Foto: Pixabay (8)
Ab 1. April 2024 soll nach dem Willen der Bundesregierung eine Teillegalisierung von Cannabis das generelle Verbot ablösen. Foto: Pixabay


Das Streben nach Bewusstseinserweiterung jenseits der Realität ist so alt wie die Menschheit selbst. Steinzeitliche Funde bestätigen, dass die Vorfahren des Homo sapiens bereits berauschende Substanzen konsumierten. Während bis in die Neuzeit überwiegend Rauschmittel aus natürlichen Quellen im Fokus standen, haben die Fortschritte der Chemie neue Substanzen ermöglicht, die aus künstlichen Prozessen gewonnen werden.

In Deutschland dürfte der frei erhältliche Alkohol die legale Droge Nummer eins sein. Nach den Plänen der aktuellen Regierungsparteien soll nun der Besitz und der Konsum von Cannabis begrenzt legalisiert werden. OberpfalzECHO informiert über das Pro und Contra dieser Gesetzesinitiative. Zu Wort kommen sollen Politik, Behörden, Mediziner und Fachleute, die sich mit den Auswirkungen der angestrebten Gesetzesänderungen beschäftigen.

Was ist eigentlich Cannabis?

Unter Cannabis versteht man Pflanzenteile – bevorzugt die getrockneten unbefruchteten weiblichen Blütenstände – der Hanfpflanze. Im Konsumentenkreis spricht man bei den getrockneten Pflanzen von „Gras“ oder “Marihuana”. Bei einer Verarbeitungsstufe, in der man das Harz extrahiert, spricht man von “Haschisch”. Die über 500 chemisch nachgewiesenen Verbindungen sollen beim Konsum eine berauschende Wirkung haben. Verantwortlich ist die Substanz Tetrahydrocannabinol, abgekürzt THC.

Was bewirkt THC beim Menschen?

Mediziner beschreiben die Wirkung von THC als einerseits euphorisierend, andererseits als dämpfend oder beruhigend. Kritiker befürchten, dass Cannabis als Einstiegsdroge zu härteren Rauschmitteln werden könnte. Zudem könnte nach wiederholtem Konsum eine gewisse Toleranz entwickelt werden, die wiederum beim Absetzen zu Entzugserscheinungen führen könnten. Weitgehend unbestritten ist bei Medizinern, dass gerade beim Konsum in jüngeren Jahren ein hohes Risiko für langfristige gesundheitliche, insbesondere Hirnschäden nachgewiesen ist.

Welche gesellschaftliche Stellung hat Cannabis?

In der Gesellschaft hat Cannabis eine ambivalente Stellung. Während sogenannte liberale Politiker (SPD, Grüne, FDP) anstreben, Cannabis durch den neuen Gesetzesentwurf aus der Schmuddelecke zu holen, beschwören sogenannte konservative Politiker (CDU/CSU) die Gefahren und versuchen in letzter Minute die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Novellierung zu Fall zu bringen.

Polizei und Zoll, die als Strafverfolgungsbehörden permanent mit Dealern und Konsumenten zu tun haben, warnen vor der Teilfreigabe. Strafverteidiger begrüßen teilweise die Änderung, weil damit eine Entkriminalisierung der Droge – ähnlich wie beim Alkohol – einhergehen könnte.

Welche Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes sind geplant?

In Deutschland wird der Umgang mit Drogen im sogenannten Betäubungsmittelgesetz (BtmG) geregelt. Folgende Substanzen sind explizit ausgenommen: Alkohol, Nikotin und Coffein. Ganz allgemein verboten sind derzeit der Anbau, die Herstellung, das Handel treiben, die Einfuhr oder Ausfuhr, die Veräußerung, die Abgabe, das Inverkehrbringen, der Erwerb, der Besitz und das unerlaubte Verschreiben, Verabreichen oder Überlassen von Drogen. Achtung: Unter bestimmten Umständen (Medizin, Forschung und ähnliches) gibt es Ausnahmen. Verstöße werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet.

Geplantes „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“

  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis soll künftig straffrei sein.
  • Es gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
  • Für Minderjährige bleibt der Besitz von Cannabis nach wie vor verboten. Zudem bestehen Sonderregelungen für junge Erwachsene – mit geringeren Abgabemengen und reduzierten THC-Gehalten.
  • Es soll ein Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand geben – zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten.
  • Aufklärung und Prävention zu Cannabiskonsum sollen gestärkt werden, unter anderem durch ausgebaute Frühinterventionsprogramme für Minderjährige.

Quelle:  Homepage Bundesregierung

* Diese Felder sind erforderlich.

1 Kommentare

Mimi - 19.02.2024

Der Artikel erweckt den Eindruck, dass hier zumindest der aufrichtige Versuch einer neutralen Darstellung zu erwarten ist, was zunächst ja erfreulich ist. Leider wird zu dem Thema jedoch so viel Unfug verbreitet, dass man schon etwas gründlicher recherchieren muss, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Die Sache mit den bleibenden Hirnschäden bei jungen Konsumenten z. B. ist unter Medizinern keineswegs unumstritten. Hier zeigen Legalisierungsgegner auch unter Medizinern regelmäßig, dass sie entweder den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität nicht verstanden haben oder zumindest mit dem Transfer im Alltag hoffnungslos überfordert sind und daher voreilige und z. T. erwiesenermaßen falsche Schlüsse über Ursache-Wirkungszusammenhänge ziehen. https://www.spektrum.de/news/schadet-marihuana-dem-gehirn/1394979#:~:text=AktuelleZwillingsstudienhabenkeinenEffekt,EineErkenntnisdieFragenaufwirft.&text=MarihuanagiltalsharmloseDroge,ErwachseneneineweiteVerbreitungfindet. Zudem wird von Legalisierungsgegnern in der Öffentlichkeit häufig behauptet, für ALLE Mediziner, Juristen, Polizisten etc. zu sprechen, auch wenn tatsächlich eine Mehrheit oder zumindest ein beachtenswerter Anteil der betreffenden Experten die Legalisierung befürwortet. https://suchthilfe.de/stellungnahmen/02-11-2023-stellungnahme-der-dhs-zum-regierungsentwurf-des-cannabisgesetzes-cang/ https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/02/08/jeder-zweite-arzt-befuerwortet-cannabis-legalisierung#:~:text=EineraktuellenOnlineUmfragedes,36ProzentderMedizinerbeibehalten. https://ksv-polizeipraxis.de/illegalize-it-stolz-und-vorurteil-der-polizei-im-diskurs-ueber-den-umgang-mit-cannabis-zu-genusszwecken/ Die folgenden Artikel zum Thema werden daher gespannt erwartet.