Cannabis-Teillegalisierung (5): Was sagt die Oberpfälzer Polizei?

Nordoberpfalz. Zum 1. April 2024 ist die Teillegalisierung des Cannabiskonsums in Deutschland geplant. Aufgrund der enormen gesellschaftlichen Bedeutung lässt OberpfalzECHO verschiedene Experten zu Wort kommen. Heute die Einschätzung der Oberpfälzer Polizei.

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Cannabis-Konsum soll teilweise legalisiert werden. Die Polizei ist nicht unbedingt glücklich darüber. Foto: Pixabay

In unserer Aufklärungsserie über die geplante Teillegalisierung von Cannabis kommt bei OberpfalzECHO heute die Expertin der Polizei zu Wort. Die Polizei verfolgt an vorderster Front illegale Drogengeschäfte und ermittelt gegen Kriminelle. Für die Polizei beantwortete Polizeihauptkommissarin Corinna Wild, Pressesprecherin Polizeipräsidium Oberpfalz, die Fragen von OberpfalzECHO (Hinweis: Das Interview wurde leicht gekürzt und in Stichpunkte zusammengefasst).

Wie beurteilen Sie dieses Gesetz hinsichtlich Ihrer beruflichen Erfahrung?

  • Grundsätzlich sind die tatsächlichen Auswirkungen nicht absehbar. Jedoch darf damit gerechnet werden, dass gerade der Kinder- und Jugendschutz trotz aller Präventionsabsichten in den Planungen der Bundesregierung unterminiert werden dürfte.
  • Wie jetzt bereits bei Alkohol und Tabak ist davon auszugehen, dass die Beschaffung über volljährige und damit zum Erwerb berechtigte Freunde, Bekannte und Verwandte eine deutlich niedrigere Hemmschwelle bedeuten wird, als die derzeitige Rechtslage.
  • Auch für den Genuss von Cannabis ist gerade bei jungen Menschen eher mit einer Zunahme zu rechnen, da der Eindruck entstehen kann, Cannabis wäre nicht so gefährlich, da es ja legal (zumindest für Erwachsene) zu erwerben, zu besitzen und zu konsumieren ist. Das Durchschnittsalter beim Erstkonsum von Cannabis liegt laut Europäischem Drogenbericht von 2022 bei 16 Jahren!
  • Auf die gesundheitlichen Gefahren wurden eingehend durch den Leiter der Suchtklinik in Wöllershof, Dr. Markus Wittmann, hingewiesen.

Welche Vorteile oder Nachteile sehen Sie in dem geplanten Gesetz?

  • Aus Gründen der allgemeinen Verkehrssicherheit sehen wir keinen Handlungsspielraum für eine Liberalisierung im Umgang mit Cannabis. Seit Jahren steigt die Zahl der Fahrten und die Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss bayernweit deutlich an.
  • Cannabis-Konsumenten tragen die umfassende persönliche Verantwortung für die Beurteilung der eigenen Fahrtüchtigkeit. Durch die Legalisierung wird die Wirkung von Cannabis weiter verharmlost, häufige Fehleinschätzungen mit dann erheblichen Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit sind hier vorprogrammiert.
  • Beim Konsum von Cannabis bestehen deutlich mehr und größere Unwägbarkeiten als beim Konsum von Alkohol: der konsumierte THC-Gehalt ist überwiegend – also insbesondere beim Freizeitkonsum – nicht (genau) bekannt.
  • Mögliche Wechselwirkungen mit Alkohol oder Arzneimitteln entstehen als zusätzliche Gefahr für die Verkehrssicherheit.
  • Die erforderlichen Wartezeiten nach dem Konsum von Cannabis bis zur Wiedererlangung der Fahrtüchtigkeit sind nicht einfach (durch Laien) bestimmbar. Da THC im Gegensatz zu Alkohol nicht linear abgebaut wird (das bedeutet die Verstoffwechselung erfolgt individuell, sodass eine Dosis-Wirkung-Beziehung sich derzeit nicht quantifizieren lässt), sondern im Sinne von Halbwertzeiten, geht der Wert nach dem Konsum zunächst sehr schnell, bei den Restwerten dann aber sehr langsam nach unten. Die individuelle nicht-lineare Abbauzeit kann hier von wenigen Stunden bis zu zwei Tage dauern.

Wie bewerten Sie das geplante Gesetz hinsichtlich der Auswirkung auf Kriminalität?

  • Eine Legalisierung von Cannabis – egal welcher Art – wird eine kriminelle Sogwirkung entwickeln, da entsprechende Gewinne zu erwarten sind. Die medial mehrfach und umfassend thematisierten Entwicklungen in den Niederlanden können hier trotz der Unterschiede in der „Legalisierung“ als warnendes Beispiel dienen.
  • Darüber hinaus kann angenommen werden, dass jetzt viele Menschen, die bisher wegen des illegalen Kontextes Cannabis testen und eventuell „auf den Geschmack“ kommen und sich dann in der Folge günstig mit Cannabis eindecken wollen – in den beabsichtigten Anbau-Clubs oder eben auf dem Schwarzmarkt, für den die Legalisierung letztlich ein Konjunkturprogramm wäre.

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1 Kommentare

Ralf Blandowski - 24.02.2024

“Wie jetzt bereits bei Alkohol und Tabak ist davon auszugehen, dass die Beschaffung über volljährige und damit zum Erwerb berechtigte Freunde, Bekannte und Verwandte eine deutlich niedrigere Hemmschwelle bedeuten wird, als die derzeitige Rechtslage.” Das stimmt so sicher nicht, und ist auch ein Äpfel mit Birnen Vergleich: In dem neuen CanG ist die Abgabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche mit 2 Jahren Mindeststrafe strafbewehrt, ich wüsste nicht, dass beim Alkohol die selben Strafvorschriften bestehen. Im Gegenteil, der Konsum von harten Alkohol ist unter gewissen Voraussetzungen sogar ab 14 Jahren möglich. Wenn das Gesetz rigoros angewendet wird, dann werden, spätestens wenn die ersten mindestens zu 2 jahren Haft verurteilt werden, die meisten darüber nachdenken ob sie Kinder etwas besorgen und abgeben wollen.