Cannabis-Teillegalisierung (2): Was sagt der medizinische Experte aus Wöllershof?

Nordoberpfalz. Zur geplanten Teillegalisierung hat OberpfalzECHO Experten aus verschiedenen Bereichen befragt. Heute kommt Dr. Markus Wittmann, ärztlicher Direktor des medbo Bezirksklinikums Wöllershof zu Wort.

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Ab 1. April soll ein neuer gesetzlicher Umgang mit Cannabis gelten. Suchtexperten zeigen sich skeptisch. Foto: Pixabay

In unserer Aufklärungsserie über die geplante Teillegalisierung von Cannabis kommt bei OberpfalzECHO ein ausgewiesener Experte zu Wort, der täglich in medizinischer Hinsicht mit Suchtkrankheiten zu tun hat: Dr. Markus Wittmann, ärztlicher Direktor des medbo Bezirksklinikums in Wöllershof. Neben der Allgemein- & Gerontopsychiatrie gibt es in Wöllershof mehrere suchtmedizinische Spezialstationen und auch eine eigene Fachklinik für Sucht-Reha (Hinweis: Das Interview wurde leicht gekürzt und in Stichpunkte zusammengefasst).

Wie beurteilen Sie dieses Gesetz hinsichtlich Ihrer beruflichen Erfahrung?

  • Es bestehen hinreichend viele wissenschaftliche Anhaltspunkte, dass Cannabis die Gehirnentwicklung verändert.
  • Eine Metaanalyse in JAMA Psychiatry (2019) kam zu dem Ergebnis, dass ein Cannabiskonsum vor dem 18. Lebensjahr das Risiko auf spätere Depressionen und Suizide erhöht.​
  • Hirnforscher berichteten 2019 im Journal of Neuroscience, dass bereits der ein- oder zweimalige Konsum mit Veränderungen in mehreren Gehirnregionen einhergeht.​
  • In der sogenannten Andreasson-Studie (1987) zeigte sich schon vor vielen Jahren ein 2,4-faches Schizophrenie-Risiko für gelegentliche THC-Konsumenten und ein 6,0-faches Risiko für regelmäßige THC-Konsumenten.
  • Täglicher und hoch dosierter Cannabiskonsum könnte nach Berechnungen in Lancet Psychiatry in London für 30 % und in Amsterdam sogar für 50 % aller Psychosen bei jüngeren Menschen verantwortlich sein.​

Die Frage nach der Einstiegsdroge ist nicht ganz eindeutig zu beantworten. Cannabis ist eher eine Übergangsdroge und steht an in der zeitlichen Abfolge an dritter Stelle Abhängigkeit erzeugender Substanzen, nach Alkohol und Tabak.

Ob die Inanspruchnahme von Suchthilfeeinrichtungen steigt oder die Legalisierung zu einer Abnahme der Inanspruchnahme oder zu einem „Hinauszögern“ der Therapie führt, bleibt abzuwarten.

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Chefarzt und Leiter der Suchtklinik in Wöllershof Dr. Markus Wittmann zeigt sich angesichts der gravierenden medizinischen Auswirkungen skeptisch gegenüber dem geplanten Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis. Foto: Juliane Zitzlsperger, Medbo

Welche/n Vorteil/e sehen Sie in dem geplanten Gesetz?

Ein möglicher Vorteil, der von Befürwortern der Teillegalisierung immer wieder vorgebracht wird, ist die mögliche Verdrängung von Cannabis aus dem Schwarzmarkt und auch die mögliche Verdrängung von synthetischen Cannabinoiden mit teilweise stark schwankender Potenz, auch für gesundheitsschädliche Effekte. Sollte sich dieser Effekt in der Praxis bestätigen, wäre das ein möglicher Vorteil.

Welche/n Nachteil/e sehen Sie in dem geplanten Gesetz?

Die im Gesetz vorgesehene Grenze bei Heranwachsenden zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr von 30 Gramm pro Monat führt nicht unbedingt zu einem deutlich besseren gesundheitlichen Schutz, vor allem wenn man den Studien Glauben schenkt, die auch schon bei gelegentlichem Konsum gesundheitliche Schäden annehmen lassen.

Wie bewerten Sie das geplante Gesetz hinsichtlich der Auswirkung auf Kriminalität?

  • Kriminalstatistiken werden ausschließlich optisch geschönt, weil die Zahlen nur statistisch und nicht faktisch verschoben werden.
  • Abzuwarten bleibt auch die Auswirkung auf den Straßenverkehr. Beispiel Amerika: Jeder fünfte Patient fuhr einer Veröffentlichung in der Zeitschrift „Drug and Alcohol Dependence“ zufolge nach der Einnahme medizinisch verordnetem Cannabis „sehr high“ Auto.

Wie bewerten Sie das geplante Gesetz hinsichtlich des Schutzes von Kindern und Jugendlichen?

Einen deutlichen Effekt hin zu einem geringeren Konsum bei Kindern und Jugendlichen erwarte ich – auch wenn das lediglich eine Hypothese ist – durch die Teillegalisierung inklusive der Schutzmaßnahmen nicht.

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Wie seht ihr die geplante Teillegalisierung des Cannabis-Konsums in Deutschland?

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