Weidener Skutella führt FDP als General in den Europa-Wahlkampf

Amberg/Weiden. Eine Tür schließt sich, eine andere geht auf: Nach der Enttäuschung für Christoph Skutella, dass er mit seiner FDP aus dem Landtag ausschied, steht der Weidener Feingeist jetzt vor einer neuen Herausforderung: Als Generalsekretär soll er die bayerische FDP mit auf Kurs bringen.

Der neue bayerische FDP-Generalsekretär beim Echo-Redaktions-Sommergespräch. Foto: Jürgen Herda

Fast hätte das Ausscheiden aus dem Landtag zu einer Palastrevolte bei der Neuwahl des bayerischen FDP-Parteivorstands im Amberger Congress Centrum (ACC) geführt. Bereits nach dem Aus der Liberalen bei der Landtagswahl 2013 erwischte Albert Duin das Partei-Establishment auf dem falschen Fuß und ließ sich überraschend zum Vorsitzenden küren.

Am Samstag tritt der Unternehmer erneut mit einem Überraschungscoup auf den Plan. Seine leidenschaftliche Rede trifft zwar den Nerv der 400 Delegierten, dennoch setzt sich der amtierende Landesvorsitzende Martin Hagen – knapper als erwartet – mit 210 zu 182 Stimmen gegen den 70-Jährigen durch.

Führungstrio mit Finanzstaatssekretärin

Wie im Vorfeld abgesprochen bekommt der alte und neue bayerische FDP-Chef und Herausgeber des Buches „Das neue Bayern – Warum unser Land ein Update braucht“ ein finanzpolitisches Gewissen an die Seite gestellt: Katja Hessel, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, kommt bei der Wahl zur Co-Vorsitzenden als alleinige Kandidatin auf 213 Stimmen – immerhin 167 votieren gegen sie.

Deutlich besser schneidet da der Weidener Musiklehrer Christoph Skutella ab. Mit 306 Ja-Stimmen bei 371 Stimmabgaben küren die Delegierten den 38-Jährigen zum neuen bayerischen FDP-Generalsekretär. Einziger Wermutstropfen für den Nordoberpfälzer: Der Posten ist lediglich ein Ehrenamt. Skutella tritt an die Stelle von Lucas Köhler, der als einer von drei Stellvertretern im Vorstand bleibt.

Für Ehre und Fahrtkosten

„Für mich kam das völlig überraschend“, sagt Skutella zu OberpfalzECHO. „Martin Hagen hat mich eine Woche vor den Herbstferien angerufen, und ganz unverbindlich gefragt, was ich machen will – beruflich und politisch.“ Dann die Frage, ob er sein General werden möchte: „Ich habe um Bedenkzeit gebeten und nach Rücksprache mit der Familie zugesagt.“

Ehrenamt heißt bei der FDP: „Die Fahrtkosten werden übernommen.“ Und da könnte einiges auf den neuen General zukommen, wenn er die Gründe für seine Nominierung richtig deutet: „Katja Hessel kommt aus Nürnberg, Martin Hagen ist in München, und ich soll dann wohl die ländlichen Räume abdecken.“ Seine oberste Priorität sei jetzt aber erst einmal, die Arbeitsweisen der Geschäftsstellen kennenzulernen.

General mit Überblick

Immerhin, Skutella muss nicht ständig in der bayerischen Landeshauptstadt präsent sein. Es gebe bei den Liberalen schon lange hybride Sitzungen: „Ich muss vielleicht zweimal im Monat nach München, etwa um die Landesvorstandssitzung, Landesfachausschüsse und Arbeitsgruppen zu betreuen.“ Die Fachausschüsse arbeiteten zwar selbstständig, aber: „Als General muss man den Überblick haben, an welchen Themen sie gerade arbeiten, wo entwickelt sich vielleicht eine innovative Agenda? – ich habe mir die programmatische Übersicht zu verschaffen.“

Apropos Programmatik: „Als ich nach Amberg gefahren bin, habe ich so ein bisschen gefühlt, dass was im Busch ist.“ Es sei eine ähnliche Stimmung wie 2013 gewesen, als nach dem Ausscheiden aus dem Parlament Thomas Hacker gestürzt worden sei. „Allerdings war es dieses Mal so, dass man zwar Unzufriedenheit verspürt hat, aber hauptsächlich gegen die Ampel gerichtet.“ Mit einer nicht angekündigten Kampfabstimmung gegen Martin Hagen habe er nicht gerechnet.

Vom Maximilianeum auf den Stuhl des bayerischen FDP-Generalsekretärs: der Weidener Musiklehrer Christoph Skutella. Archivfoto: FDP

Verlängerung bis in die Nacht

Die Begeisterung für diese Sondereinlage habe sich in Grenzen gehalten: „Es gab dann noch mal eine Verlängerung von drei Stunden Aussprache und Fragen an die Kandidaten“, beschreibt Skutella das Szenario. „Dass da wirklich mehrheitlich ein Wunsch nach Neuanfang war, bezweifle ich.“ Zum Glück hätten sich beide Kandidaten anschließend gleich wieder gemeinsam präsentiert. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Das gemäßigte Lager Hagen gewinnt zunächst einmal gegen die vehementen Ampel-Kritiker um Albert Duin: „Der hatte versprochen, ,wenn ich die Wahl gewinne, fahre ich nach Berlin und trete denen in den Hintern‘.“

Nach dem offenen Brief regionaler FDP-Vertreter an den Parteivorstand und miesen Umfragewerten auch im Bund wird der Verbleib in der Ampel immer öfter infrage gestellt. Wo will der bayerisch-liberale Mainstream hin? „Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, beide Richtungen zusammenzuhalten“, sagt der Weidener Versöhner. „Man macht es sich zu einfach, wenn man sagt, die Ampel ist schuld.“ Auch andere Landesverbände hätten Verluste verzeichnet, seien aber nicht alle aus dem Parlament gewählt worden.

Ampel-Verächter laut, aber nicht die Mehrheit

„Ich glaube, dass das Lager, das mit der Koalition hadert, laut ist, aber nicht die Mehrheit“, sagt Skutella. Gibt es eigentlich auch Stimmen, die die Möglichkeit in Betracht ziehen, die oft kritisierte Verweigerungshaltung der FDP bei Themen, denen man bereits zugestimmt hatte, könne an den Misserfolgen schuld sein? „In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es die Konservativen, die sagen, wir haben schon viel zu viel liberale Positionen preisgegeben“, beschreibt der neue General die Lage, „und die Linken sagen, wir verhindern zu viel.“ Die neue liberale Führungscrew stehe da in der Mitte.

Und wo stehen die Liberalen bei der inzwischen alle Talkshows dominierenden Migrations-Debatte mit der AfD im Nacken – überwältigt die Migration das Land oder die omnipräsente Diskussion die Sinne aller Entscheidungsträger? „Wir haben beim Parteitag in der Asylpolitik die klare Forderung formuliert, dass wir handeln müssen.“ Es dürfe nicht das Gefühl entstehen, dass der Staat nicht mehr die Kontrolle hat. Es gebe hier Themen, die seit Jahrzehnten brachlägen.

Diskutierten in Weiden mit den Bürgern: die beiden (damals noch) FDP-Landtagsabgeordneten Christoph Skutella (rechts) und Martin Hagen (links). Archivfoto: Lars Kesenheimer

Realismus in der Migrationsdebatte

Steigt die FDP also auch in den Überbietungswettbewerb bei Abschiebungen ein – wo bleibt da der liberale Widerstand gegen Pauschalisierungen und Rezepte, die dann doch wieder an der Realität scheitern? Skutella sieht das Dilemma: „Wir haben weder die polizeilichen Kapazitäten, alle Personen mit ungeklärten Aufenthaltsstatus, die untertauchen, dingfest zu machen, noch sind viele Länder bereit, diese Leute aufzunehmen.“ Allein der Rücktransport sei ein gewaltiger personeller und finanzieller Aufwand.

Andererseits sei es auch nicht humaner, Menschen acht Jahre oder länger mit unbestimmtem Aufenthaltstitel im Land zu belassen und dann abzuschieben. „Man kann versuchen, Verfahren zu vereinfachen und Regeln klarer zu formulieren.“ Er sei selbst mit haarsträubenden Petitionen befasst gewesen, wo gut Deutsch sprechende, arbeitende Immigranten abgeschoben worden seien. „Das kann auch nicht im Sinn unserer Wirtschaft sein.“ Deshalb habe die FDP den „Spurwechsel“ befürwortet, weil es wichtig sei, die Leute in Arbeit zu bringen.

Nächste Station Europa-Wahl

Skutellas erste Bewährungsprobe: die Europa-Wahl. „Mein Ansatz ist dabei, im Europa-Wahlprogramm nicht die Institution in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Lebensgefühl in Europa gerade aus bayerischer Perspektive.“ Die Grenzschließungen während der Pandemie hätten deutlich gemacht, wie wichtig gerade für den Grenzraum ein freier Personen- und Warenverkehr sei. „Wenn man jetzt nach Tschechien fährt und mobile Grenzkontrollen sieht“, beobachtet Skutella, „kann man darauf warten, dass es auch wieder stationäre gibt.“

Das Lebensgefühl seiner und jüngerer Generationen, die mit offenen Grenzen aufgewachsen seien, will er in den Vordergrund stellen. Das Europa jenseits bürokratischer Regelungswut. „Kein Land profitiert mehr von Europa als Deutschland“, setzt er darauf, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann als FDP-Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl deutlich macht, was die AfD-Position für unseren Wohlstand bedeuten würden: „Den Bankrott.“

Die Chance des Scheiterns liegt im Neuanfang: Die beiden Nordoberpfälzer FDP-Kandidaten, Silke Klotz und Christoph Skutella, vor der Landtagswahl. Foto: Jürgen Herda

Bayerischer Spitzenkandidat zur Europa-Wahl

Als bayerischer FDP-Spitzenkandidat für die Europa-Wahl 2024 wird am Sonntag wie schon 2019 Phil Hackemann nominiert. 254 (von 306 gültigen Stimmen) fallen auf den 28-Jährigen. In Weimar schickten ihn bereits die JuLis als Spitzenkandidaten ins Rennen.

Hackemann gilt als dezenter Ampel-Kritiker: „Die FDP-Minister haben vieles angestoßen.“ Im Bereich Digitalisierung sei unter den vorherigen Bundesregierungen jahrzehntelang fast nichts passiert. Da werde nun schon einiges angepackt. „Aber wir müssen als Digitalpartei noch mehr liefern.“

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