BücherECHO: Wolfgang Schäuble – Erinnerungen

Nordoberpfalz. Am 26. Dezember 2023 verstarb Wolfgang Schäuble. Kurz vor seinem Tod hat er das Manuskript zu seinen „Erinnerungen“ fertiggestellt. Ein Buch voller Weisheit und Weitblick.

20240408 Wolfgang Schäuble - Erinnerungen Foto: Martin Stangl
Wolfgang Schäuble – Erinnerungen. Eine großartige Rückschau auf ein erfülltes Leben. Foto: Martin Stangl

Bereits vor seinem Erscheinen machte ein neues Buch Furore. In der vergangenen Woche druckte der ‚Stern‘ vorab einige Auszüge ab. Die Rede ist von der Autobiografie Wolfgang Schäubles mit dem Titel „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“ (Klett Cotta Verlag, 38 Euro).

Die Bilanz eines bemerkenswerten Lebenswerkes

Schäuble schaffte es, die Arbeit an seiner Autobiografie noch kurz vor seinem Tod am 26. Dezember 2023 abzuschließen. Auf fast 700 Seiten beschreibt er seinen Werdegang und seinen gesamten politischen Lebensweg. Schon das Inhaltsverzeichnis des Buches lässt den Schluss auf ein unglaublich spannendes politisches Leben zu.

Am 18. September 1942 wurde Wolfgang Schäuble in Freiburg im Breisgau geboren. 1965 trat er in die CDU ein. Von 1972 bis 2023 war er in verschiedenen Funktionen Mitglied des Deutschen Bundestags. Ein Jurastudium und seine Zulassung als Rechtsanwalt schafften ihm ein solides Fundament für seine parlamentarische Arbeit. Seine evangelisch-christliche Prägung war zeitlebens ein wichtiger Kompass für seine Entscheidungen.

Zahllose politische Ämter und Ehrenämter

Schäubles politische Ämter waren sehr zahlreich: Von 1989 bis 1991 war er Bundesminister des Innern. Am 12. Oktober 1990 veränderte sich sein Leben durch ein Attentat grundlegend. Von nun an war er auf den Rollstuhl angewiesen, was aber seine unglaubliche Disziplin und Zähigkeit wett machte. Im Buch wird erstmals darauf hingewiesen, dass der Ausnahmepolitiker seit vielen Jahren an Krebs erkrankt war.

Zwischen 2005 und 2009 war er erneut Innenminister, bevor er in den Jahren 2009 bis 2017 das Amt des Bundesfinanzministers einnahm. In diese Zeit fiel auch der Höhepunkt der Griechenland-Krise. In den Jahren zwischen 2017und 2021 krönte er sein Lebenswerk, indem er Präsident des Deutschen Bundestags – das zweithöchste Amt im Staat – bekleidete. Schließlich verstarb er am 26. Dezember 2023.

Vorwort: „Kreise, die sich schließen“

Alleine das Vorwort ist schon sehr bemerkenswert. Schäuble überschreibt es mit den Worten: „Über Kreise, die sich schließen“. Fast etwas wehmütig, aber trotzdem mit Stolz resümiert er, dass sich an seinem Lebensabend viele Kreise schließen. Er bereut beispielsweise die viel zu späte Einsicht der CDU, dass die visionäre Politik des „Wandels durch Annäherung“ von Willy Brandt die richtige Herangehensweise war. Der damalige Bundeskanzler legte den Grundstein für die Wiedervereinigung, die später für Schäuble ein zentraler Moment in seinem politischen Leben war.

Griechenland-Krise

Eine spannende Ansicht aus der Perspektive des Insiders ist das Kapitel über die Griechenland-Krise. Viele von uns erinnern sich, dass Schäuble in der griechischen Presse als Hitler im Rollstuhl in einer Bildmontage abgedruckt wurde. Ausgerechnet in dem Land, das die EU nach Strich und Faden betrogen hat. Eindrucksvoll beschreibt er die zähen Verhandlungen und schließlich die Rettung von Griechenland unter seiner maßgeblichen Beteiligung.

Ein bedeutender Politiker

Die Bedeutung von Wolfgang Schäuble illustriert eindrucksvoll der Staatsakt zu seinen Ehren am 22. Januar 2024 im Berliner Dom und im Deutschen Bundestag: Der ökumenische Gedenkgottesdienst, den evangelische katholische, griechisch-orthodoxe, jüdische und muslimische Würdenträger gemeinsam zelebrierten, bekräftigten sein lebenslanges Engagement für den Dialog der Religionen und Kulturen. Die Gedenkrede von Frankreichs Staatspräsident Immanuel Macron gab dem Herzensanliegen von Schäuble für ein einiges und starkes Europa Ausdruck.

Fazit: Erinnerungen – Mein Leben in der Politik

Dieses Buch zu lesen, ist für politisch interessierte Menschen ein Genuss. Gerade die tiefen menschlichen Einblicke in die Gedanken eines verantwortungsvollen Politikers, der es sich nie leicht gemacht hat, sind sehr aufschlussreich.

Kommentar: Schlimm und peinlich!

Von Martin Stangl

Ja, Wolfgang Schäuble hat Fehler gemacht. Zum Beispiel in der CDU-Spendenaffäre, die im Jahr 2000 offen zutage trat. Andererseits gesteht der ehemalige Innen- und Finanzminister in seinem Buch Fehler und Falscheinschätzungen ein.

Wie kaum ein anderer Nachkriegspolitiker prägte er die Bundesrepublik durch seinen Fleiß und seine unglaubliche Disziplin. Dabei geholfen haben ihm sein christliches Weltbild und seine solide berufliche Grundausstattung. Ach, hätten wir mehrere Politiker vom Kaliber Schäubles! Viele junge Ricardas und Kevins können nämlich nur auf ein Praktikum im Vorzimmer eines Abgeordneten verweisen. Beruflich schlägt weder eine Ausbildung noch ein abgeschlossenes Studium zu Buche.

Doch es geht noch schlimmer und peinlicher: Ein gewisser Verkehrsminister-Andi (ja, der die Maut an die Wand gefahren hat) wurde beim Schummeln bei seiner Doktorarbeit ebenso erwischt, wie der aktuelle FDP-General Bijan Djir-Sarai oder die Ex-Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey oder Ex-Bildungsministerin Annette Schavan.

Ein Wolfgang Schäuble, mit all seinen Kanten und Verfehlungen, aber mit einem klaren Wertekompass und einem soliden Erfahrungsfundament, müssen das leuchtende Vorbild für eine neue, solide Politiker-Generation sein. Ansonsten wird es dunkel in der Republik!

* Diese Felder sind erforderlich.