Heimatbesuch des Heimatministers: Füracker über Bauern, Klinikum und andere Proteste

Weiden. Bevor Albert Füracker weiter zum Landesamt für Finanzen in Weiden fährt, das nach der Behördenverlagerung bereits ein Drittel seiner Mitarbeiter in Weiden beschäftigt, gibt der Finanz- und Heimatminister im Redaktionsgespräch seine Beurteilung zur Lage Bayerns ab.

Heimat- und Finanzminister Albert Füracker im Redaktionsgespräch. Foto: Christian Göbel

Herr Füracker, Sie feiern dieser Tage 10 Jahre Heimatministerium. Wissen Sie’s noch – vor neun Jahren habe ich Sie in der Baustelle des Heimatministeriums in Nürnberg besucht? Sie haben mir den Tresor der ehemaligen Bank gezeigt, die in dem denkmalgeschützten Gebäude am Lorenzplatz mal untergebracht war. Ist da noch was drin?

Füracker: (lacht) Das weiß ich tatsächlich nicht, weil die Schließfächer verschlossen sind und ich keinen Schlüssel dafür habe. Ich schließe das nicht völlig aus. Wenn Sie einen Schlüssel finden, der dazu gehört, können Sie gerne reinschauen und Sie kriegen den Schatz, der da womöglich noch drin ist.

„Dass wir erstmals seit Montgelas Regierungshandeln außerhalb der Landeshauptstadt haben, wertet den nordbayerischen Raum auf“, haben Sie damals über die Ansiedlung des Ministeriums in Nürnberg gesagt. „Wir wollen mehr Dezentralismus – es muss nicht alles in München entschieden werden.“ Von Nordbayern aus möchte das Heimatministerium seinen Verfassungsauftrag erfüllen: „Gleiche Lebensbedingungen in allen Bezirken, ein Bayern der zwei Geschwindigkeiten verhindern.“ Eine Bilanz in drei Sätzen – Stichwort: schnelles Internet?

Füracker: Vor zehn Jahren war in Bayern kaum ein Haushalt gigabitfähig, heute sind es schon über 60 Prozent. Im ländlichen Raum sind bereits rund 92 Prozent der Haushalte mit schnellem Internet versorgt, das nach EU-Vorgaben mit mindestens 30 Mbit/s definiert ist. Bayernweit sind es mittlerweile sogar 98 Prozent der Haushalte. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es im ländlichen Raum noch lediglich 27 Prozent der Haushalte – also ein riesiger Sprung.

Damals bekam ich quasi 50 Briefe am Tag mit Beschwerden über unzureichendes Internet, heute eher in 50 Tagen einen Brief. Albert Füracker

Das zeigt, Bayern hat den Ausbau hier enorm vorangebracht. Im Zuge der Breitbandförderung hat der Freistaat – ohne zuständig zu sein, denn hierfür ist rechtlich eigentlich der Bund in der Verantwortung – seit 2014 rund 2,4 Milliarden Euro an Landesmitteln in den Breitbauausbau investiert. Damit wurden und werden über 90.000 Kilometer Glasfaser in Bayern verlegt. Und wir machen weiter. Eine Bilanz, die sich also absolut sehen lassen kann.

Der Bund in Person von Digitalminister Wissing kommt wegen klammer Kassen seiner Verpflichtung nicht nach?

Füracker: Allein in 2023 haben unsere Städte, Gemeinden und Landkreise Mittel von über 1,65 Milliarden Euro aus dem aktuellen Gigabit-Förderprogramm des Bundes für den Ausbau vor Ort beantragt. In Folge der unterdimensionierten Deckelung des Bundesprogramms auf 450 Millionen Euro gingen jedoch über zwei Drittel der bayerischen Kommunen leer aus. Der Bund muss seiner Verantwortung beim Glasfaserausbau endlich gerecht werden, die Förderrunde 2024 zügig starten und vor allem die Dimensionierung des Förderprogramms massiv erhöhen. Verzögert der Bund hier weiter, müssen Verfahrensschritte unnötig wiederholt werden. Das kostet Zeit und Geld – beides darf nicht verschwendet werden.

Wie ist der Stand der Behördenverlagerung?

Füracker: Bislang haben im Rahmen der ersten Stufe der Behördenverlagerungen 56 von 66 Behörden und staatliche Einrichtungen mit Arbeitsplätzen für 1457 Beschäftigte und Studienplätzen für 430 Studierenden an den neuen Zielorten den Dienstbetrieb aufgenommen. Dadurch profitiert insbesondere auch die nördliche Oberpfalz etwa in Waldsassen, Windischeschenbach oder Tirschenreuth von hochqualifizierten Beschäftigten im ländlichen Raum. Wir befinden uns hier noch mitten im Prozess und haben ja mittlerweile sogar eine 2. Stufe an Verlagerungsmaßnahmen gestartet.

Heimat- und Finanzminister Albert Füracker im Redaktionsgespräch. Foto: Andrea Schreiber

Wie wird das Endergebnis aussehen?

Füracker: Nach der zweiten Stufe der Behördenverlagerung werden bayernweit 80 Verlagerungsprojekte mit Arbeitsplätzen für rund 5200 Beschäftigte und Studienplätzen für 1330 Studierende neu angesiedelt sein. Alle Regierungsbezirke Bayerns profitieren von unseren Programmen. Wir wollen, dass jeder Mensch in seiner Heimat leben und arbeiten kann. Die Oberpfalz profitiert im Rahmen der 2. Stufe in Weiden mit insgesamt 300 Arbeitsplätzen, die bis 2030 dorthin verlagert werden – über 100 Arbeitsplätze haben wir davon bereits verlagert.

Inwieweit profitiert die nördliche Oberpfalz vom kommunalen Finanzausgleich?

Füracker: Der kommunale Finanzausgleich, der neben Schlüsselzuweisungen auch andere Zahlungen an Kommunen vorsieht, beträgt 2024 insgesamt 11,4 Milliarden Euro. Insbesondere durch unsere Stabilisierungshilfen konnten in der Vergangenheit viele Gemeinden im Raum Tirschenreuth und Wunsiedel, die finanziell in einer sehr schwierigen Situation waren, deutlich entlastet werden. Aber das soll das Gesamtbild nicht verzerren, auch viele sehr steuerstarke Kommunen kommen aus der Nordoberpfalz – das sind nicht nur Parkstein oder Kemnath, die sich unglaublich entwickelt haben.

Kam eigentlich schon mal eine Kommune auf die Idee, gegen den kommunalen Finanzausgleich zu klagen – so wie der Freistaat gegen den Länderfinanzausgleich?

Füracker: Hier dreht sich alles um die zentrale Frage: Was ist gerecht? Gerecht ist nicht, wenn jeder das Gleiche bekommt. Gerecht ist, wenn jeder das bekommt, was er braucht. Im südbayrischen Raum etwa gibt es kein demografisches Problem, dort ist der Zuzug enorm, dort haben die Kommunen also andere Herausforderungen. Wir unterstützen deshalb zielgenau und ausgewogen und schauen dabei, was in der jeweiligen Region wirklich hilft und benötigt wird. 11,4 Milliarden für den kommunalen Finanzausgleich sind so viel wie nie – und das ist ja auch nicht alles.

Man hat mir gesagt, ich soll in dieser Zeit nicht von Rekorden sprechen, deshalb sage ich, die 11,4 Milliarden für den kommunalen Finanzausgleich sind so viel wie nie – und das ist ja auch nicht alles. Albert Füracker

Dazu kommen Mittel für den Glasfaserausbau, für Kitas oder beispielsweise für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die zu 100 Prozent vom Freistaat erstattet werden. Wenn ich alles addiere, dann gehen 2024 rund 21,26 Milliarden Euro an unsere Kommunen – das sind 29 Prozent des gesamten Staatshausalts, die wir den Kommunen hier zur Verfügung stellen. Das ist schon bemerkenswert und ein deutliches Signal: Die prognostizierten Steuereinnahmen gehen zurück, aber wir stellen dennoch den Kommunen vor Ort mehr Geld zur Verfügung.

Heimat- und Finanzminister Albert Füracker im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Strukturwandel und Transformationsprozesse: Vergangene Woche habe ich Lothar Höher – leider im Krankenhaus – zum Geburtstag gratuliert. Ich habe ihn gefragt, ob Weiden nur deshalb finanziell so schlecht dasteht, weil die SPD regiert: „Hand aufs Herz?“ Das glaubt der Bürgermeister und Bezirkstagsvize mitnichten, vielmehr leide Weiden immer noch am weitgehenden Verlust der Porzellanindustrie. Wie sehen Sie das?

Füracker: Als ich früher als Neumarkter JUler nach Weiden kam, war ich immer beeindruckt, was sich die Stadt leisten konnte – die Max-Reger-Halle, die Thermenwelt.  Aber nach der Grenzöffnung wurde es für die Region unverschuldet strukturell schwieriger. Wir haben daher die Stadt Weiden in den Jahren 2012 bis 2020 mit rund 45 Millionen Euro Stabilisierungshilfen signifikant insbesondere bei der Entschuldung unterstützt. Der Freistaat hilft hier kräftig.

Sie haben vor neun Jahren der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Wirtschaft dem guten Beispiel der Behördenverlagerung folgt: „Man stelle sich vor, was für ein Aufschlag das wäre, wenn einer der bayerischen Weltkonzerne nach Weiden ginge.“ Geht da noch was?

Füracker: Man muss ja mal sehen, dass viele Unternehmen in München beklagen, dass sie keine ausreichenden Flächen oder Grundstücke finden. Viele denken immer noch, man brauche die 089 als Vorwahl. In einer immer digitaleren Welt ist es aber gleich, ob man in Weiden oder München ansässig ist. Ich sage den Unternehmern bei jeder Gelegenheit: Ihre Firma braucht eine Dependance in Nordbayern! Man kann nördlich des Pfaffensteiner Tunnels genauso gute Geschäfte machen. Dann fragt man mich oft: Aber finde ich dort auch genügend Fachkräfte? Das ist so ein „Henne-Ei-Problem“:  Wenn eine solide Firma hier ist, gibt es auch Leute, die eine Perspektive sehen und hierbleiben. Es gibt hier so viele tolle Firmen, die sich exzellent entwickelt haben.

Es gibt hier so viele tolle Firmen, die sich exzellent entwickelt haben. ich war zum Beispiel vor Kurzem bei Walter Winkler. Albert Füracker

Auch die Bayerische Wirtschaft sollte sich eine Heimatstrategie überlegen und ich fordere die bayerische Wirtschaft auf, Nordbayern mehr in den Fokus zu nehmen. Man kann im nordbayerischen Raum wirtschaftlich sehr erfolgreich sein. Gleichzeitig ist es in den ländlichen Regionen einfach persönlicher, menschlicher und das mag ich sehr. Das ist für mich Lebensqualität. Wenn ich in meinem Dorf auf der Straße „Guten Morgen“ wünsche, ist es was anderes als in der U-Bahn in München – da würde man mich vermutlich eher irritiert anschauen.

Krankenhausreform: Sie wollen demnächst zusammen mit Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die Krankenhäuser, die Notfallversorgung und den Hausärztemangel in den Fokus nehmen. Wie bewerten Sie die gegensätzlichen Positionen von Befürwortern – die beiden Landräte, der OB und der Klinikvorstand – und Gegnern der Strukturreform – Notärzte und Patienten vor allem im Landkreis Tirschenreuth – und deren Einschätzung der einschneidenden Veränderungen in Tirschenreuth und an anderen Standorten?

Füracker: Ich beobachte leider eine Tendenz, dass jeder am liebsten möglichst wenig Krankenkassenbeitrag bezahlen, aber die möglichst beste Versorgung dafür möchte. Die Frage ist, wie man das organisieren kann. Dafür gibt es unterschiedlichste Zuständigkeiten. Für die Finanzierung, die Betriebskosten und damit beispielsweise für die Vergütung sind der Bund und die Krankenkassen zuständig – da haben wir als Freistaat keine Kompetenzen.

Ich denke, man muss bei der Beurteilung der medizinischen Versorgung einer Region Krankenhaus, Notarzt, Fach- und Hausärzte als Einheit und nicht isoliert betrachten. Albert Füracker

Ganz maßgeblich ist auch die Hausärztin oder der Hausarzt vor Ort – sie sind immer die ersten Ansprechpartner. Daher haben wir in Bayern beispielsweise ein Förderprogramm für Ärzte im ländlichen Raum.

Können wir uns eine medizinische wohnortnahe Vollversorgung schlicht nicht mehr leisten oder könnte die Krankenhausreform die Vorsorgeleistungen gerade auch mit Blick auf mögliche Pandemien oder Massenkarambolagen auf der A93 anders honorieren?

Füracker: Dass die Kliniken seitens des Bundes unzureichend finanziert wurden, ist augenfällig. Wenn dann die Krankenhausversorgung teurer wird, geraten, wie in den vergangenen zwei Jahren geschehen, einige Häuser in große Not. Wenn man Insolvenzen verhindern will, braucht es seitens des eindeutig zuständigen Bundes jetzt dringend Sofortmaßnahmen. Meine Kollegin Judith Gerlach macht hier wirklich einen sehr guten Job ich unterstütze sie wo ich kann.

Dazu muss aber der Bund jetzt bei der Organisation der Krankenhausstruktur endlich mal mit offenen Karten spielen und konkret sagen, was er künftig überhaupt finanziert. Albert Füracker

Im Zuge dessen muss er dann auch mit den Ländern in eine sinnvolle Strukturdebatte treten. Wenn Sie mich nach meiner eigenen Situation fragen: Ich selbst wohne in einem kleinen Ort im klassisch ländlichen Raum. Wir haben 35 Kilometer zur nächsten Notaufnahme nach Neumarkt, und in die andere Richtung 45 Kilometer nach Regensburg. Das ist nicht direkt vor Ort, aber wenn ich mit Menschen bei uns spreche, habe ich den Eindruck, dass das trotzdem gut organisiert ist.

Wenn man mit den Klinikvorständen in Amberg und Weiden spricht, beklagen sie, dass die Häuser anders als etwa in Österreich schon deswegen defizitär sind, weil sie Sanierungskosten selber tragen müssen.

Füracker: Neben den Betriebskosten, für die eben der Bund und die Krankenkassen zuständig sind, sind die Investitionskosten der Krankenhäuser die zweite Komponente. Für diese ist der Freistaat zuständig und wir unterstützen hier kräftig. Zusammen mit den Kommunen haben wir in den vergangenen Jahren die Investitionskosten je zur Hälfte mit jährlich 643 Millionen Euro finanziert. Dieses schon hohe Niveau haben wir in diesem sogar nochmal von 643 auf 800 Millionen Euro erhöht. Wir gehen davon aus, dass wir auch weiterhin sämtliche Maßnahmen zeitnah abfinanzieren können.

Es gab und gibt hier keinen Investitionsstau in Bayern. Albert Füracker

Wie stehen Sie zum angedachten Neubau des Klinikums Weiden? Befürworter sagen, man könne Energiekosten sparen und den Betrieb durch kurze Wege insgesamt kostengünstiger gestalten. Während die Dauerbaustelle ein Loch ohne Boden sei, werde ein Neubau mit 80 Prozent bezuschusst. Andererseits ist das auch ein wenig linke Tasche, rechte Tasche, am Ende zahlt immer der Steuerzahler.

Füracker: Da haben Sie völlig Recht, es geht immer um öffentliche Gelder. Wir würden die Kosten eines Neubaus grundsätzlich fördern – dafür gibt es klare Kostenrichtwerte, das muss gut abgestimmt sein. Und natürlich ist es wichtig, dass die Krankenhausplanung im Freistaat Bayern auch möglichst einvernehmlich mit den Kommunen erfolgen kann. Aber eine konkrete Investitionsentscheidung kann qualifiziert nur vor Ort getroffen werden. Unter Einbeziehung der Not-, Haus- und Facharzt-Struktur ist das eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.

Die Kritik unserer Notärzte entzündet sich an den ihrer Ansicht nach zu weiten Wegen. Junge Ärzte haben kein Interesse aufs Land zu gehen, wenn das Krankenhaus aufgegeben wird, weil es dann an der Ausbildung fehlt.

Füracker: Das treibt mich auch um. Wir haben, wenn man sich die Studentenzahlen im Bereich Medizin ansieht, keinen Nachwuchsmangel an Ärzten, sondern eine „falsche Verteilung“. Deswegen sind finanzielle Anreize ein möglicher Weg.

Wir haben den Protest der Landwirte nicht erst seit den Traktoren-Aufmärschen begleitet. Seit vielen Jahren beschreiben wir das Dilemma von „Wachsen oder weichen“, welches das Höfesterben in keiner Weise gebremst hat, fehlende Marktmechanismen etwa beim Milchpreis, den die Großmolkereien und die Lebensmittelkonzerne über die Köpfe der Landwirte hinweg aushandeln. Agrardiesel und Besteuerung von landwirtschaftlichen Maschinen ist nur der letzte Tropfen und der Ruf, „die Ampel muss weg“, passt zwar ins Stimmungsbild und mobilisiert Spediteure, Handwerker und Gastronomen, ist aber noch lange kein Rezept für eine nachhaltige Landwirtschaft. Was hat die CSU da in petto, das den Bauernhelden Aiwanger ausstechen könnte?

Füracker: Das Problem ist nicht neu. Im Grundsatz kann man in einer Marktwirtschaft für sein Produkt verlangen, was man will, man muss nur jemanden finden, der es bezahlt.  Es ist aber besonders schwierig auf einem Markt, auf dem es mehr Angebot als Nachfrage gibt, höhere Preise zu erzielen.

Alle staatlichen Eingriffe wie die Milchquotenregelung, haben nicht dazu geführt, das Problem zu lösen. Albert Füracker

Deshalb setzen viele Landwirte auf den technischen Fortschritt, um effizient zu wirtschaften. Die Entwicklungen hier sind enorm. Wer hätte sich vor 40 Jahren einen Melkroboter vorstellen können. In einem modernen Schlepper steckt heute mehr Elektronik als in Apollo 11. Auch das hat den Strukturwandel mit ausgelöst. Aber der Markt ist gnadenlos – es geht alles über den Preis und der ist von vielen Faktoren abhängig. Vor dem Krieg in der Ukraine kostete zum Beispiel der Weizen 17 Euro, während der russischen Blockaden 38 Euro, jetzt ist er wieder auf 19 Euro gefallen.

Nirgends sind die Preise so niedrig wie in Deutschland – kann man die Marktmacht der großen Handelskonzerne nicht regulieren?

Füracker: Das ist heikel. Wir haben ja jetzt schon eine breite Debatte, was sich die Menschen alles nicht mehr leisten können. Nach der Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie steigen die Preise im Wirtshaus. Die letzten Jahre war die Inflation massiv, die Menschen leiden darunter sehr. Ich glaube, es wäre schwierig zu vermitteln, wenn jetzt auch noch durch neue Steuern und Abgaben die Lebensmittel verteuert würden. Die Bundesregierung diskutiert einen Tierwohlcent, den die Bauern selbst nicht wollen, höre ich. Wir müssen natürlich auch darauf achten, dass sich alle Menschen das Leben hier noch leisten können.

Heimat- und Finanzminister Albert Füracker im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Sind Sie selbst noch als Landwirt tätig – und haben Sie schon einen Nachfolger?

Ich bin hier seit 15 Jahren nicht mehr aktiv tätig. Da kann ich schlecht meine Kinder verpflichten – sie dürfen auch selbst entscheiden, welchen beruflichen Weg sie einschlagen möchten.

Würden Sie Ihnen aufgrund der schwierigen Lage von der Landwirtschaft abraten?

Füracker: Landwirt zu sein, ist eigentlich ein wunderschöner Beruf. Aber die Landwirtschaft ist derzeit schon sehr unter Druck. Insbesondere die Bürokratie macht ihnen, aber auch der restlichen Wirtschaft, in sämtlichen Bereichen das Leben schwer. Dazu kommen weitere Gängelungen durch die Bundesregierung wie die Abschaffung des Agrardiesels.

Ganz klar ist: Die Landwirtschaft ist für jedes Land von besonders hohem Wert. Hier werden unsere Lebensmittel produziert. Sie sind Grundlage für unser Leben. Da darf man sich nicht aufs Ausland verlassen. Albert Füracker

Haben Sie an den Demos teilgenommen?

Füracker: Zuletzt war ich in Bernhardswald als Redner zu einer Demo eingeladen. Aber ich muss meine wirklich grenzenlose Solidarität zur Landwirtschaft nicht extra betonen. Ich bin ja Landwirt! Ich kämpfe für Lösungen. Im Übrigen bin ich der einzige Finanzminister – zumindest in Deutschland – der Landwirt ist. Und ich achte auch bei der Aufstellung des Staatshaushalts darauf, dass die Landwirtschaft gut berücksichtigt wird. Unser Landwirtschaftsetat beläuft sich 2024 und 2025 auf je etwa 1,9 Milliarden Euro.

Der Ampel wird vorgeworfen, dass sie ständig im Clinch liegt. Wie sieht‘s in Bayern aus? Nervt Sie der Knatsch in der Bayern-Koalition – insbesondere der Kollege Aiwanger?

Füracker: Mei, das ist wie immer im menschlichen Zusammenleben. Ich rede offen mit ihm und sage ihm persönlich, was mir nicht gefällt. Sein Politikstil ist seit 20 Jahren gleich – und ein vollkommen anderer als meiner. Ich versuche den Menschen zu erklären, wie ich Probleme lösen würde, statt sie nur zu beschreiben und zu poltern. Bei der Besteuerung des Agrardiesels habe ich zum Beispiel versucht, als Mitglied in der Verhandlungsgruppe des Vermittlungsausschusses in Berlin, unsere Zustimmung zum Wachstumschancengesetz von der Rücknahme der Agrardieselbesteuerung abhängig zu machen.

Ich bin der Ansicht, das ist nicht nur der seriösere, sondern auch der erfolgreichere Weg, als sich wie Hubert Aiwanger nur hinzustellen und sinngemäß zu sagen: „Ich fahre nach Berlin, die Stodterer san alle blöd“. Mein Politikansatz ist erklärend, weil ich davon überzeugt bin, wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten. Es sind die Fliehkräfte, die uns Sorgen machen und die wir einfangen müssen.

Inzwischen gibt es kaum mehr gesellschaftliche Gruppen, die nicht demonstrieren, streiken oder gar ein anderes Land wollen. Haben Sie außer dem beliebten Ampel-Bashing, wo sicherlich ein Teil der Unzufriedenheit zu verorten ist, noch andere Erklärungen für die Missmutigkeit der Bürger?

Füracker: Ich bin dankbar, dass es ernstzunehmende Journalisten gibt, die mithelfen, hier dagegen zu steuern. Ich werbe bei den Menschen, dass niemandem geholfen ist, wenn ich einfach nur sage, was sie gerne hören wollen. Dann wäre die Demokratie nur noch eine Befriedigungsmaschine, bei der jeder bekommt, was er will. Was im Übrigen auch gar nicht geht, denn nicht alle wollen das Gleiche.

Es gibt unterschiedliche Meinungen, das muss man respektieren. Niemand darf für seine Haltung oder Ansicht körperlich angegriffen werden, egal, wie man dessen Politik findet. Albert Füracker

Auch ist es gefährlich und strafbar eine Straße zu blockieren und so Rettungskräften den Weg zu versperren. Das ist es, was ich Leuten vermitteln will. Gelebte Demokratie bedeutet, dass nicht alle einer Meinung sind. Das ist auch in einer in Volkspartei nicht anders.

Können Sie das Aiwanger nicht mal vermitteln?

Füracker: Ich bin nicht sein Erziehungsberechtigter. Wie gesagt, wir pflegen schon lange höchst unterschiedliche Politikstile und ich werde meinen sicher nicht ändern.

Heimat- und Finanzminister Albert Füracker im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

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